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Ein Feuerwehrmann bekämpft den Großbrand bei Fichtenwalde.

© Sebastian Gabsch/PNN

Brandexperte Goldammer im Interview: "Den Feuerwehren fehlen Ausbildung und Ausrüstung"

Johann Goldammer, Deutschlands einziger Professor für Feuerökologie, spricht über Waldbrände, die Probleme der Feuerwehren und präventive Konzepte.

Herr Goldammer, Sie haben die in Deutschland einzige Professur für Feuerökologie. Muss Feuerökologie aufgewertet werden?

Daran arbeiten wir hier am Max-Planck-Institut für Chemie und der Universität Freiburg. Unterstützt wird die Forschung aber durch eine große Zahl von Wissenschaftlern im Deutschland und weltweit. Dazu gehören auch Forschung und Technologieentwicklungen wie Klimamodellierung und Entwicklung von Satellitensensoren, die Feuer nicht nur identifizieren können, sondern auch deren Eigenschaften und Folgen charakterisieren können.

Werden die Ergebnisse dieser Forschung denn auch angewendet?

Eine wichtige Frage. Während einerseits vielfach nach mehr Forschungsmitteln gerufen wird, sehen wir andererseits, dass die Lücke zwischen bestehendem Wissen und der Umsetzung beziehungsweise Anwendung in die Praxis zunehmend größer wird.

Wie meinen Sie das beispielsweise in Deutschland?

Die Ausbildung der Feuerwehren sieht das Thema der Bekämpfung von Landschaftsbränden nur in unzureichendem Maß oder gar nicht vor. Die klassischen Aspekte der Feuerwehr, also Retten, Löschen, Bergen und Schützen, sind in Deutschland ausgezeichnet entwickelt mit dem Fokus auf die Strukturen der urban-industriellen Gesellschaft: Autounfälle oder Gebäude- und Industriebrände, Sicherung kritischer Infrastruktur beherrschen deutsche Einsatzkräfte. Für die Bewältigung von Landschaftsbränden fehlen nicht nur die Ausbildung, sondern vor allem auch die spezielle Ausrüstung.

Die Feuerwehren haben Waldbrände in der Vergangenheit doch immer schnell gelöscht. Selbst den Großbrand in Fichtenwalde bei Potsdam haben die Einsatzkräfte jetzt unter Kontrolle…

Die Löscharbeiten dauern schon mehrere Tage an, obwohl der Brand in seiner Ausbreitung durch Autobahn und Waldwege begrenzt war. Die Einsatzfahrzeuge sind auf der Autobahn zu sehen, Löschkräfte operieren nicht im Wald, sondern im Wesentlichen von der Straße aus. Es gibt Fotos von Feuerwehrangehörigen, die oberkörperfrei löschen. Es gibt keine spezielle leichte Schutzbekleidung, die den Löschkräften erlaubt, sich über viele Stunden bei extremer Hitze im Gelände zu bewegen, sondern nur die schwere Ausrüstung für übliche Rettungs- und Löscheinsätze. Schwere Helme, Schutzanzüge, Atemschutzgeräte und große Löschfahrzeuge, wie sie im urban-industriellen Bereich eingesetzt werden und in dieser Form notwendig sind. Wir brauchen mobil, flexibel und schnell einsetzbare Löschkräfte. Internationale Standards sollten in Deutschland beachtet werden.

Aber sind wir denn trotzdem nicht auf dem richtigen Weg? Seit der Waldbrandkatastrophe in Niedersachsen 1975 sind wir doch von großen Waldbränden verschont geblieben…

Nach dieser Katastrophe hat man in Deutschland zunächst konsequent gehandelt. Beispielsweise wurden Waldbrandkarten angefertigt oder die sogenannte „Funkwelle Forst“ eingerichtet, die erstmals die Kommunikation in den Waldgebieten ermöglichte. Das war eine Innovation. Dann hat man auch viele reine Nadelwälder zu Mischwäldern umgebaut. Alles das darf aber nicht dazu führen, dass wir uns zurücklehnen.

Warum können wir uns nicht zurücklehnen?

Wir müssen uns auf häufigere, länger anhaltende und extremere Trocken- und Hitzeperioden und damit auch mehr und schwieriger zu beherrschende Landschaftsbrände einstellen, so wie wir das in diesem Jahr in Schweden sehen.

Was schlagen Sie vor?

Man sollte ein bundesländerübergreifendes, nationales Konzept erarbeiten, um gemeinsam die kompetenzbasierte Ausbildung zur Bewältigung von Naturgefahren, also extreme Starkniederschläge, Fluten, Stürme und Landschaftsbrände, zu verbessern. Wir sollten auch nochmals über die Beschaffung von Löschflugzeugen nachzudenken, sozusagen das Konzept der 1970er Jahre wieder aufzugreifen. Damals wurde ein Prototyp eines leicht zu installierenden Feuerlöschrüstsatzes für das Transportflugzeug „Transall“ entwickelt, der dann aber nie beschafft wurde. Für einzelne Bundesländer solche Maßnahmen nicht tragbar, deshalb sollte der Bund mehr Kompetenzen in Hinblick auf Finanzierung und Koordination bekommen.

Was kann man präventiv machen?

Neben den traditionellen und hier auch angewendeten technischen Maßnahmen, wie die Anlage und Pflege von Feuerschutzschneisen, muss der Blick auf das gerichtet werden, was im Wald zunächst brennt – das Bodenfeuer. In vielen Ländern der Welt empfehlen wir, offene, parkartige Wälder aufzubauen, die mehrfache Funktionen erfüllen. Neben nachhaltiger Produktion von Holz- und Zellstoffprodukten können Wälder, räumlich geordnet, auch unter der Erhaltung von Biodiversität, Lieferant von Bioenergie und Haustierhaltung dienen. Das Thema Waldweide ist bei uns aber noch ein Tabu.

Wieso kann Waldweide zum Schutz gegen Waldbrände helfen?

Wir müssen über den Tellerrand schauen und aus der Natur und von anderen Kulturlandschaften lernen. Offene Waldweiden ermöglichen das Nebeneinander von Forst- und Landwirtschaft auf einer Fläche. Ein lockerer Baumbestand bietet Schafe, Ziegen und Rinder im aufgeheizten Klima einen erträglichen Lebensraum. Diese wiederum revanchieren sich dadurch, dass sie den Unterwuchs klein halten, so dass keine gefährlichen Waldbrände mehr auftreten können.

In anderen Regionen der Welt setzen Sie auch kontrolliertes Feuer zur Reduzierung der Brandlast in Wäldern ein. Wäre das auch eine Methode hier in Deutschland, beispielsweise in Brandenburg?

Im Prinzip ja, aber letztendlich vielleicht in diesem Umfang nicht unbedingt nötig. Wir setzen aber kontrolliertes Feuer zur Verjüngung und Erhaltung von Heideflächen ein. Das ist eine nationale Aufgabe, weil die meisten Heideflächen wichtige Erholungsräume darstellen und unter Naturschutz stehen. Kontrolliertes Brennen als Pflegemaßnahme, die auf traditionellen Techniken fußt, hat sich in den letzten Jahren bei uns zunehmend durchgesetzt.

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