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Vor zwei Jahren ging es ihm noch deutlich besser. Hopper im Jahr 2008 mit seiner Frau Victoria Duffy. Fotos: AFP/dpa

© picture alliance / dpa

Panorama: Das lange Sterben des Dennis Hopper

Es war schon sehr beklemmend, Dennis Hopper dabei zuzusehen, wie er am Freitagmittag tattrig an das Rednerpult trat, das für ihn auf dem Hollywood Boulevard aufgebaut worden war. Der einstige Easy Rider war bis auf die Knochen abgemagert, er trug Verbände und Pflaster am ganzen Körper und konnte kaum drei Minuten lang zusammenhängende Sätze aneinanderreihen.

Es war schon sehr beklemmend, Dennis Hopper dabei zuzusehen, wie er am Freitagmittag tattrig an das Rednerpult trat, das für ihn auf dem Hollywood Boulevard aufgebaut worden war. Der einstige Easy Rider war bis auf die Knochen abgemagert, er trug Verbände und Pflaster am ganzen Körper und konnte kaum drei Minuten lang zusammenhängende Sätze aneinanderreihen. Die Dankesrede für die Widmung seines Sterns auf dem Walk of Fame, jenem Bordstein, auf dem die Traumfabrik ihre Besten und Größten würdigt, war für den todkranken Star eine sichtbare Überforderung.

Nur einen Tag zuvor hatte Hoppers Arzt bekannt gegeben, dass der an Prostatakrebs leidende 73-Jährige wohl nur noch wenige Tage zu leben hat. Hopper ringt seit Monaten mit der Krankheit, jetzt ist wohl endgültig sicher, dass er diesen Kampf verlieren wird. Und so hat man Hopper, den großen Exzentriker des amerikanischen Kinos, am Freitag vielleicht zum letzten Mal in der Öffentlichkeit gesehen. Die Ehrung schien fast wie eine Art bizarrer vorgezogener Trauerfeier, bei der der Versterbende seine eigene Grabrede hält.

Hopper war sich dieser tragischen Dimension seines Auftritts wohl bewusst. Er versuchte sie so gut er eben noch konnte zu überspielen. Genauso, wie er das Familiendrama zu überspielen versuchte, das seine Erkrankung umgibt und Medien und Blogs in den USA seit Wochen beschäftigt. Umständlich begrüßte Hopper seine bis auf seine Frau vollzählig angetretenen Angehörigen und riss dann ein paar unbeholfene Witze über die Paparazzi, die unablässig sein Haus in Venice Beach belagern.

Fragen darüber, was sich in seinen vier Wänden eigentlich abspielt, beantwortete Hopper hingegen nicht. Dazu ist er nicht mehr in der Verfassung, und der Anlass wäre sowieso auch nicht der richtige gewesen. Dennoch war es natürlich das, was jeder gerne gewusst hätte, zumal Hopper selber wiederholt Andeutungen gemacht hat.

Die Version von Hopper, kolportiert auch durch seine Anwälte, ist die, dass seine fünfte Frau Victoria Duffy versucht, den sterbenden Schauspieler auf dem Totenbett um sein Vermögen und das Erbe seiner Kinder zu prellen. Das sei der Grund dafür, dass Hopper im Januar die Scheidung eingereicht hat.

Die Berichte von Hoppers Anwälten zeichnen Duffy als eine ungewöhnlich kaltherzige Frau. Hopper schleppe sich, mit Schmerzmitteln vollgepumpt, von einer Chemotherapie zur nächsten und ringe mit dem Tod, während Duffy mit allen Mitteln gegen die Scheidung und somit um ihr Erbe kämpft. Glaubt man Hoppers Leuten, scheut Duffy dabei nicht davor zurück, ihren schwer angeschlagenen Ehemann psychisch unter Druck zu setzen: „Die Anwesenheit seiner entfremdeten Frau beeinträchtigt massiv seine Gesundheit“, sagte vergangene Woche ein Vertreter Hoppers. „Je weniger Hopper mit ihr zu tun hat, desto größer ist seine Chance, länger zu leben.“

