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Zwei Testamente fanden die Ermittler in der Passauer Pension.

© Lino Mirgeler/ dpa

Armbrust-Fall in Passau: Ermittler gehen von einer Täterin aus

Im Fall der in Passau und Wittingen getöteten Menschen sind noch viele Fragen ungeklärt. Laut Ermittlern war es entweder erweiterter Suizid oder Tötung auf Verlangen.

Im Fall der drei mit Armbrüsten getöteten Menschen in einer Passauer Pension und dem Fund von weiteren zwei Frauenleichen im niedersächsischen Wittingen liegen erste Ermittlungsergebnisse vor, die auf ein ebenso grausiges wie befremdliches Geschehen hinweisen. So haben sich der 53-jährige Mann sowie die 33 und 30 Jahre alten Frauen nach Angaben der Staatsanwaltschaft Passau im Einvernehmen untereinander selbst getötet. Das ergibt der vorläufige Obduktionsbericht.

Eine Beteiligung weiterer Personen wird bislang ausgeschlossen. „Auch deutet nichts auf einen Kampf oder eine Auseinandersetzung hin. Es gibt keine anderen Verletzungen, Kratzer oder Ähnliches“, sagt ein Sprecher der Polizei Niederbayern. Der Mann und die ältere der Frauen lagen Hand in Hand auf dem Bett, die 30-Jährige auf dem Boden, als sie vom Zimmerpersonal der Pension „Zur Triftsperre“ entdeckt wurden.

Die Ermittler gehen davon aus, dass die jüngere Frau die beiden anderen gezielt mit Armbrustpfeilen ins Herz geschossen und getötet hat. Erst danach hat sie weitere Pfeile auf die Toten gerichtet, etwa auf den Kopf. Zum Schluss schoss sie sich demnach selbst in den Hals, das Rückenmark wurde durchtrennt, sie war sofort tot. Die Staatsanwaltschaft spricht von „Tötung auf Verlangen oder erweitertem Suizid.“

Personen waren Mitglieder eines Rittervereins

Vieles deutet darauf hin, dass die Toten der Mittelalter- und so genannten Gothik-Szene angehörten. Derzeit äußern sich die Ermittler aber über diese Angaben in verschiedenen Medien nicht. Der Mann und die 33-Jährige waren ein Paar aus Rheinland-Pfalz. Ein bestätigtes Detail des bizarren Geschehens: Sie hatten zwei Testamente neben sich auf dem Bett liegen, eines von jedem. Wie die Personen insgesamt zueinander standen, ist noch offen. Laut Berichten waren sie Mitglieder in einem Ritterverein.

In dieser Szene wird das Mittelalter etwa auf Treffen und Festen nachgespielt. Die Leute kleiden sich entsprechend oder in Schwarz. Es gibt nachgestellte Märkte mit Mittelalter-Produkten sowie Turniere etwa im Schwertkämpfen oder Bogenschießen. Die Armbrüste passen zu diesen Gruppierungen. Sie gelten als „freie Waffen“ und können ab dem Alter von 18 Jahren ohne Waffenschein gekauft werden. Im Zimmer der Toten wurden insgesamt drei Armbrüste gefunden, eine davon war bei dem Geschehen eingepackt und nicht in Verwendung gewesen.

Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk (BR) bestätigte der Passauer Oberstaatsanwalt Walter Feiler, dass das Trio am Freitagabend aus Österreich angereist kam und dort eine der drei Armbrüste gekauft hatte. Sie hatten bei der Pension vorab ein Dreibett-Zimmer ohne Frühstück reserviert. Warum sie sich gerade diesen abgelegenen Gasthof in Alleinlage und vier Kilometer von Passau entfernt für ihr Vorhaben ausgesucht haben, ist unbekannt. Bezüge zur Stadt Passau sind gegenwärtig nicht ersichtlich. Die „Bild“-Zeitung will in Erfahrung gebracht haben, dass der 53-jährige Torsten W. in Hachenberg in Rheinland-Pfalz einen kleinen Mittelalter-Laden betrieben habe.

Ob sich das Geschehen in Passau aufklären lässt, ist noch offen

Für die Ermittler ist ziemlich klar, dass die beiden am Montag entdeckten toten Frauen in Niedersachsen mit der Passauer Bluttat zusammenhängen. Denn sie wurden in der Wohnung der in Passau mutmaßlich durch Suizid umgekommenen 30-Jährigen gefunden. Die Polizei wollte deren Lebensgefährtin die Nachricht aus Passau überbringen und fand diese selbst tot in der offenbar gemeinsamen Wohnung.

Es handelt sich dabei laut Berichten um eine 35 Jahre alte Grundschullehrerin. Die andere tote Frau im niedersächsische Wittingen soll 19 Jahre alt sein, sonst ist nichts über sie bekannt. Polizei und Staatsanwaltschaft schweigen derzeit dazu, wie die beiden ums Leben gekommen beziehungsweise getötet worden sind. Jedenfalls nicht mit Armbrüsten. Staatsanwalt Feiler sagte, dort sei „eher nicht die gleiche Tötungsmethode“ angewandt worden.

Ein erweiterter Suizid mit einer Armbrust wird nur äußerst selten vollzogen. 2013 tötete ein Mann aus Florida seine Frau und seinen jüngeren Sohn mit einer Armbrust. Seinen älteren Sohn verletzte er damit, bevor er sich selbst mit einem Messer das Leben nahm.

Offen ist gegenwärtig, ob sich das Passauer Geschehen aufklären lässt und ob die Öffentlichkeit davon erfährt. Denn laut Feiler wird ein solcher Fall schnell geschlossen, wenn alle Beteiligten tot sind und nach keinem Täter mehr gesucht werden muss. Anders verhält es sich mit den zwei toten Frauen von Wittingen. Bei ihnen muss aufgeklärt werden, wie sie ums Leben gekommen sind beziehungsweise wer sie getötet hat. „Wir haben fünf Tote, alles andere ist dubios“ – so wird der Staatsanwalt zitiert.

Die Münchner Boulevardpresse war sich aber schon am Dienstag sehr sicher, dass die Todesfälle mit der Gothik-Szene in Verbindung zu bringen sind. So titelte die Abendzeitung: „Morde wie im Mittelalter“. Mitarbeit: sek

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Haben Sie dunkle Gedanken? Wenn es Ihnen nicht gut geht oder Sie daran denken, sich das Leben zu nehmen, versuchen Sie, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen Sie sich melden können.

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Weiterhin gibt es von der Telefonseelsorge das Angebot eines Hilfe-Chats. Außerdem gibt es die Möglichkeit einer E-Mail-Beratung. Die Anmeldung erfolgt – ebenfalls anonym und kostenlos – auf der Webseite. Informationen finden Sie unter: www.telefonseelsorge.de

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