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Wenn Kraniche unterwegs sind, kann das auch der Laie an ihren einzigartigen Rufen erkennen.

© Federico Gambarini/p-a

Auf ihrer Reise gen Süden werden tausende Vögel getötet: Zugvögel in Gefahr

Längst dienen Vögel nicht mehr nur als Eiweißquelle, sondern werden als Freizeitbeschäftigung geschossen. Doch was lässt sich dagegen tun?

Wer in den vergangenen Wochen früh aufgestanden ist, dem sind vielleicht Vogelschwärme am Himmel aufgefallen. Besonders Schwalben lassen sich in der Großstadt gut beobachten. Die meisten Zugvögel erheben sich in den frühen Morgenstunden und treten dann ihre Reise in den Süden an. Unter ihnen befinden sich Langstreckenzieher wie der Storch, aber auch Kurzstreckenzieher wie die Graugans – sie alle wollen ins Warme, um dort den Winter zu verbringen.

Die Reise endet für viele von ihnen tödlich: Fast im gesamten Mittelmeerraum wird Jagd auf Zugvögel gemacht. Und auch weiter östlich in der Region des Kaukasus, des Kaspischen Meeres und des Schwarzen Meeres sind Vögel bedroht.

Gefährliche Routen

Rainer Altenkamp, Vorsitzender des NABU Landesverbandes Berlin, berichtet, dass vor allem Gebirgspässe Gefahren bergen. Sie ermöglichen den Zugvögeln einerseits, Gebirge wie den Kaukasus oder die Pyrenäen zu überqueren. Folglich konzentrieren sich ziehende Vögel an diesen Stellen und fliegen von dort weiter Richtung Süden. Andererseits entpuppen sich diese Routen jedoch häufig als lebensgefährlich, denn die Jäger lauern den Vögeln an den Engstellen auf und schießen sie.
Darüber hinaus fliegen viele – vor allem nicht auf Thermik angewiesene Vogelarten wie die Wachtel – lange Strecken über das Mittelmeer. Kaum haben sie die Reise geschafft, wartet bereits die nächste Gefahr: Am Strand von Ägypten, entlang der südlichen Grenze des Mittelmeeres, stellen Jäger Netze auf und töten die gefangenen Wachteln anschließend.

Nur wenige halten sich aus der Vogeljagd raus: Israel ist für viele Vögel eine Rettungsinsel auf der Durchreise und Südspanien und Süditalien können von den Vögeln ebenfalls halbwegs gefahrlos passiert werden. Diese flächenmäßig kleinen Regionen reichen jedoch nicht aus, denn in zu vielen Ländern findet die Jagd auf Zugvögel immer noch kein Ende.

Die Routen der Zugvögel. Kurzstreckenflieger wie die Graugans bleiben in Europa, Langstreckenflieger wie der Weißstorch ziehen bis Südafrika.
Die Routen der Zugvögel. Kurzstreckenflieger wie die Graugans bleiben in Europa, Langstreckenflieger wie der Weißstorch ziehen bis Südafrika.

© Tsp/Klöpfel

Doch woran liegt das? Rainer Altenkamp (NABU) nennt zwei Gründe. Erstens würden Vögel dem Verzehr dienen. So werden im Kaukasus und in Nordafrika fast alle Zugvögel als wichtige Eiweißquelle gejagt und gegessen. Auch in der französischen Küche gelten Arten wie das Rotkehlchen als Delikatesse.

Auffällige Greifvögel sind besonders beliebt

In Ländern wie Malta und Zypern sieht das anders aus: Dort gilt das Vogelschießen vielmehr als Hobby. Ebenso im Libanon, wo jedes Jahr Hunderttausende Zugvögel aus Deutschland und anderen europäischen Ländern geschossen werden. Erschöpft von der Reise, die hinter ihnen liegt, suchen die Vögel dort eine Schutzmöglichkeit, um sich auszuruhen. Diesen Moment nutzen die Jäger aus und schießen die Tiere aus unmittelbarer Nähe. Greifvögel dagegen werden zum großen Teil aus der Luft geschossen. Das Ergebnis: Jedes Jahr lesen Umweltaktivisten und -aktivistinnen etwa 25 Millionen leere Patronenhülsen auf.

Vor allem auffällige Vogelarten wie Störche und Falken sind als Trophäen bei den Jägern beliebt. Aber auch Singvögel wie der Pirol werden gefangen und anschließend in Käfigen auf den Märkten verkauft. Schätzungen zufolge werden jedes Jahr im Libanon allein 5000 Schreiadler getötet.

Bei der Wilderei spielt Machismo-Kultur eine wichtige Rolle: Männer posieren auf Fotos stolz mit den geschossenen „Trophäen“. Je größer, desto besser. Viele laden die Bilder auch auf Sozialen Netzwerken hoch. Einige lehnen darauf lässig neben ihrer geschossenen Beute, andere halten den noch lebenden Adler an den Flügeln, um ihn in seiner ganzen Größe zu präsentieren. Gegen solches Verhalten gehen Verbände wie das „Lebanon Eco Movement“ vor.

