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Am Wohnzimmerfenster. Klaus Florian Vogt gastiert in Berlin.

© Thilo Rückeis

Operntenor Klaus Florian Vogt: Lohengrin im Wohnmobil

Klaus Florian Vogt ist ein international gefeierter Operntenor. Man würde ihn in Grand Hotels vermuten – doch er fühlt sich auf Campingplätzen wohler. Wir haben ihn besucht.

Von Andreas Austilat

Ein Bild von einem Mann, überirdisch und makellos“, so euphorisiert schrieb die „taz“ in einer Opernkritik vor zwei Jahren, als er wieder einmal in seiner Paraderolle die Bühne der Deutschen Oper Berlin betrat: Klaus Florian Vogt als Lohengrin. In Bayreuth scherzte eine Fernsehkollegin gar, dass Angela Merkel neben dem blonden Heldentenor zum Groupie zusammenschnurrte, als sie auch mal kurz auf der Bühne stand.

So etwas hebt die Erwartungen, wenn man den Umjubelten treffen darf. Umso ungewöhnlicher die Adresse, die nach einigem Zögern verraten wird: Vogt residiert derzeit in Berlin auf einer Art Campingplatz und bereitet sich auf seine Rolle in „Fausts Verdammnis“ an der Deutschen Oper vor. Der Standort möge bitte vertraulich behandelt werden. Wobei nicht ganz klar ist, geht es ums Image oder um die Groupies, die ihm auflauern könnten?

Der Campingplatz ist dann gar keiner, weil, Zelte gibt es dort nicht. Es ist ein Stellplatz für Wohnwagen und Wohnmobile – einem Parkplatz nicht unähnlich. Nur, dass hier noch ein blauer Sanitärcontainer steht, was die Anlage nicht schöner macht. Lohengrin kommt also nicht vom Schwan gezogen in die Stadt, wie Richard Wagner das einst für seine Oper vorgesehen hatte: Er fährt einen 8,50 Meter langen Siebeneinhalbtonner, mit Bettnische über der Fahrerkabine und Satellitenschüssel auf dem Dach. Es gibt Leute, die glauben, wer so wohnt, trägt den ganzen Tag Trainingshose und Adiletten.

Tatsächlich trägt Vogt Jeans und Cowboystiefel, die Sonnenbrille hat er ins blonde Haar geschoben. „Wollen Sie einen Kaffee?“ Für einen Tenor, der mühelos den ganzen Platz beschallen könnte, klingt seine Stimme sympathisch zurückgenommen, „Cappuccino oder Espresso, wie Sie wollen.“ Die Maschine hat offenbar einige Finessen. „Setzen Sie sich einfach irgendwohin“, sagt er, während er noch in der Küchenzeile herumhantiert. Platz ist genug in der ledernen Sitzgruppe. Mit Camping, wie man es sich gemeinhin vorstellt, hat das hier eher wenig zu tun.

Paris, Mailand oder London, ganz egal, Klaus Florian Vogt kommt mit dem Wohnmobil. In Barcelona stand er direkt am Meer. „Mein Beruf ist ziemlich anstrengend, ich schätze es sehr, wenn ich das mit einem Feriengefühl verbinden kann.“ In Neapel fragte ihn der Nachtwächter des Campingplatzes, was er denn eigentlich immer so spät in der Stadt zu tun habe? Vogt schenkte ihm eine Karte für das Teatro di San Carlo. Der Pförtner kam und war beeindruckt von der hellen und dabei vollen Stimme, die den Norddeutschen zum Star im Wagner-Fach gemacht hat. Nur an der New Yorker Met musste Vogt auf sein gewohntes Mobil verzichten. Obwohl, erkundigt hat er sich schon, wie es denn wäre, das Gefährt zu verschiffen. Zu aufwendig, leider.

Es fällt auf, dass es hier drinnen keinerlei Dekoration gibt, keine Bilder an der Wand. Dafür befindet sich über der Tür eine Anzeigetafel für Batteriestrom, Wasserstand und Gasvorrat. Auf dem Dach hat Vogt eine Solaranlage. Die wäre jetzt gar nicht nötig, das Fahrzeug hängt an einem Stromkabel. Aber unabhängig zu sein von der Welt draußen, wenigstens für eine Woche, allein die Möglichkeit ist ihm wichtig.

Einer wie er, der kann doch in den ersten Hotels am Platze absteigen. Nun, sagt Vogt, es sei ein verbreiteter Irrtum, dass Kost und Logis stets im Engagement inbegriffen sind. Und wenn er für ein Frühstück 30 Euro hinlegen müsse – das wiederum sei keineswegs die Ausnahme –, reue ihn das schon. Sei er doch mit einem Joghurt und ein wenig Obst zufrieden. Wobei, man möge ihn jetzt bitte nicht falsch verstehen, es gehe nicht ums Geld. Wie auch? Ein Wohnmobil dieser Kategorie kriegt man auch gebraucht nicht unter 100 000 Euro, dafür gibt es schon einige Hotelfrühstücke. Nein, es ist wohl eher das Prinzip.

