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Mit einer Plastikmauer riegeln Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden einen Wohnkomplex in Shanghai ab.

© AFP/Hector Retamal

Anti-Covid-Strategie in China: Shanghai kämpft mit Yin-Yang-Lockdown gegen Omikron

Die Millionenstadt Shanghai kämpft mit einem Lockdown gegen Omikron. Zugleich wächst die Kritik an Chinas Anti-Covid-Strategie.

In Deutschland wurde am Anfang der Corona-Pandemie geklatscht, in China wird neuerdings getanzt für die Mitarbeiter des Gesundheitswesens. Auf diese Weise bedanken sich Kinder und Jugendliche bei den Menschen in weißen Ganzkörperschutzanzügen, die etwa an ihre Türe klopfen und sie im Auftrag des Staates testen wollen. Oder geht es ihren Eltern vielmehr darum, die Tänze mit dem Handy aufzunehmen und die Videos anschließend in den sozialen Medien herumzuschicken? „Ist euch das nicht peinlich“, zitiert die China-Webseite whatsonweibo.com einen Nutzer des Kurznachrichtendienst Weibo. „Glaubt ihr nicht, dass es besser wäre, diese Menschen in Ruhe zu lassen, als sie diese Performance sehen zu lassen?“ Zumal die Menschen mit den weißen Ganzkörperanzügen in China gerade sehr viel zu tun bekommen.

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Das Land kämpft aktuell gegen die Omikron-Welle – und Shanghai kämpft noch einmal ganz besonders intensiv. Zwar sind die für Montag in der Metropole gemeldeten 96 CovidFälle sowie 4381 asymptomatischen Fälle innerhalb von 24 Stunden wenig verglichen mit der Zahl der Infektionen, die in deutschen Städten (Berlin 7329) gerade täglich gemeldet werden. Doch weil China eine restriktive Coronapolitik fährt, mussten die rund 25 Millionen Einwohner Shanghais dennoch in einen geteilten Lockdown gehen.

Ab Freitag gehen die Bewohner Puxis in den Lockdown

Seit Dienstag müssen die Bewohner Pudongs fünf Tage lang in ihren Häusern bleiben, ab Freitag folgen die Bewohner Puxis für fünf Tage. Der sich durch die Stadt schlängelnde Fluss Huangpu bildet die Trennlinie der beiden Lockdownhälften – weshalb in China nun auch von einem Yin-Yang-Lockdown die Rede ist.

Als dieser am Wochenende bekannt gegeben wurde, stürmten die Menschen in Shanghai die Supermärkte, um sich mit Lebensmitteln einzudecken. Es kam zu Massenaufläufen, Hamsterkäufen und Schlägereien. „ Die Leute spüren immer noch die Panik“, sagte eine 30 Jahre alte Frau der ARD-Tagesschau. „Deshalb kaufen sie in der ganzen Stadt panisch Lebensmittel ein.“

In den vergangenen Wochen hatte es bereits überall in der Stadt lokale Lockdowns gegeben, sobald ein neuer Omikron-Fall aufgetaucht war. „Nach zehn Lockdown-Tagen in unserem Apartmentkomplex ist jede Person an sieben Mal getestet worden – dennoch ist es uns jetzt plötzlich auch noch verboten worden, unsere Appartments zu verlassen“, schreibt der in Shanghai wohnende Schotte Cameron Wilson auf Twitter, „ich kann nur annehmen, dass die die Sache in Shanghai vollkommen außer Kontrolle gerät.“

Die Regale dieses Supermarktes in Shanghai sind nach der Lockdown-Ankündigung leergekauft.
Die Regale dieses Supermarktes in Shanghai sind nach der Lockdown-Ankündigung leergekauft.

© AFP/Hector Retamal

Mit den neuen Lockdown-Maßnahmen wächst auch die Kritik am strengen Corona-Kurs im Land. In den sozialen Medien häufen sich die Videos von verbalen und handgreiflichen Auseinandersetzungen von Bewohnern mit Sicherheitskräften, die Lockdown-Maßnahmen durchsetzen wollen.

Es gibt kuriose Vorfälle, wie jener mit einer Frau aus Zhengzhou, die wegen eines Coronafalls eines anderen Gastes für mehrere Tage in einem Hotpot-Restaurant ausharren musste, die Situation anfangs ganz angenehm fand, am Ende aber sagte: „Ich kann keinen einzigen Bissen mehr essen.“ Und tragische Vorfälle wie die Krankenschwester aus Shanghai, die nach einem Asthma-Anfall verstorben ist, weil die Notaufnahme ihres eigenen Krankenhauses geschlossen war: Alle ihre Kollegen waren mit Corona-Testungen außerhalb des Hauses beschäftigt. Die BBC berichtet von einer älteren Frau, die Beamte auf Knien anflehte, um zu erreichen, dass ihr Mann trotz Lockdowns zur Behandlung seiner Krebserkrankung die Wohnung verlassen darf.

Eigentlich wollte China seine rigide Covid-Kontrolle etwas lockern, um die wirtschaftlichen Folgen lokaler Lockdown-Maßnahmen zu mindern. Andererseits dürften die wirtschaftlichen Folgen für China und die Welt noch weitaus größer sein, wenn die bevölkerungsreichste Nation der Welt das Omikron-Virus weitgehend ungehindert durchlaufen lassen würde.

Sinovac schützt nicht so gut wie andere Impfstoffe

Im Gegensatz zu Australien und Neuseeland, die ebenfalls rigide Corona bekämpften, aber nun langsam wieder ihre Grenzen öffnen, kann die Volksrepublik keine hohe Impf- beziehungsweise Boosterrate vorweisen. Auch schützt der heimische Impfstoff Sinovac nicht so gut wie andere Impfstoffe. Die Bedingungen in China sind im Grunde gut mit denen in Hongkong zu vergleichen, wo zuletzt innerhalb von zwei Monaten rund 6000 zumeist ältere, zumeist nicht geimpfte Menschen nach einer Omikron-Infektion starben. Die britische Beratungsfirma Airfinity prognostiziert, dass ein ähnlicher Ausbruch in China rund eine Millionen Menschen das Leben kosten würde.

Dass China mit seinen bisherigen strengen Maßnahmen auch sehr vielen Menschen das Leben retten konnte, wurde von Staatspräsident Xi Jinping zuletzt als „außergewöhnlicher Vorteil des sozialistischen Systems“ gepriesen. „Schützen heißt Gewinnen“, sagt Xi Jinping, der sich im Oktober zum dritten Mal zum Chef der alleinherrschenden Kommunistischen Partei küren lassen will. Mindestens bis dahin, so vermuten viele Beobachter, wird China seinen rigiden Anti-Corona-Kurs noch fortführen.

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