zum Hauptinhalt

Neue Taco-Restaurants in Berlin: Eine Runde Sache

Tacos sind Mexikos Geschenk an die Welt. Nur in Berlin dauerte es, bis es wirklich gute gefüllte Tortillas gab. Jetzt bringen neue Läden Tacokultur in die Stadt.

Von Felix Denk

Der Kasten mit zwei Walzen und einer Kurbel, der auf dem Tresen neben der offenen Küche steht, sieht aus wie eine Nudelmaschine. Auf der einen Seite kommt der Teig rein. Bloß das, was auf der anderen Seite rauskommt, erinnert von der Form her eher an Pancakes als an Pasta. Ein Koch mit Schiffchenmütze patscht den runden Fladen auf die Grillplatte, ein anderer nimmt ihn, sobald er etwas Farbe bekommen hat, wieder runter und füllt ihn mit gegrilltem Steak, geschmortem Hühnchen oder Bacalao im Bierteig mit Chili-Mayo. „Con Copia“ werden sie im „Tacoriño“ in Charlottenburg serviert – mit zwei Tortillas.

Die Tortillas werden im "Tacoriño" in Charlottenburg selbst gemacht. Kleingeschnitten und frittiert werden sie auch als Nachos serviert.
Die Tortillas werden im "Tacoriño" in Charlottenburg selbst gemacht. Kleingeschnitten und frittiert werden sie auch als Nachos serviert.

© Kai Röger

Seit Streetfood auch in Berlin in Mode kam, also etwa als der Strom an Expats vor ein paar Jahren einsetzte und nicht zuletzt die Gastronomie veränderte, stieg auch das Angebot an Tacos. Endlich, muss man sagen. So ein Taco kann der perfekte Bissen sein.

Tacos sind TV-Stars und können selbst Gourmetköche beeindrucken

Ziemlich genau erinnert sich etwa René Redzepi, einer der bekanntesten Köche der Welt, an seinen ersten Taco, den er in Mexiko gegessen hat. Nach einem Langstreckenflug, mitten in der Nacht, in tropischer Hitze. Nicht unbedingt der Zeitpunkt für größere kulinarische Glücksmomente. Aber was er im grellen Neonlicht auf einem Plastikstuhl zu Essen bekam, erstaunte ihn.

Lust bekommen, selbst zu kochen? Hier finden Sie über 100 Rezepte aus der Genuss-Redaktion

Der süßliche Maismehlfladen mit den robusten Rauchnoten vom Grill, das Umami des saftigen Schweinefleischs, die scharf-saure Süße des Orangensafts mit Habanero-Chili, von dem er exakt sieben Tropfen auf die Ananasscheibchen träufeln sollte, wie ihm mit Nachdruck erklärt wurde. Das schreibt Redzepi sichtlich beeindruckt in seinem Vorwort zur „Tacopedia“ (Phaidon Verlag), dem internationalen, dem Thema angemessen pedantisch begegnenden Standardwerk von Deborah Holtz und Juan Carlos Mena.

Wirklich alles über Tacos steht in der „Tacopedia“ von Deborah Holtz und Juan Carlos Mena (Phaidon 2015, 320 S., 25 Euro).
Wirklich alles über Tacos steht in der „Tacopedia“ von Deborah Holtz und Juan Carlos Mena (Phaidon 2015, 320 S., 25 Euro).

© Phaidon Press

Wie Redzepi scheint es vielen zu gehen. Alleine auf Netflix könnte man ein ganzes Bingewatching-Wochenende mit Filmen über Tacos verbringen. Einmal wäre da die Serie „Die Geschichte des Taco“, von der gerade die zweite Staffel mit sieben neuen Folgen angelaufen ist. Dann gibt es die neue Staffel „Chef's Table“, in dem pro Folge jeweils ein Pitmaster porträtiert wird, ein Held des Grillens sozusagen. Und eine Heldin: Rosalia Chay Chuc aus Yukatan, die für ihr Cochinita Pibil, in der Erde geschmortes Spanferkel berühmt ist.

Cochinita pibil mit geschmortem Spanferkel aus dem Kochbuch "Mexiko"
Cochinita pibil mit geschmortem Spanferkel aus dem Kochbuch "Mexiko"

© Brandstätter Verlag

Als Appetizer mag „Ugly Delicious“ die beste Wahl sein, die Serie von David Chang vom „Momofuku“. In der Folge über Tacos fährt der New Yorker Starkoch in Los Angeles durch die Nacht und sucht nach den besten Taco-Ständen. Drei Qualitätskriterien leiten ihn dabei: Geh dorthin, wo du einige Worte auf der Speisekarte nicht verstehst. Gibt es gute, hausgemachte Salsas, vielleicht sogar gegrillte Chilis? Und sind die Tortillas selbstgebacken?