Initiativen gegen die Vogeljagd

Auch von europäischer Seite gibt es Initiativen: Der internationale Verband „Komitee gegen den Vogelmord“ ist auf globaler Ebene aktiv und arbeitet eng mit lokalen Polizeistellen, Forstverwaltungen und Aktivisten zusammen. Im Frühling und Herbst reisen Aktivisten an die Stationen der Zugvögel und dokumentieren illegales Jagdverhalten. Gemeinsam mit lokalen Vogelschützern fahren sie zu den jeweiligen Orten, filmen die Jäger und kontaktieren gegebenenfalls die örtliche Polizei.

Solche Einsätze können auch frustrieren und gefährlich werden. So berichtet ein Mitarbeiter, dass Aktivisten auf Zypern mehrfach von Jägern angegriffen worden seien. Diese hätten mit ihren Fahrzeugen die Autos des Komitees gerammt und deren Reifen zerstochen. Auch auf Malta habe es Probleme gegeben: Oft sei die Polizei zu spät gekommen, sodass die Jäger genug Zeit gehabt hätten, ihre tierische Beute rechtzeitig zu verstecken. Mittlerweile haben Gerichte zwar die Strafen auf die Jagd von größeren Vögeln erhöht. Doch noch immer werden kleinere Vögel mithilfe von Lockvögeln angelockt und dann geschossen.

Die Aktivisten und Aktivistinnen des "Komitee gegen den Vogelmord e.V." dokumentieren vor Ort die Zahl getöteter Tiere.
Die Aktivisten und Aktivistinnen des "Komitee gegen den Vogelmord e.V." dokumentieren vor Ort die Zahl getöteter Tiere.

© Axel Hirschfeld/ Komitee gegen den Vogelmord

Zugvögel sind nicht nur im Ausland bedroht. Rainer Altenkamp (NABU) sagt dazu: „Es ist leicht, auf andere Länder zu zeigen, aber erst mal sollte jeder bei sich anfangen. Auch in Deutschland werde Jagd auf Zugvögel gemacht. Davon seien in erster Linie Gänse betroffen, die unter dem Vorwand des „Schadens landwirtschaftlicher Kulturen“ geschossen würden. Dabei seien die Schäden, welche die Vögel anrichteten, sehr überschaubar. Es gebe seiner Meinung nach deshalb keine Rechtfertigung für die Jagd.

Dasselbe gelte für Kormorane, die in der kalten Jahreszeit nach Deutschland fliegen, um in wärmeren Regionen wie Bayern zu überwintern. Hier töten Jäger die Wasservögel – unter dem Vorwand, regionale Fischbestände schützen zu wollen. Außerdem wird behauptet, dass Kormorane den Fischern die Fische wegfressen würden. Allein in Bayern wurden im Jagdjahr 2016/2017 etwa 11 000 Kormorane geschossen.

Tatsächlich ernähren sich Kormorane hauptsächlich von Bleien und Rotaugen. Diese Fischarten gelten nicht als schmackhaft und werden deshalb vom Menschen nicht verzehrt. Wirtschaftlich relevante Schäden durch den Kormoran konnten bisher außer in Intensivteichwirtschaften nicht nachgewiesen werden und in solchen Fällen ist ein Schutz der Teiche durch Abspannen ohne Weiteres möglich.

"Es geht um den Spaß am Schießen"

Altenkamp meint: „Die Jagd auf Vögel war vielleicht früher als Eiweißquelle für den Menschen wichtig, doch mittlerweile ist sie in den meisten Teilen Europas und darüber hinaus nichts anderes als eine Freizeitbeschäftigung. Es geht um den Spaß am Schießen auf Tiere und nichts anderes.“ Den Rahmen für die Jagdgesetzgebung bestimmt bis heute die Europäische Vogelschutzrichtlinie (VRL) von 1979. Insgesamt werden in dieser Richtlinie 82 Vogelarten zum Jagen freigegeben – bei einigen handelt es sich mittlerweile um bedrohte Arten. Die Richtlinien werden in die nationale Gesetzgebung integriert, doch immer noch gibt es Ausnahmeregelungen wie die Jagd auf den Ortolan – eine Vogelart aus der Familie der Ammern – in Frankreich. Obwohl es seit 1979 verboten ist, Jagd auf diesen Vogel zu machen, gilt er noch immer als Delikatesse und wird deshalb gefangen. Nichtregierungsorganisationen prangern solche Gesetzesbrüche an.

Jeder Einzelne kann besonders in der kalten Jahreszeit einen Beitrag zum nationalen Vogelschutz leisten. Die Vogelschutzwarte Steckby in Sachsen-Anhalt zum Beispiel gibt hierfür Tipps: Die Rastplätze der Tiere sollten in Ruhe gelassen und Vögel nur aus großer Entfernung beobachtet werden. Vögel wie der Kranich benötigen die Pausen, um ihre Energiereserven auffüllen zu können. Wer die Tiere beobachten möchte und nicht weiß, wie viel Abstand angebracht ist, sollte deshalb Experten fragen.

Kleinen Vögeln kann außerdem mit Vogelfutter aus Supermärkten oder Zoohandlungen beim Überwintern geholfen werden. Hat man damit einmal angefangen, sollte man das jedoch unbedingt bis zum Frühjahr beibehalten, denn die Vögel gewöhnen sich an den Futterplatz und finden im schlimmsten Fall keine alternative Nahrungsquelle.

Inga Hofmann

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