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Jongleure und Spaziergänger am Schlachtensee.

© Thilo Rückeis

Anomalie beim Wetter: Hochs und Tiefs bewegen sich kaum noch

Auf der Nordhalbkugel herrscht ein eigenartiger Stillstand der Wettersysteme. Da, wo Sonne herrscht, freuen sich die Menschen. In Amerika dagegen schaffen es polare Kaltluftmassen bis nach Florida.

Die vergangenen Tage fühlten sich in Deutschland beinahe schon nach Frühling an. Dort, wo es die Sonne durch den Hochnebel schaffte, stiegen die Temperaturen bereits auf zweistellige Werte. Einzelne Frühblüher steckten ihre Köpfe aus der Erde. Und der Winter verabschiedet sich, ehe er richtig angefangen hat. Ganz andere Bilder kommen aus Nordamerika: eingefrorene Niagara-Fälle, meterhohe Schneemassen, erfrorene Tiere. Zum wiederholten Mal ist arktische Eisluft bis nach Florida vorgedrungen. Der halbe Kontinent ist schockgefrostet.

In Montreal zeigt das Thermometer am Tage derzeit nicht mehr über null Grad Fahrenheit an – das sind minus 18 Grad Celsius. Ende der Woche soll die Kältewelle nun ihren vorläufigen Höhepunkt erreichen. Am Donnerstag und Freitag sind selbst in Großstädten Tiefstwerte um minus 25 Grad wahrscheinlich, meldet das Institut für Wetter- und Klimakommunikation in Hamburg. Zudem versinken die Staaten Neuenglands unter meterhohen Schneemassen. Boston zum Beispiel ist unter einer mehr als ein Meter weißen Decke begraben. Deshalb wird der Schnee in Schneefarmen professionell geschmolzen. Es scheint, als träfe das Wetter zum zweiten Mal in Folge vor allem Nordamerika hart, während es in Deutschland nur sporadisch schneit.

In Boston liegt der Schnee so hoch, dass er professionell geschmolzen wird.
In Boston liegt der Schnee so hoch, dass er professionell geschmolzen wird.

© dpa

Es sieht nicht so aus, dass es in Deutschland noch einmal richtig kalt wird

Bisher fiel die kalte Jahreszeit jedenfalls zu mild aus, wie Helge Tuschy vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach berichtet. Und bei diesem Trend wird es es wohl bleiben: „Es sieht nicht danach aus, dass es noch einmal richtig kalt wird“, sagt Tuschy. Mit Winter habe das wenig zu tun. Sogar die Meteorologen wundern sich über diese Wetterlage. Die Hochs und Tiefs auf der Nordhalbkugel kommen seit einigen Monaten nicht von der Stelle. Die Folge: Das Wetter ändert sich nicht mehr. Eingesickerte Eisluft vom Nordpol bleibt über Nordamerika zäh liegen, während über Europa der Zustrom subtropischer Warmluft nicht abreißt.

Den ersten Kaltluftvorstoß erlebte Nordamerika bereits Mitte November. In Deutschland blieb es bis Weihnachten mild. Richtige Westwindwetterlagen haben nach Ansicht des Deutschen Wetterdienstes über Mitteleuropa in den vergangenen fünf Jahren deutlich abgenommen. Eine Folge des Klimawandels? Darüber sind sich selbst Klimaforscher nicht einig. So bleibt es bei Hypothesen. Das Wetter ist zu chaotisch und zu komplex, um einfache Erklärungen für das Phänomen zu präsentieren. Aber ein kurzer Winter hat ja auch etwas Gutes: Der Frühling beginnt früher.

Andreas Frey

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