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Der Dalai Lama: Über seine Nachfolge wird jetzt schon gestritten.

© Nicky Loh/Reuters

Dalai Lama: Der „Ozean der Weisheit“ wird 80

Er ist einer der populärsten Führer dieser Welt, erhielt den Friedensnobelpreis und könnte der Letzte seiner Art sein: Am Montag wird Tenzin Gyatso, der 14. Dalai Lama, 80 Jahre alt

Das Alter geht auch am „Ozean der Weisheit“, was Dalai Lama frei übersetzt meint, nicht spurlos vorbei. Seit er sich aus dem politischen Leben weitgehend zurückzog, ist es stiller um ihn geworden. Doch noch immer fliegt der Mönch mit dem glucksenden Lachen um die Welt, um den Menschen den Buddhismus näherzubringen. „Alles, was wir brauchen, ist mehr Menschlichkeit“, sagt er. Laut einer Umfrage von 2013 gehört er neben US-Präsident Barack Obama und Papst Franziskus zu den populärsten Führern dieser Welt.
Schauspieler wie Richard Gere und Steven Seagal bewundern ihn, sein Volk verehrt ihn wie einen Gottkönig. Er machte den Buddhismus zur Weltmarke und heimste den Friedensnobelpreis ein. Am 6. Juli wird Tenzin Gyatso, seine Heiligkeit der 14. Dalai Lama, 80 Jahre alt. Zumindest nach dem gregorianischen Kalender. Nach dem Mondkalender der Tibeter feierte er bereits am 21. Juni mit tausenden Fans und Gästen das runde Jubiläum.

Flucht ins Exil

Sein ungewöhnlicher Lebensweg lieferte Stoff für Hollywoodfilme wie „Kundun“ und „Sieben Jahre in Tibet“. Geboren wurde er 1935 unter dem Namen Lhamo Dhondup als zweiter Sohn einer Bauernfamilie in der Provinz Amdo im Nordosten Tibets. Fotos aus der Zeit zeigen einen pausbäckigen Jungen mit roten Wangen. Als er gerade zwei Jahre alt ist, nimmt sein Schicksal eine einschneidende Wende. Mönche erkennen in dem Kleinkind die Wiedergeburt des 1933 verstorbenen 13. Dalai Lamas. Mit vier Jahren wird er inthronisiert, mit gerade 15 Jahren übernimmt er 1950 die politische Führung seines Volkes. Fast zeitgleich beginnt China, Tibet unter seine Kontrolle zu bringen. Als einige Jahre später ein Aufstand der Tibeter gegen die Chinesen scheitert, flieht der gerade 23-Jährige 1959 nach Indien, das ihm zum Zorn Chinas Asyl gewährt. 80.000 Tibeter folgen ihm ins Exil. Bis heute erzählen die Alten von der abenteuerlichen Flucht über die Berge.

Peking stellt sich quer

In den vergangenen 56 Jahren hat Tenzin Gyatso seine Heimat nicht wieder gesehen. In Indien errichten die Tibeter in der Himalayastadt Dharamsala eine Art Klein-Lhasa mit Tempeln und Klöstern, Schulen und Gesundheitszentren. Dort residiert auch der Dalai Lama. Unermüdlich reist er durch die Welt, um für ein „freies Tibet“ zu werben. Vor allem seine Stimme ist es, die den Tibetern Gehör und Gewicht verleiht. Gegenüber China plädiert er für den dritten Weg. So strebt er nicht die Unabhängigkeit an, weil er dieses Ziel nicht für realistisch hält, sondern dringt auf Autonomie Tibets innerhalb Chinas. Gewalt lehnt er rigoros ab. „Wenn wir unserem Ärger freien Lauf lassen, machen wir ihn nur stärker“, mahnt er. Doch Peking stellt sich quer, beschimpft den Dalai Lama als „Wolf im Schafspelz“.

Der Westen dagegen ist fasziniert von dem bescheidenen Mönch und seinen fernöstlichen Lehren. Seine Weisheit, Güte und sein kompromissloses Werben für Gewaltlosigkeit machen ihn zum Idol, 1989 erhält er den Friedensnobelpreis. Teilweise wird er derart idealisiert, dass der südafrikanische Politiker Trevor Manuel sich einmal mokierte, „etwas gegen den Dalai Lama zu sagen, ist für einige Kreise so, als würde man versuchen, Bambi zu erschießen“.
Doch auch unter den Exiltibetern gibt es Kritik an dem Gottkönig, der eigentlich über alle Kritik erhaben ist. Tatsächlich hat er politisch wenig erreicht. Bis heute sind die Tibeter ein heimatloses Volk, in Tibet werden sie unterdrückt und ihre Kultur zerstört. Vor allem die Jugend wird ungeduldig und fordert einen härteren Kurs gegenüber Peking. Viele der jungen Exil-Tibeter kennen ihre Heimat nur aus Erzählungen, haben Tibet nie mit eigenen Augen gesehen.

Die Nachfolger-Frage

Während andere Mächtige an ihren Sitzen kleben, verordnet der Dalai Lama seinem Volk eine demokratische Revolution von oben: Als er 2011 als ihr politisches Oberhaupt zurücktritt, bricht er mit der jahrhundertealten Tradition, dass der Dalai Lama auch die politische Führung hat. Für viele, vor allem ältere Tibeter ist das ein Schock. Sie beknien ihn zu bleiben. Doch der Dalai Lama lässt sich nicht erweichen. Zu groß ist die Sorge, dass sein Volk nach seinem Tod ohne Führung dasteht. An seiner Stelle wird der Jurist Lobsang Sangay zum Ministerpräsidenten und damit politischen Führer der Exiltibeter gewählt.

Der Dalai Lama bleibt weiter geistiger Führer seines Volkes. Sein Tod wird ein schwerer Verlust sein. Es ist kein Geheimnis, dass China einen Jungen im besetzten Tibet als seine Wiedergeburt ausgeben will, um die Tibeter zu spalten. Immer wieder stellte der Dalai Lama klar, dass diese Marionette von Pekings Gnaden keine Legitimität hat. Wenn er wiedergeboren werde, dann nicht in einer Diktatur, sagt er. Doch bis dahin ist noch Zeit. So habe er geträumt, dass er 113 Jahre alt wird. Er lässt sogar offen, ob er überhaupt wiedergeboren wird oder der letzte Dalai Lama ist. Das will er mit anderen hohen buddhistischen Würdenträgern entscheiden, wenn er 90 Jahre alt ist. "Die Institution des Dalai Lama wird eines Tages enden."

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