In Berlin musste man lange auf wirklich gutgemachte Tacos warten

Legt man diese Maßstäbe an, müsste man in Berlin lange durch die Nacht fahren. So weit sind wir hier noch nicht. Wer Tacos liebt, musste sogar herbe Rückschläge einstecken. Zum Beispiel schloss neulich das „La Lucha“. So schön die Austernbar „La Perla“ am Landwehrkanal auch ist, die Max Paarlberg jetzt betreibt, das, was sein Team früher auf den Maisfladen drappierte, das fehlt. Ein Hoffnungsschimmer ist, dass Paarlberg wieder ein mexikanisches Restaurant eröffnen will. Nie wieder kam leider das „Lucha Libre“, das vor ein paar Jahren in der Arminiusmarkthalle die wohl besten Tacos machte, die es in Berlin je gab. Erst verschwand die Barfrau, dann der Laden. Ein Jammer.

Aber es gibt auch neue Hoffnungsträger

Gerade hat das „Oh la Quecha“ in Neukölln aufgemacht. Auch hier machen sie die Tortillas selbst – aus Mais von Brandenburger Bio-Bauern. Und sie füllen sie originell, etwa mit Soja-Chorizo und Kartoffeln, oder mit Rote Bete, gelber Paprika, grünen Bohnen und geröstetem Sesam. Überhaupt, vegetarische Tacos: Da passiert was. Im „Chaparro“ in der Wiener Straße haben sie eine Version mit Nopales, mit Kaktusblättern. Im „Tacoriño“ füllen sie den Al Pastor mit mariniertem Blumenkohl. Und im „Ta’Cabrón“ finden sie einen Weg, selbst Tofu gen Mexiko zu drehen.

Die Tacos mit hausgemachten Saucen und Tortillas im "Tacoriño" in Charlottenburg
Die Tacos mit hausgemachten Saucen und Tortillas im "Tacoriño" in Charlottenburg

© Kai Röger

Ein Grund für die Berliner Presse, einen eigenen Taco-Redakteur anzustellen, ist das jetzt noch nicht. So einen leistet sich der „Texas Monthly“ seit kurzem. José R. Ralat heißt der Mann. Der Informationsbedarf ist offenbar groß in einem Bundesstaat, der verrückt nach Barbeque ist (einen eigenen Barbeque-Editor beschäftigt „Texas Monthly“ schon seit 2013) und in dem 40 Prozent der Einwohner hispanische Wurzeln haben. In den USA sind Tacos wie Hamburger und Pizza: Ein Stück Alltagskultur. Selbst politische Hardliner in Einwanderungsfragen lieben sie.

Mit dem Taco integrierte sich ein Stück mexikanischer Einwanderungskultur in den amerikanischen Mainstream

Ironischer Weise hat das mit einem Vorfall zu tun, den man wohlwollend als kulturelle Aneignung oder auch als dreisten Diebstahl bezeichnen könnte. Glen Bell hatte Ende der 40er Jahre einen Hotdog-Stand in San Bernadino, Kalifornien. Schräg gegenüber fiel ihm dieses Café auf, das mexikanische Einwanderer eröffneten. Da standen die Leute Schlange für die Tacos, die sie dort servierten. Er ging rüber und fragte nach dem Rezept… Das Café Mitla gibt es heute noch an selber Stelle, in dritter Generation betrieben. Glen Bells gründete „Taco Bell“. Sein Imperium zählt über 7000 Filialen weltweit. Er kopierte den „hard shell taco“ mit knuspriger Tortilla, der perfekt für die Systemgastronomie geeignet ist.

Lust bekommen, ferne Länderküchen kennen zu lernen? Hier geht es zu 28 Restaurants in Berlin, die das Weite uns kulinarisch näher bringen.

Aber ist das überhaupt ein Taco? Da gehen die Meinungen auseinander. Muss eine Tortilla nicht weich sein? Gustavo Arellano, der Autor von „Taco USA“, sagt: Nein. Er findet sogar, dass der Erfolg von „Taco Bell“ für die hispanische Minderheit in den USA ein Segen war. Er sei der wichtigste Transmissionsriemen in den kulturellen Mainstream. Ebenfalls identitätspolitisch brisant ist die Frage, ob der Burrito auch als Taco durchgeht. Nur um mal die Fronten zu klären: Der Taco ist Teil des Unesco-Weltkulturerbes. Der Burrito Tex Mex, also eine texanisch-mexikanische Mischform. In der „Tacopedia“ jedenfalls stehen auch Burrito-Rezepte drin. Nicht viele, aber genug, um das Verwandtschaftsverhältnis nicht vollkommen abzustreiten.