Wenn es ums Geld ginge, würde er sich wahrscheinlich auch kein Flugzeug leisten. Das holt Vogt nach, wenn ein Engagement länger dauert. Seit mehr als 20 Jahren hat der 43-Jährige den Pilotenschein. Sei schon schön, wenn er zwischendurch schnell ins heimische Dithmarschen fliegen könne, zu seiner Familie. Vogt ist mit einer Sopranistin verheiratet und hat vier Kinder, von denen drei allerdings schon mehr oder weniger ihre eigenen Wege gehen.

Worum es ihm geht, ist ein Zuhause-Gefühl. Rund 200 Tage im Jahr verbringt er auf Reisen. Und dieses Zuhause-Gefühl könne ihm kein Hotel bieten. „Ich muss in meinem Beruf ein bisschen auf meinen Körper achten.“ Die Stimme, sie ist nicht versicherbar, nimmt aber schnell Schaden, wenn die Klimaanlage aus dem Ruder läuft. „So blöd das klingt“, entschuldigt er sich, „es ist einfach gut, im vertrauten Bett zu schlafen, mit dem eigenen Kopfkissen.“ Außerdem könne er so seinen Tagesablauf leben. Niemand kommt und will das Zimmer sauber machen. Er muss sich nicht mit einer Minibar begnügen, in der alberne Fläschchen stehen und seltsame Knabbermischungen, er hat seinen eigenen, großen Kühlschrank.

Denn das ist noch ein wichtiger Punkt: „Ich muss nicht jeden Tag essen gehen.“ Es gebe für ihn nichts Schrecklicheres, als allein im Restaurant zu sitzen. Lieber kocht er sich was, Nudeln oder mal ein Stück Lachs, immer frisch, keine Fertiggerichte. Ob man mal kurz den Herd angucken dürfe? Natürlich, der hat drei Flammen und einen Backofen. Und während man noch staunend in die blitzblanke Röhre guckt, fährt Vogt fort, er lebe nicht gern aus dem Koffer. Hier habe er alles dabei, eine kleine Bibliothek, Sportgeräte. In Genf zum Beispiel, da sei er nach der Probe schon in die Berge gefahren. Morgens ist er dann der Erste am Skilift und rechtzeitig zurück in der Oper. Das ist für ihn Freiheit.

Stehen denn da viele Kollegen auf dem Campingplatz wenn er etwa in Bayreuth ist? Techniker, ja, Musiker auch – Vogt selbst war lange Hornist an der Hamburger Philharmonie, ist als Tenor eher ein Spätberufener, der seine Stimme per Zufall mit Mitte 20 entdeckte. Sänger sieht man dort eher selten, manche würden ihn aber fragen, wie das denn so sei, mit dem Wagen. Andere Kollegen sorgten sich dagegen um seine Gesundheit. Überflüssig, natürlich ist der Wagen wohltemperiert.

Trotzdem würde er neuerdings in Bayreuth ein Ferienhaus bevorzugen, seiner Frau zuliebe. Zwar schätze auch sie die Unabhängigkeit des Wohnmobils, begleite ihn ja oft, „aber wenn Sie da drei Tage im Regen stehen und man vor die Tür tritt und alles ist sumpfig!“ Überhaupt, bei schlechtem Wetter. Wenn man sein Leben auf geschätzt 18 Quadratmetern organisiert, „das wird schnell wühlig“.

Es gibt da noch ein paar andere Verrichtungen, die nicht jedermanns Sache sind. Abwasser muss weggebracht, die Chemietoilette entleert werden. Na und? Das macht ihm nichts. Vogt kommt aus einer Medizinerfamilie, die sehr campingerfahren war. Mit den Eltern und den fünf Geschwistern ist er nie anders in den Urlaub gefahren. Und kaum hatte er ein eigenes Moped, hat er das Zelt hinten aufgeschnallt. Danach kam der VW-Bus, einmal, in Südtirol, da sind er und seine Freundin komplett eingefroren. Kein Wasser mehr, kein Strom, keine Heizung. Auf dem nächsten Campingplatz hätten sie sich eine Viertelstunde unter der heißen Dusche auftauen müssen. Später hatten sie selbst Kinder, ein größerer Wagen musste her – es sei schon enorm, wie schnell Kinder auf einem Campingplatz selbstständig würden.

Nun sitzt er hier allein in einem noch größeren, komfortableren Mobil und kann schon wieder Reisepläne machen. Im April gastiert Vogt als Lohengrin in der Wiener Staatsoper. Und irgendwo in der Nähe wird sein Wohnmobil parken.

Am heutigen Sonntag hat Vogt Premiere in der Deutschen Oper in Hector Berlioz’ „Fausts Verdammnis“, weitere Termine bis Mai. Die Kritik können Sie am Dienstag im Kulturteil lesen.

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