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Wächter des Allgäus. Der Grünten soll zu einer Eventlandschaft ausgebaut werden – doch es regt sich Widerstand.

© imago images / MiS

Der Streit um den Grünten im Allgäu: Event-Ort oder Erholungsraum – was soll aus den Bergen werden?

Tourismus gegen Naturschutz – dieser Konflikt bestimmt die Entwicklung in der Alpenregion. Der Streit um den Grünten im Allgäu zeigt das exemplarisch.

Als „Wächter des Allgäus“ bezeichnen ihn die Einheimischen gern. Er ist ein lang gezogener, 1738 Meter hoher Berg nördlich von Sonthofen. „Zum Grünten haben viele Leute hier einen starken emotionalen Bezug“, sagt Thomas Frey, Allgäuer und Mitarbeiter beim Bund Naturschutz (BN). Von seinem Schreibtisch im Homeoffice kann er stets auf den Bergrücken blicken. „Die Menschen haben da als kleine Haserl Ski fahren gelernt und sind im Schnee rumgetobt.“

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Dass das Skigebiet mittlerweile heruntergekommen und der Lift marode ist, bestreitet niemand. Doch was nun am und um den Berg neu entstehen soll, spaltet die Allgäuer tief. Die Pläne der Betreiberfirma „BergWelt“ haben es in sich, den Grünten will sie in großem Stil neu möblieren. So soll in dem Landschaftsschutzgebiet die alte Liftanlage für den Winter durch eine Kabinenbahn mit zehn Plätzen im Ganzjahresbetrieb ersetzt werden. Neue Schneekanonen, so die Planung, sollen Ski- und Rodelgebiete beschneien. Dafür bedarf es eines großen Speicherteiches. Die Talstation wird neu errichtet zuzüglich eines vierstöckigen Parkhauses. Oben ist die Bergstation in Planung mit Gastronomie und Shops.

In Sulzberg gründete sich eine Bürgerinitiative gegen das Projekt

„Als ich das alles genauer durchgelesen habe, bin ich erschrocken über die Dimension“, sagt BN-Mann Frey. Er meint: „Das soll ein Event-Ort für das ganze Jahr werden.“ Wie das geht, lässt sich in der 15 Kilometer westlich gelegenen „Alpsee-Bergwelt“ sehen, die von der gleichen Unternehmerfamilie betrieben wird. Dies ist eine künstliche Erlebnislandschaft am Hang, wo „Action und Spaß für die ganze Familie“ versprochen werden – unter anderem mit Ganzjahres-Rodelbahn auf Schienen, Hochseilgarten, Mega-Spielplatz und vier Gaststätten. „Das ist Kulisse“, sagt Thomas Frey. „Mit den Alpen und der Natur hat das nichts zu tun.“

Als die Pläne für den Grünten konkreter wurden, trafen sich 350 Bürgerinnen und Bürger im September 2019 im knallvollen Saal des Gasthofs Hirsch in Sulzberg. Max Stark aus dem Ort war mit dabei. „Da hat sich unsere Bürgerinitiative gegründet“, erinnert er sich, sie heißt „Rettet den Grünten“. Von da an postieren sie Info-Stände in den Gemeinden, sammeln Unterschriften, 20 000 Euro an Spenden sind bisher zusammengekommen. „Das Thema wird hier viel emotionaler diskutiert als in der Stadt“, sagt Stark, „denn man weiß ja, was der Nachbar denkt.“ Es seien „tiefe Gräben aufgerissen auch innerhalb von Familien“.

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Tourismus contra Naturschutz – dieser Konflikt bestimmt die Entwicklung an den Bergen und in den Dörfern der Alpen. Die Regionen werden überrannt von Urlaubern und Ausflüglern, in der Coronazeit noch mehr, da viele Bürger nicht ins Ausland reisen wollten oder konnten. Zugleich, da sind sich alle Experten einig, wird es als Folge des Klimawandels immer weniger schneesichere Gebiete geben für das Skifahren.

„Die Entwicklung kann man mit immer mehr Schneekanonen höchstens verzögern“, meint BN-Mann Frey. Eine Alternative wäre der Ausbau des Sommertourismus. Oder aber, das verlangt der Umweltschützer: „Die Alpen sind überbelastet. Manche Flächen am Grünten lassen sich sehr gut renaturieren.“ Stattdessen würden die Pläne laut BN die Rodung von 3,3 Hektar Bergwald und die Versiegelung von 5,5 Hektar Flächen bedeuten, Biotope seien bedrohen. Vom zusätzlichen Pkw-Verkehr ganz zu schweigen.

Betrieben wird „BergWelt“ von der bekannten Allgäuer Investorenfirma Hagenauer. Das sind das Ehepaar Sabine und Martin, sowie deren Kindern Anja und Michael. Sie leben im Allgäu, haben ihre Unternehmen dort und präsentieren sich gerne als in der Region verwurzelt. 50 Millionen Euro wollen sie investieren, Zuschüsse von 6,7 Millionen vom Freistaat Bayern sind beantragt. Eine Gesprächsanfrage dieser Zeitung an sie und an die Pressereferentin des Unternehmens bleibt ohne Antwort.

Wird der Antrag genehmigt, will der Bund Naturschutz rechtlich dagegen vorgehen

Es gibt aber die Gruppe „Zukunft Grünten“, die für die „BergWelt“ trommelt. Tenor: Das Projekt sei für die Entwicklung der Region wichtig und ökologisch nachhaltig. Auf der Homepage argumentieren die Befürworter, dass keine neuen Pisten erschlossen und keine Wanderwege zusätzlich gebaut würden. Es komme zu keiner weiteren CO2-Belastung, da der neue Lift mit Strom statt mit Diesel betrieben werde. Ziel sei „ein abwechslungsreiches, familienfreundliches und nachhaltiges Natur-Und Berg-Erlebnis“. Lange Unterstützungsschreiben wurden von Gastronomen, Bio-Bauern und Vermietern von Ferienwohnungen eingesammelt.

Derzeit prüft das Landratsamt Oberallgäu in Sonthofen den Projektantrag. Wird er genehmigt, will der Bund Naturschutz rechtlich dagegen vorgehen.

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