zum Hauptinhalt
 Die Brandschutztüren haben funktioniert. Bisher konnte nicht geklärt werden, warum in der Behindertenwerkstatt das Feuer ausgebrochen ist.

© AFP

Behindertenwerkstatt in Titisee-Neustadt: Gasofen verursachte Brandkatastrophe mit 14 Toten

Einen Tag nach der Feuerkatastrophe von Titisee-Neustadt ist klar: Ein Gasofen hat das Unglück verursacht, bei dem 14 Menschen starben. Unterdessen kämpfen die Menschen mit ihren Gefühlen. Eine Reportage aus Titisee-Neustadt.

„Großer Caritas Advents- und Weihnachtsmarkt“ steht auf einem Schild vor dem Gelände der Behindertenwerkstatt. Er sollte am Montag beginnen. Doch statt des Dufts von Tannennadeln und Orangen liegt am Tag nach der Katastrophe der Geruch von verbranntem Holz in der Luft. Experten der Brandermittler räumen mit Atemmasken und Helmen geschützt Schutt nach draußen.

Die Menschen im Schwarzwald sind entsetzt. Sie kämpfen mit ihren Gefühlen. Warum mussten 14 Menschen in der Behinderteneinrichtung sterben? Am Tag nach dem Feuer laufen die Ermittlungen auf Hochtouren. Die Kripo hat eine Sonderkommission eingerichtet. Am Dienstagnachmittag kommt die Nachricht: Ein Gasofen hat die Brandkatastrophe verursacht. Es sei unkontrolliert Gas ausgetreten und verpufft, teilte Staatsanwalt Peter Häberle in Titisee-Neustadt mit. „Wie es zum Austritt des Gases kam, ist unklar.“ Es sei möglich, dass es ein technischer Defekt oder menschliches Versagen war, sagte der Staatsanwalt. Auch hätten die Brandexperten noch nicht klären können, wie sich das Gas entzündet habe.

Der Brandschutz in der Behindertenwerkstatt sei aus Sicht der Behörden völlig ausreichend gewesen, heißt es unterdessen. „Der vorbeugende Brandschutz war absolut ordnungsgemäß“, sagte Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer am Dienstag. Der Einsatz der Rettungskräfte sei „vorbildlich gelaufen.“ Von den 97 Menschen, die sich aus dem Gebäude retten konnten, schafften dies nach Darstellung der Behörden 86 aus eigener Kraft. Nur elf Menschen mussten von der Feuerwehr aus dem Gebäude geleitet werden. Dies spreche für das Funktionieren des Rettungskonzepts über eine Rampe für Rollstuhlfahrer und eine Stahltreppe, sagte Schäfer.

Fest steht, dass es sich bei den Todesopfern um 13 Behinderte und eine 50 Jahre alte Betreuerin handelt, teilte die Polizei am Dienstagvormittag mit. Bei den weiteren Opfern handelt es sich um zehn Frauen im Alter von 28 bis 68 Jahren sowie drei Männer im Alter von 45 bis 68 Jahren. Am Samstag soll im Neustädter Münster ein Gedenkgottesdienst für die Opfer der Feuerkatastrophe stattfinden. Neun Menschen wurden verletzt und befinden sich in Krankenhäusern. In Lebensgefahr schweben sie jedoch nicht.

„Unsere Leute waren für einen solchen Einsatz, bei dem Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung gerettet werden müssen, geschult“, sagt Gotthard Benitz, Feuerwehrkommandant von Titisee-Neustadt. Erst im vergangenen Jahr habe es eine Übung für solche Fälle gegeben.

Das Feuer am Montag sei im Hochparterre ausgebrochen, dort wurden auch die 14 Leichen entdeckt. Bislang gebe es keine Hinweise darauf, warum sie sich nicht ins Freie hatten retten können.

„Der Zugang zum Treppenhaus war frei“, sagte Benitz. Für Mängel beim Brandschutz gebe es bislang keine Anhaltspunkte. Das Feuer habe sich rasend schnell ausgebreitet. Augenzeugen berichteten von dickem, schwarzen Qualm – da reichen nur wenige Atemzüge und man verliert das Bewusstsein. Bei zwei Feuerwehrmännern wurde nach dem Einsatz ein erhöhter Kohlenstoffdioxid-Wert im Blut festgestellt.

Jacqueline Müller von „Kerler Entsorgung“ schräg gegenüber der Werkstatt steckt der Schreck noch in den Knochen. „Ich habe gesehen, wie Menschen um Hilfe rufend aus dem Gebäude rannten“, berichtet die Dame vom Empfang. Einige seien im Rollstuhl in den Garten geschoben worden.

Seit dem frühen Morgen ist Armin Hinterseh wieder auf den Beinen. Der Bürgermeister von Titisee-Neustadt will Präsenz zeigen am Ort der größten Brandkatastrophe in Deutschland in den vergangenen Jahren. Er will da sein – auch wenn er nicht viel machen kann. „Die Ermittlungen laufen. Es ist schrecklich, unter den Opfern sind viele, die man auch gekannt hat, von Veranstaltungen, von Festen.“ Der Blick des Bürgermeisters geht zu Boden. Er duckt sich noch ein wenig mehr unter seinen kleinen schwarzen Schirm. Der Regen hat nachgelassen, es tropft nur noch ein wenig. „Das Feuer war eigentlich beherrschbar, aber die Auswirkungen sind fatal. So richtig habe ich das alles noch gar nicht realisiert.“

"Drei bis vier Atemzüge genügen bei einer solchen Rauchentwicklung und man verliert das Bewusstsein."

