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Ein Stück alter Ruhrgebietskultur. Opel war in Bochum mehr als eine Automarke.

© Ansgar Dlugos, Philipp Niggemeier & Meike Willner

Opel-Bilderserie „Blitzgeschichten“: Ruhrpott-Realismus: Inszenierungen zwischen Trinkhalle und Bolzplatz

Opel – das war der Stolz Bochums. Nach der Schließung des letzten Werks vor fünf Jahren haben Fotografen den Autos und der Region ein Denkmal gesetzt.

Ein Schrebergarten. Hecken, wie mit dem Lineal gezogen, kein Blatt liegt auf dem Boden. Warmer Sonnenschein. Auf den ersten Blick ein Idyll. Man erkennt das Ruhrgebiet. Nicht nur an der Kiste Fiege-Pils. Doch je länger man das Foto betrachtet, desto mehr verrutscht der zunächst harmonische Eindruck. Drohend schwelt im Hintergrund Rauch. Oder ist es Nebel? Und der Junge? Liegt in seiner Körperhaltung ein Schuldeingeständnis? Oder ein Affront? Die Harmonie weicht Beunruhigung.

Der amerikanische Maler Edward Hopper (1882–1967) war ein Meister darin, Alltagsszenen so darzustellen, dass sie im Kopf des Betrachters zu tragischen Kurzgeschichten wuchsen. Er malte Hotelzimmer, Tankstellen, Kinosäle, Bars, bevölkert von einsamen Menschen, verlassen in der Menge. „Nighthawks“ ist sein berühmtestes Bild, eine Ikone des Amerikanischen Realismus, sein Gesamtwerk eine melancholische Chronik des Niedergangs.

Den Fotografen Ansgar Dlugos, Philipp Niggemeier und Meike Willner gelingt etwas ganz Ähnliches. In ihrer per Crowdfunding finanzierten Bilderserie „Blitzgeschichten“ inszenieren sie Szenen aus dem kollektiven Bildgedächtnis des Ruhrgebiets: Arbeitersiedlung, Trinkhalle, Bolzplatz ... Orte der Vergangenheit. Orte, die verschwinden. Als Klammer dient jeweils ein Opel. Einst Symbol des Arbeiterstolzes, nach der Schließung des Werks in Bochum vor fünf Jahren nun nur noch eines des Niedergangs. Vor wenigen Tagen erst bescheinigte eine Studie der Bertelsmann-Stiftung dem Pott, ein Sozialfall zu sein. Die Arbeitslosenquoten der Städte liegen weit über dem Bundesdurchschnitt, jeder Fünfte in der Region gilt als bedürftig.

Anders als bei dem Fotografen Gregory Crewdson, der soziale Verelendung in höchst stilisierten Bildern einfängt, oder dem Duo Yves Marchand und Romain Meffre, das den Verfall der Autostadt Detroit dokumentiert, sind die Fotos aus Bochum jedoch keine morbiden Szenen des Elends. Keine verbitterte Abrechnung, kein gnadenloses Draufhalten. Die Bilder von Dlugos, Niggemeier und Willner bewahren sich eine warme Nostalgie. Sie sind ein Abschied, ein langsames Loslassen des Vertrauten. Was kommt? Das muss der Betrachter selbst entscheiden.

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