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Die Pfadfinder wollen Aufklärung über sexuellen Missbrauch in ihrem Verband leisten.

© picture-alliance/ dpa

Betroffene von sexuellem Missbrauch sollen ihre Geschichte erzählen: Pfadfinder-Verband will seine dunkle Vergangenheit aufklären

Der "Bund der Pfadfinder und Pfadfinderinnen" bittet Betroffene um Hilfe bei Aufklärung sexuellen Missbrauchs im Verband.

Der Mann war vorbestraft, verurteilt wegen sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen, Verantwortliche des „Bundes der Pfadfinderinnen und Pfadfinder“ (BdP) wussten das auch. Trotzdem durfte der Mann weiter im BdP arbeiten, seine kriminelle Vergangenheit interessierte dort nicht besonders.

In den Akten des BdP ist es dokumentiert, spätestens 1980 war die Vorstrafe bekannt. Unklar ist, ob er weiter mit Kindern arbeitete. Aber es ist einer von fünf Fällen mit Bezug auf sexuellen Missbrauch von Minderjährigen, die der aktuellen Führung des BdP bekannt sind. „Der Umgang im Verband mit Betroffenen von sexuellem Missbrauch war nicht immer angemessen“, sagt Maria Venus, die Bundesvorsitzende des BdP. „Die Bedürfnisse der Opfer wurden nicht angehört oder es wurde abgewiegelt, damit das Andenken von Tätern nicht beschädigt oder zerstört wird. Damit wurden Täter geschützt.“

Jetzt will auch der Pfadfinderverband seine dunkle Vergangenheit aufklären

Alarmierende Nachrichten. Sie ähneln denen der großen Missbrauchsfälle Odenwaldschule oder Canisiuskolleg. Jetzt will auch die BdP-Führung genau wissen, wie dunkel die Vergangenheit des eigenen Verbands ist. Genau deshalb wurde der Arbeitskreis „Echolot“ gegründet. Er soll viele Fragen klären: Was genau lief schief damals? Wie konnte es sein, dass Jugendfreizeiten oder Lager von Pfadfindern Orte für Missbrauch sein konnten? Welche Fehler hatte der Verband gemacht? Wie viele Opfer gab es?

Antworten können nur Betroffene geben. Deshalb hat die BdP-Führung am Mittwoch bei einer Pressekonferenz einen Aufruf gestartet: Opfer im BdP sollen ihre Geschichte erzählen, sie sollen zumindest in Ansätzen einen Überblick über die Dramatik des Themas und die Zahl der Fälle geben.

Es geht um Fälle zwischen 1976 und 2006

„Es geht um die Zeit von 1976 bis 2006“, sagt Maria Venus. Der BdP, 1976 gegründet, der größte interkonfessionelle Pfadfinderverband in Deutschland und rund 30 000 Mitglieder stark, hatte zu Beginn der 2000er-Jahr ein Schutzkonzept aufgestellt. Diese Maßnahmen, das ist zumindest die Hoffnung des BdP, greifen seit 2006 wirksam. Deshalb der Zeitraum bis 2006.

Seit 2006 sind 25 Mitglieder aus dem Verband ausgeschlossen worden, allerdings ist nicht klar, ob in jedem Fall sexueller Missbrauch der Grund war. Das ist ohnehin ein Merkmal dieses Projekts, es gibt wenig verlässliche Basisdaten, dafür aber viele Vermutungen. „Das liegt“, sagt Benjamin Holter, der Vorsitzende des Arbeitskreises „Echolot“, „auch daran, dass in den Akten kaum etwas zu finden ist.“ Man habe die Täter, so ist seine Vermutung, auf diese Weise schützen wollen. „Uns wurden die Fälle nur anekdotisch zugetragen.“ Genau deshalb sollen sich ja jetzt Betroffene zu Wort melden.

Ein renommiertes Institut hilft mit der Aufarbeitung

Der BdP arbeitet eng mit dem renommierten Institut für Praxisforschung und Projektberatung in München (IPP) zusammen. IPP hatte sich unter anderem mit der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der Odenwaldschule oder in bayerischen Kinderheimen befasst.

Peter Caspari, der bei IPP das Projekt „Echolot“ begleitet, hat viele Fragen. Zum Beispiel: Gab es innerhalb des BdP ein Netzwerk von Tätern? Und wenn ja, hatten sie Kontakt zu Netzwerken außerhalb des eigenen Verbands? Auf die Akten setzt Caspari wenig Hoffnung. Viel wichtiger sind ihm stattdessen „die Interviews mit den Betroffenen“. Denen werde absolute Anonymität zugesichert.

Betroffene können sich melden unter der Mailadresse: aufruf@ipp-muenchen.de oder der Telefonnummer 030-54987551 (ab 9. September, Dienstag von 11 bis 13 Uhr und Donnerstag von 15 bis 17 Uhr). Weitere Infos unter www.pfadfinden.de

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