Duffy soll unter anderem begonnen haben, Wertsachen wie Teile von Hoppers Kunstsammlung aus dem Haus zu schaffen und in Sicherheit zu bringen. Das sei schon deshalb besonders gemein, weil das Kunstsammeln und die eigene Malerei sowie Fotografie neben der Schauspielerei der Lebensinhalt von Hopper sind. Darüber hinaus setzte Duffy offenbar die sechs Jahre alte Tochter des Paares, Galen, als Waffe im Rosenkrieg gegen ihren sterbenden Gatten ein. So unternahm sie vergangenes Jahr just zu Weihnachten mit dem Mädchen eine Reise, nur um Hopper die letzte Weihnacht mit seinem Kind zu versagen. Zwischenzeitlich erwirkte Hopper eine gerichtliche Verfügung, dass Duffy mindestens drei Meter Abstand von ihm halten muss.

Die Geschichte, dass Hopper unter den Niederträchtigkeiten einer gierigen und sadistischen Frau elend zugrunde geht, glaubt freilich nicht jeder in den USA. Im Februar meldete sich eine Freundin der Familie zu Wort, die den Depeschen von Hoppers Anwälten widersprach. In Wirklichkeit, behauptete die Zeugin gegenüber dem Portal „Huffington Post“, stecke hinter der Scheidung nicht der gepeinigte Hopper, sondern dessen Tochter aus einer früheren Ehe, Marin. Marin, die hauptberuflich Agentin ihres Vaters ist, sei es, die versuche, sich das Erbe unter den Nagel zu reißen, indem sie ihre Stiefmutter enterbt. „Es ist grauenhaft“, sagte die anonyme Informantin. „Marin zerrt ihn aus dem Bett und schleppt ihn ständig zu den Anwälten, um dort irgendwelche Papiere zu unterzeichnen.“ Aber gleich ob es nun die gierige Frau oder die gierige Tochter ist oder es gar beide sind, die Hoppers letzte Tage zur Hölle machen – fest steht, dass er wohl einen einsamen Tod sterben wird. Während um ihn herum um den immer schneller schrumpfenden Nachlass gezankt wird – man schätzt, dass er wegen der teuren Behandlungen nur noch über rund 300 000 Dollar, das Haus und seine Kunst verfügt –, dämmert der nur noch 45 Kilo schwere Hopper alleine seinem Ende entgegen.

Es ist ein trauriges, ein bitteres Ende. Aber es passt irgendwie zu Hopper. Hopper war schon immer ein Unangepasster, ein Außenseiter, einer der sich nicht fügen mag. Als Motorradrocker Billy in „Easy Rider“ war er ein Symbol der Hippie- und Drogenkultur sowie der Protestbewegung der 60er Jahre. Zusammen mit Jack Nicholson und Peter Fonda ermutigte er eine ganze Generation, sich nicht anzupassen. Er war der klassische Outlaw, der lieber stirbt, als seinen Traum von Freiheit aufzugeben.

Hopper scheute sich nie, anzuecken, zu provozieren. Er spielte in David Lynchs „Blue Velvet“ den psychopathischen Sadisten Frank Booth und nahm dabei in Kauf, dass er zeit seiner Laufbahn auf die Rolle des abstoßenden Wahnsinnigen festgelegt bleiben würde. Aber auch im wirklichen Leben war er unbequem: Hopper wurde seiner 60er-Jahre-Vergangenheit zum Trotz ein überzeugter Konservativer, weil ihn die Political Correctness der 80er und 90er Jahre nervte. Nettigkeit und Betulichkeit waren ihm ein Gräuel, auch wenn er im linksliberalen Hollywood damit keine Sympathien erntete. Erst im letzten Wahlkampf wählte er wieder einen Demokraten, weil ihn „die Lügen von George Bush“, den er vorher gewählt hatte, anwiderten.

Sein jetziger, sein letzter Part ist insofern für Hopper nicht ungewohnt. Von allen missverstanden und von der Welt betrogen – das ist eine angemessene Rolle für den Mann, dessen Karriere neben James Dean in „Rebel without a cause“ begann. Der Easy Rider brummt noch immer den gottverlassenen Highway entlang ins Nichts und streckt dabei der Welt seinen Mittelfinger entgegen.

Sebastian Moll[New York]

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