Das Gebäude brannte völlig aus.
Das Gebäude brannte völlig aus.

© dpa

Der Bürgermeister hebt besonders die Hilfsbereitschaft der umliegenden Betriebe im Industriegebiet „Bildstöckle“ hervor. Alle hätten am Tag des Feuers ihre Produktion eingestellt, ihre Hallen den Opfern und Helfern zur Verfügung gestellt und sie mit Tee versorgt. „Das verdient großes Lob“, sagt Hinterseh.

Mutmaßungen, wonach zu wenig Betreuer vor Ort waren, verweist Bürgermeister Hinterseh in den Bereich der Spekulation. „Ich kann mir das nicht vorstellen. Die Caritas ist meines Wissens nach sehr genau mit Mitarbeitern.“ Ihm zufolge wurden alle Opfer an ihrem Arbeitsplatz oder in unmittelbarer Nähe dazu gefunden. „Drei bis vier Atemzüge genügen bei einer solchen Rauchentwicklung und man verliert das Bewusstsein.“ Ihn erschrecke vor allem, wie schnell sich das Feuer ausgebreitet haben muss.

Das Einzugsgebiet der Caritas-Behindertenwerkstatt in Neustadt umfasst zehn Hochschwarzwaldgemeinden. „Sie ist für die Beschäftigten dort ihr Lebensinhalt“, sagt Hinterseh. „Wir bekommen viele Anfragen von Leuten, die helfen wollen“, sagt Hinterseh.

Gerhard Wienandts von der Caritas sind die Ereignisse ins Gesicht geschrieben. „Ich kann mir diese Tragödie nicht erklären, die Brandschutztüren haben funktioniert“, sagt Wienandts. Jetzt gelte es, die Ermittlungsergebnisse der Brandexperten abzuwarten. Am Dienstagabend war es dann soweit. Staatsanwalt Peter Häberle trat in Titisee-Neustadt vor die Presse. Ein Gasofen hat die Brandkatastrophe verursacht, sagte er. Es sei unkontrolliert Gas ausgetreten und verpufft.

Bereits in der Nacht hatte eine nach dem Brand gebildete Ermittlungsgruppe der Polizei ihre Arbeit aufgenommen. Im Einsatz waren Brandsachverständige und Spezialermittler. Hinweise auf fehlende Sicherheitseinrichtungen oder Mängel beim Brandschutz habe es ersten Untersuchungen zufolge keine gegeben, hieß es. In dem Gebäude gab es eine automatische Brandmeldeanlage, aber keine Sprinkleranlage.

Es ist ein modernes Gebäude, das hier zu tödlichen Feuerfalle geworden ist – das ist es, was viele so irritiert. Man sieht von außen Feuertreppen und Fluchtwegeschilder, die Brandschutzprüfungen und -übungen, versichern Landrätin Dorothea Störr-Ritter und der Caritasvorstand, werden bei Behinderteneinrichtungen eher penibler ausgeführt als in normalen Erwerbsbranchen. „Das Schlimme an einem solchen Feuer“, sagt ein Ermittler in Neustadt kopfschüttelnd aus seiner Sicht, „ist, dass es die Spuren, die es legt, auch selbst wieder vernichtet.“

Das Feuer war am Montag in einer Caritas-Werkstatt für Geistig- und Mehrfachbehinderte in der Straße "Im Bildstöckle" ausgebrochen . Für 120 Behinderte und Betreuer war die von der Caritas getragene Einrichtung zur Falle geworden. "Als wir eintrafen", sagt Kreisbrandmeister Alexander Widmaier, "sahen wir hilfesuchende Menschen an den Fenstern." Einige schrien, berichtet eine Augenzeugin. Fenster stehen offen oder sind zerbrochen. Mit tragbaren Leitern können rasch Menschen aus dem Gebäude von außen gerettet werden, andere durch den Flur und die Eingangstür.

Egon Engler, Geschäftsführer des Caritasverbandes Freiburg-Stadt, sagte im SWR-Fernsehen, das erst vor sechs Jahren gebaute Gebäude – betroffen ist der Erweiterungsbau eines schon länger bestehenden Hauses – entspreche den in Baden-Württemberg geltenden Bestimmungen. Es gebe Brandschutzabschnitte, Brandschutztüren und eine Brandmeldeanlage. Diese habe auch ausgelöst. Feuerwehren und Technisches Hilfswerk (THW) waren die ganze Nacht mit den Aufräumarbeiten beschäftigt. Die Behindertenwerkstatt wird längere Zeit geschlossen bleiben. Die Schäden seien immens, sagte ein Sprecher der Caritas am Dienstag. Zwei Stockwerke des dreistöckigen Gebäudes seien durch Feuer und Rauch nahezu komplett zerstört. Die Einrichtung solle hergerichtet und wieder eröffnet werden. Die Behinderten würden so lange in anderen Einrichtungen untergebracht. Hierfür erhalte die Caritas auch die Hilfe anderer Träger.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false