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Sehen harmlos aus, sollen aber für zahlreiche Tote verantwortlich sein.

© sergeyshibut/Fotolia

Besser Essen: Warum man bei Ernährungsstudien skeptisch sein sollte

Laut einer neuen Berechnung tötet ungesundes Essen jährlich mehr Menschen als Rauchen. Doch solche Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen.

Zu viel Salz, zu wenige Früchte, Vollkorn und Nüsse. Diese Faktoren klingen bekannt als Zutaten einer ungesunden Ernährung. Eine neue Studie setzt jetzt noch einen drauf: Die beteiligten Forscher berechnen, wie viele Menschen ein solcher Essensplan das Leben kostet. Laut der jetzt im Medizinermagazin „Lancet“ veröffentlichten Zahlen sterben aus diesem Grund jährlich weltweit elf Millionen Menschen einen vermeidbaren Tod – mehr als durch das Rauchen. So lauteten jedenfalls die ersten Schlagzeilen.

Tatsächlich sind die Wissenschaftler selbst viel zurückhaltender. Sie interpretieren ihre Resultate lediglich als „möglichen Einfluss einer suboptimalen Ernährung“ auf Todesfälle und Erkrankungen. Wissen können sie es aus verschiedenen Gründen ohnehin nicht. Einer davon ist, dass es auch für den besten Arzt oder Pathologen fast nie möglich ist, einen Todesfall ausschließlich oder auch nur hauptsächlich auf die Ernährung des oder der Hingeschiedenen zurückzuführen. Die Todesursache „Zu viel Eiscreme“ steht jedenfalls auf keinem Totenschein.

Was als gesund gilt, und was als ungesund – die Daten, die solchen Festlegungen zugrunde liegen, stammen fast ausschließlich aus sogenannten Beobachtungsstudien. Man beobachtet zum Beispiel, dass Spanier mehr Olivenöl und Seefisch essen als Chinesen, und dass sie auch eine höhere Lebenserwartung haben.

Ob wirklich jene Zutaten auf dem Teller die Spanier gesünder machen, oder ob vielleicht andere Faktoren wichtiger sind – ein entspannterer Lebensstil insgesamt vielleicht, oder die Siesta im Speziellen, oder höherer Lebensstandard, oder gar der ganze Rotwein – ein solcher Schluss ist seriös gar nicht möglich.

Jedes Gramm zählt

Es ist nicht die einzige Beschränkung solcher Berechnungen. Der Hauptkiller, den die Studienautoren um Christopher Murray von der University of Washington ausgemacht haben, ist bei Fachleuten höchst umstritten. Drei Millionen Todesfälle soll allein zu hoher Salzkonsum pro Jahr verursachen. Jüngere Studiendaten und neue Auswertungen existierender Studien legen aber etwas anderes nahe: Tägliche Salzmengen von sechs Gramm oder ein bisschen mehr, die die Autoren der Lancet-Studie bereits als problematisch einstufen, scheinen Personen ohne spezielle Vorerkrankungen jedenfalls gar nichts auszumachen. Es mehren sich vielmehr die Hinweise, dass die empfohlenen geringen Mengen von gut drei Gramm sogar ungesund sein könnten.

Aber in China steigt der Salzkonsum, und mit ihm die Erkrankungsrate an Herz und Kreislauf. Ist das Salz schuld? Oder vielleicht doch der auch sonst sich ziemlich verändernde, bewegungsarme Lebensstil? Oder andere Faktoren, von mehr billigen Fertigprodukten über schlechte Luft bis hin zu alltäglichem Stress oder gar der landesweit einheitlichen Zeitzone, die manche Chinesen erst mittags den ersten Sonnenstrahl erblicken lässt?

Zucker in Mexiko

Dazu kommt, dass Studien immer wieder unerklärbare Ausreißer zutage bringen, die sich auch mit der besten Statistik nicht wegrechnen lassen. Auch im Fall der aktuellen Datenauswertung passen ein paar Länder und die Ernährungsgewohnheiten ihrer Bürger überhaupt nicht gut. In Mexiko etwa wird mehr des als sehr ungesund geltenden reinen Zuckers konsumiert als fast überall sonst auf der Welt.

Trotzdem haben die Mexikaner es beinahe in die Top 10 der Länder mit den wenigsten Ernährungstoten geschafft. Vielleicht gleichen all die Maistortillas den Zuckerschaden wieder aus? Man weiß es nicht. Auch sie sind allerdings meist nicht aus Vollkorn und stecken voller schnell verfügbarer Kohlenhydrate. Auch Mais-Öl mit all seinen Omega-6-Säuren gilt als ungesund und würde deshalb nicht ins Bild passen.

Selbst bei dem von den Studienautoren angeführten wichtigen und einleuchtenden Faktor Obst ist nicht alles so klar. Große Untersuchungen ergaben zwar, dass Obst und Gemüse tatsächlich gesund zu sein scheinen. Doch analysiert man den Faktor Obst allein, verschwindet der positive Effekt gerne einmal komplett. Und was ist mit den Nüssen? Studienergebnisse schreiben ihnen äußerst positive Effekte zu, würde man jeden Tag eine Handvoll davon essen. Sogar jenseits von jenen reinen Beobachtungsstudien sind hier positive Wirkungen zumindest einigermaßen belegt.

Ob die Welt aber gesünder wäre, wenn alle immerzu Nüsse äßen? Das weiß niemand. Vielleicht eher nicht, denn Nüsse sind extrem anfällig für Schimmel. Und Schimmelpilzgift ist einer der wenigen Faktoren an Nahrungsmitteln, die wirklich sicher als sehr, sehr ungesund nachgewiesen sind.

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