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In Sorge um die Monarchie. An ihrem Lieblingssohn hatte die 95-jährige Königin bisher eisern festgehalten, ganz offenkundig gegen den Rat ihres Thronfolgers Charles.

© Imago/Zuma Press

Aus Sorge um die Monarchie: Wie die Queen Prinz Andrew fallen lässt

Das britische Königshaus sagt sich von Andrew los. Zum 70-jährigen Thronjubiläum der Queen erlebt es ein PR-Desaster.

Kämpfen oder zahlen? Auf diesen Nenner lässt sich das Dilemma bringen, vor dem der Neunte der britischen Thronfolge an diesem Wochenende steht. Nach zwei verheerenden Rückschlägen in den vergangenen Tagen muss Prinz Andrew entscheiden, ob er sich wirklich auf das Risiko eines öffentlichen Zivilprozesses in New York wegen angeblichen sexuellen Missbrauchs einlassen will oder mit seiner Beschuldigerin Virginia Giuffre einen Vergleich anstrebt.

Peinlich wird es für den Herzog von York in jedem Fall – und einsam ist es auch bereits geworden um den 61-Jährigen, seit sich nun auch seine Mutter, Königin Elizabeth II., von ihm losgesagt hat.

An ihrem Lieblingssohn hatte die 95-Jährige bisher eisern festgehalten, ganz offenkundig gegen den Rat ihres Thronfolgers Charles, der dem zwölf Jahre jüngeren Bruder schon vor zwei Jahren alle royalen Termine in der Öffentlichkeit untersagte. Nun aber überwog die Staatsräson, ja die Sorge um die Fortdauer der Monarchie ausgerechnet in einem Festjahr, in dem die Monarchin ihr 70. Thronjubiläum begeht. Und wie stets in den vergangenen Jahren hat sich der Herzog die neuen Rückschläge durchaus selbst zuzuschreiben.

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Er habe „die Tendenz, besonders ehrenhaft zu sein“, hat Andrew einst einer BBC-Interviewerin mitgeteilt. Nichts aber war ehrenhaft an der Art und Weise, mit der die Anwälte des britischen Royals auf seine Beschuldigerin losgingen: Bei Virginia Giuffre handele es sich um eine geldgierige Dauerprozessiererin, die mit unbewiesenen Vorwürfen Prominente ins Unrecht setze. Andrew hat stets beteuert: Er sei „dieser Lady“ nie begegnet.

Dabei hat die heute in Australien lebende US-Bürgerin, 38, ihre Anschuldigungen gegen den Prinzen mit detaillierten Angaben untermauert: Dreimal, je einmal in London, New York und in der Karibik, sei sie, damals noch minderjährig, vor zwanzig Jahren von Andrew sexuell missbraucht worden.

Andrew ging beim verurteilten Sexualstraftäter ein und aus

Unstreitig ist zudem, dass dieser mit dem New Yorker Finanzjongleur Jeffrey Epstein und dessen Partnerin Ghislaine Maxwell befreundet war und in Epsteins Anwesen aus- und einging. Der mittlerweile verstorbene Epstein und die Tochter des Millionenbetrügers Robert Maxwell, so haben es mehrere Strafprozesse in den USA ergeben, betrieben jahrzehntelang einen Sexhandelsring und waren verantwortlich für die Ausbeutung und den Missbrauch von Hunderten junger Frauen. Maxwell wurde deshalb vor vierzehn Tagen verurteilt. Zu den Profiteuren der Sexualverbrecher habe auch der Herzog gehört, heißt es in Giuffres Klage.

Insofern wirkt es im Nachhinein wie ein schlechter Witz, dass Andrews Anwälte das New Yorker Gericht darum baten, die Klage gar nicht erst zuzulassen. Zur Begründung beriefen sie sich auf eine Vereinbarung des Opfers mit dem schon damals verurteilten Sexualverbrecher Epstein: Gegen Zahlung von 500 000 Dollar verpflichtete sich Giuffre 2009, von weiteren Klagen gegen Epstein selbst und seine Freunde abzusehen – also auch gegen Andrew, so sagte dessen Anwalt Andrew Brettler.

Richter Lewis Kaplan reagierte erkennbar skeptisch. Als am späten Mittwochnachmittag Londoner Zeit seine Entscheidung bekannt wurde, hätte der Prinz umgehend reagieren und von sich aus alle Verbindungen mit dem Königshaus kappen müssen. Stattdessen ließ er sich auf Schloss Windsor zitieren, wo ihm die Mutter offenbar 45 Minuten lang die Leviten las.

Bessere Tage. Queen Elizabeth II. und ihr Sohn im Jahr 2020.
Bessere Tage. Queen Elizabeth II. und ihr Sohn im Jahr 2020.

© Giddens/PA/dpa

Die Mitteilung des Palastes: an sprachlicher Kälte kaum zu überbieten

Die spätere Mitteilung des Palastes war an sprachlicher Kälte kaum zu überbieten. „Mit dem Einverständnis und der Genehmigung“ der Queen, so hieß es am Donnerstagabend, „wurden die militärischen Dienstgrade und royalen Schirmherrschaften des Herzogs von York zurückgegeben“. Die Passiv-Konstruktion ließ keinen Zweifel an Andrews Demütigung. Im zweiten Satz durfte der Herzog immerhin zum Subjekt aufrücken, freilich nur, um zu beteuern, er werde auch weiterhin nicht mehr in der Öffentlichkeit auftreten und sei im Gerichtsverfahren „Privatbürger“. Mit 42 Worten hatte das Königshaus verdeutlicht, worum es jetzt geht: größtmögliche Distanz zum Problemprinzen. Die Sprecher der Monarchin unternahmen nicht einmal den Versuch, Andrews Gesicht zu wahren.

Ganz offenkundig hat es die Queen nun satt, immer neue Schlagzeilen über ihren Drittgeborenen zu lesen. Zusätzliche Aufregungen kann die rüstige alte Dame wirklich nicht gebrauchen, das Jahr 2022 verspricht anstrengend genug zu werden. In drei Wochen jährt sich der Tag im Februar 1952, an dem die 25-jährige Prinzessin ihrem verstorbenen Vater George VI. auf den Thron nachfolgte. Gefeiert werden soll Anfang Juni mit einem umfangreichen Festprogramm, für das die konservative Regierung eigens zwei Feiertage zusammengelegt hat – sehr zum Unbehagen des Medizinerteams, das der betagten Chefin seit Monaten größere Ruhepausen und ein Minimum an kurzen öffentlichen Auftritten verschreibt.

Und Andrew? Der muss möglichst rasch den Verkauf seines Chalets in der Schweiz abschließen, um auch weiterhin die teuren Rechnungen seiner Anwälte bezahlen zu können.

Eine Vereinbarung mit Giuffre dürfte teuer werden; vergangene Woche kursierte in London eine Summe von umgerechnet 4,4 Millionen Euro als mögliche Vergleichsbasis. Sollte es dazu nicht kommen, würde frühestens im Herbst die mündliche Verhandlung beginnen – ein Alptraum für das Königshaus.

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