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Vor Kotor ankern die Kreuzfahrtschiffe.

© dpa/Savo Prelevic/Vijesti

Bucht von Kotor: Montenegros Küste "erstickt" im Tourismus

Profit versus Umweltschutz: Auch in Montenegro stößt der Kreuzfahrttourismus an seine Grenzen. In der Bucht von Kotor ist sie wie in Venedig und Dubrovnik erreicht.

Der Kurzabstecher ins Land der Schwarzen Berge bleibt jedem Kreuzfahrttouristen unvergesslich. Wenn sich die wohnturmhohen Ozeanriesen zwischen Montenegros schroffen Bergrücken durch die nur 330 Meter breite Meerenge von Verige in die fjordartige Bucht von Kotor schieben, halten selbst erfahrene Küstenhopper aufgeregt den Atem an: Auch die in die Höhe gereckten Kameras und Mobiltelefone der eifrigen Hobbyfilmer vermögen die Einzigartigkeit der grandiosen Schiffspassage kaum zu erfassen.

Als einer der Höhepunkte jeder Adriakreuzfahrt gilt die spektakuläre Fahrt durch die vier Becken der insgesamt 30 Kilometer langen Bucht. An deren Ende steht mit der von der Unesco als Weltkulturerbe geschützten Hafenstadt Kotor ein nicht minder fotogenes Ziel: Nach Venedig und dem kroatischen Dubrovnik hat sich Montenegros Adriaperle in den letzten Jahren zum beliebtesten Etappenziel von Mittelmeerkreuzfahrten gemausert.

Schon in der Antike galt die vom 1749 Meter hohen Gipfel des Lovcen überragte Bucht wegen ihrer geschützten Lage als idealer Naturhafen: In Risan finden sich noch immer die prächtigen Mosaikreste griechischer Villen. Die Österreicher bauten das von den Römern gegründete Kotor im 19. Jahrhundert gar zum Stützpunkt ihrer Kriegsmarine aus.

Auch im sozialistischen Jugoslawien war die von der Unesco 1979 zum Weltkulturerbe erklärte Stadt vor allem als Marinestützpunkt bekannt. Seit der Unabhängigkeit Montenegros 2006 nehmen indes vermehrt schwimmende Luxusherbergen Kurs auf Kotor: Machte das Kreuzfahrtgeschäft 2007 lediglich vier Prozent von Montenegros Tourismuseinnahmen aus, ist es mittlerweile fast ein Drittel.

Eine Überdosis Tourismus

Immer mehr und immer größere Kreuzfahrtschiffe drängt es in die Bucht: Allein zwischen 2013 und 2017 hat sich die Zahl der in die 5300-Seelenstadt angeschipperten Tagestouristen laut Angaben der örtlichen Hafenverwaltung von rund 318.000 auf 533.000 pro Jahr erhöht.

Teilweise sind die Schiffe, die in der malerischen und einst so einsamen Bucht ankommen, so groß, dass sie mitten in der Bucht ankern müssen. Von dort werden tausende Passagiere per Boots-Shuttle zum Kai von Kotor gefahren. Je mehr Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig in der Bucht sind, desto mehr Menschen bevölkern die Altstadt von Kotor. Das führt vor allem in den Sommermonaten zu einer Überdosis Touristen. Bei rund zwei Millionen Kreuzfahrtreisenden in fünf Jahren macht vor allem deren Masse das Geschäft. Ein T-Shirt oder Kaffee hier, ein Kühlschrankmagnet oder eine Fischsuppe da: Rund 40 Euro pro Nase lassen die Kurzzeitbesucher im Schnitt bei ihren Landgängen liegen.

Doch wie viele Kreuzfahrtriesen verträgt die eher enge Bucht? Die Freude über klingende Kassen und den rollenden Touristenrubel ist im Land der Schwarzen Berge nicht mehr ungetrübt. „Die Jagd nach dem Profit erstickt die Bucht“, titelt düster die Zeitung „Vijesti“ in der Hauptstadt Podgorica: „Die Kreuzfahrtschiffe bringen Verdienst, aber bedrohen die Umwelt.“

Schäden für die Umwelt

Ob durch verstärkten Schiffslärm vertriebene Delphine oder durch vermehrte Abwässer bedrohte Seegraskulturen: Umweltaktivisten kritisieren, dass Montenegro – im Gegensatz zum nahen Dubrovnik – noch immer keine Höchstgrenze einer akzeptablen Zahl von Kreuzfahrtriesen definiert habe. Gegenüber „Vijesti“ klagte kürzlich eine Wissenschaftlerin vom Meeresbiologischen Institut in Kotor über das mangelhafte Monitoring der Folgen des Kreuzfahrttourismus auf die Biodiversität durch die heimischen Umweltbehörden. So seien nur potenzielle Auswirkungen durch Wasser- und Luftverschmutzung sowie die vermehrte Lärmbelästigung benannt, aber nicht näher untersucht worden.

Wegen des willkürlichen Baus immer neuer Ferienwohnsiedlungen auch in Naturschutzgebieten der Bucht hat die Unesco Montenegro in den letzten Jahren bereits mehrfach mit der Aberkennung des Weltkulturerbe-Titels gedroht. Nun warnt sie vor der „großen Zahl von Kreuzfahrt- und Frachtschiffen“, die den Status als Weltkulturerbe bedrohe.

Das Problem sei die „Beliebigkeit“, mit der Tourismus in Montenegro entwickelt werde, klagte unlängst der Umweltschützer Dusan Varda gegenüber der Nachrichtenagentur „Balkan Insight“: „Doch wir sollten nicht bis zum völligen Kollaps der Natur- und Stadtkapazitäten warten, um zu realisieren, dass die Einführung von Restriktionen nötig ist.“

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