zum Hauptinhalt
Russlands Präsident Wladimir Putin will das Projekt vorantreiben.

© AFP

Allein im All: Russland plant eigene Weltraumstation

Russland will im Jahr 2017 mit dem Bau einer eigenen Weltraumstation beginnen – und damit das Prestige aus alten Zeiten zurückgewinnen.

Bisher gibt es sie nur als Computersimulation, die neue Weltraumstation, die Russland ab 2017 bauen will. Dort sieht sie allerdings alles andere als aufregend aus. Statt an Hightech denkt man bei dem klobigen Apparat eher an einen Rückfall in die frühen Zeiten der zivilen Luftfahrt. Dennoch sind die russischen Patrioten begeistert. Igor, der bei dem Raketenhersteller Chrunitschew als Ingenieur arbeitet, aus Gründen der Geheimhaltung aber angeblich nicht einmal seinen Nachnamen verraten darf, spricht von der „größten Herausforderung für eine ganze Techniker-Generation“.

Details nennt er natürlich nicht. Nur so viel: „Schade um das Geld, das Russland weiter in die Internationale Raumstation (ISS) steckt. Das wäre bei uns besser aufgehoben.“ Die ISS war für Russland stets ein ungeliebtes Kind. Nichts symbolisierte den Abstieg von der Welt- zur Mittelmacht nach dem Ende der Sowjetmacht deutlicher als die Tatsache, dass die einstigen Pioniere bei der Erforschung des Alls aus technischen wie finanziellen Gründen auf die Kooperation mit dem Klassenfeind angewiesen waren. „Gäbe es die Sanktionen des Westens nicht“, sagt der Chrunitschew-Mann, „müsste man sie erfinden.“ Durch sie habe Russland die Kraft gefunden, das Projekt ISS zu beenden. Ursprünglich war der Ausstieg schon für 2020 geplant.

Ende März verlängerte die Raumfahrtagentur Roskosmos die Verträge dann aber doch bis 2024. Spätestens dann sollen die ersten Module – jene die ursprünglich für den Ausbau des russischen Segments der ISS gedacht waren – für die rein russische Raumstation in den Orbit gehievt werden. Der Baubeginn war eigentlich für 2023 vorgesehen, doch nach Angaben der Nachrichtenagentur Ria Nowosti soll es nun schon 2017 losgehen. Die russische Raumstation, heißt es beim wissenschaftlich-technischen Rat von Roskosmos, sei einer der wichtigsten Punkte des Programms für bemannte Raumfahrt. Bis 2050 will Russland allein den Mars anfliegen und spätestens 2030 eine ständig bemannte Station auf dem Mond errichten.

Scharfe Bilder aus der Arktis

Beim Transport von Equipment und Nachschub dorthin soll die neue Weltraumstation als Umschlagplatz genutzt werden. Raumtransporter des Typs Sojus MS, die derzeit Menschen und Material zur ISS transportieren, sollen dazu modernisiert und zum Teil mit neuen schweren Raketen ins All geschossen werden. Denn der Weg zur ISS ist nur halb so weit wie der zur russischen Raumstation, die den blauen Planeten auf einer erheblich erdferneren Bahn umkreisen soll. Dadurch, so Experten, könne man von Bord aus bis zu 90 Prozent des russischen Staatsterritoriums einsehen – auf der ISS sind es mal gerade fünf Prozent – und fast die gesamte Arktis. Russland bemüht sich seit Jahren um Ausdehnung seiner 200-Meilen-Wirtschaftszone bis zum Nordpol.

Der Grund: riesige Öl- und Gasvorkommen. Beigebrachte Beweise, wonach zwei Unterseerücken in Polnähe die direkte Fortsetzung der sibirischen Landmasse sind, überzeugten die UN-Seerechtskommission bisher jedoch nicht. Russlands neues Auge im All könnte die alles entscheidenden Fotos liefern. Bordkameras sollen sogar gestochen scharfe Bilder von einem Rucksack im Packeis machen können. Aber nicht nur die Kamera soll das Gütesiegel Made in Russia tragen, sondern wirklich alles an Bord der neuen Raumstation.

So wurde es im Staatsfernsehen verkündet. Pragmatiker treibt dagegen eher die Sorge um, ob die angepeilten Termine auch zu halten sind. Ob der Termin für die Inbetriebnahme des neuen Weltraumbahnhofs Wostotschny in Russisch-Fernost, wo im Dezember die erste Rakete starten soll, eingehalten werden kann, scheint durch Streiks von Arbeitern, die vier Monate keinen Lohn bekommen haben, bereits unsicher.

Zur Startseite