Tacos gehören zum Unesco-Weltkulturerbe
Tacos gehören zum Unesco-Weltkulturerbe

© Adam Wiseman/ Phaidon Press

Und so klar sind die Verhältnisse halt nicht. Der Taco hat sich immer wieder verändert. Vielleicht weil er so simpel ist. Man kann ja praktisch alles auf eine Tortilla packen. Und das ist auch passiert. Der berühmte Taco Al Pastor wurde wohl von libanesischen Einwanderern erfunden, die in den 1920er Jahren nach Puebla in Zentralmexiko kamen. Das Fleisch wird aufrecht wie bei einem Schawarma gegrillt.

Der Taco bleibt auch als Gourmetstück ein einfacher Snack

Das Cochinita Pibil, das langsam in Bananenblättern geschmorte Spanferkel, ist im Grunde Fusionfood. Auch wenn die Mayas schon die Kunst des Barbacoa praktizierten, die Schweine brachten erst die Spanier mit nach Südamerika. Auch die Tortilla selbst hat einen ziemlich langen Stammbaum. Mais wurde schon seit 7000 v. Chr. angebaut, etwa um 1000 v. Chr. wurden Tortilas gemacht Zunächst wurde der Mais eingeweicht und eingekocht, von der Schale befreit und gemörsert. Aus der Paste wurden Tortillas gebacken. Später verwandte man Maismehl, das mit Weizenmehl gemischt wurde – das wiederum brachten auch die Conquistadores mit.

Lust, Tacos selbst zuzubereiten? Hier finden Sie drei Rezepte aus dem Kochbuch "Mexiko", eins mit Kürbis, eins mit Shrimp, eins mit Spanferkel.

Zur Beliebtheit des Taco trägt bei, dass er billig ist. Man isst ihn auf der Straße, mit der Hand. Oft nachts vor oder nach dem Ausgehen. Das ist auch ein Fluch. In New York beschwerte sich der Koch Alex Stupak unlängst, dass er zwei gute Jakobsmuscheln locker für 20-30 Dollar pro Teller verkaufen könnte, wenn er sie aber auf einer Tortilla serviere, würden die Gäste ausrasten, wenn sie mehr als 5 Dollar zahlen müssten. Wer weiß – vielleicht ändert sich das ja noch. Verdient hätte es der Taco.

Hier kommen die besten Taco-Restaurants in Berlin

Chaparro
Burritos, Tortas, Quesadillas und Tacos bietet Raúl Oliver Arriaga in seinem kleinen Imbiss in der Wiener Straße in Kreuzberg und im Foodcourt des Bikinihauses an. Wer sich als Taquero versuchen will: Es gibt fertige Tortillas und eine Salsa roja zum Mitnehmen.
Kreuzberg, Wiener Str. 14A und Charlottenburg, Budapester 38-50, chaparro-berlin.de

Maria Bonita
Längst ein Klassiker in Prenzlauer Berg. Seit 2009 schmort und grillt man hier Tacos mit Huhn, Schweinebauch, Flank Steak, Süßkartoffeln und neu: mit knusprig ausgebratenem Fischfilet. Gute Guacamole mit hausgemachten Maischips. Alles schmeckt natürlich noch besser mit einer Frozen Margarita.
Prenzlauer Berg, Danziger Str. 33, Maria Bonita (Link führt zur Facebook-Seite)

Tacoriño
Die vermutlich größte Taco-Auswahl in Berlin hat die ambitionierte Taco-Bar in Charlottenburg (Foto). Neben den Klassikern wie Al Pastor oder Cochinita Pibil auch mit Shrimps, Bacalao oder Blumenkohl. Für hinterher gibt's Paletas, mexikanisches Eis am Stiel – wie alles hier hausgemacht.
Charlottenburg, Knesebeckstr. 18-19, tacorino.de

Oh la Queca
Vielversprechender Neuzugang: Im „Oh la Queca“ sind die Tortillas hausgemacht und kreativ belegt. Etwa mit Soja-Chorizo oder Rote Bete, gelber Paprika und grünen Bohnen. Lieber Fleisch? Das Rindfleisch ist sous vide gegart. Dazu schmeckt eine Horchata – hausgemachte Mandelmilch mit Zimt.
Neukölln, Reuterstr. 36, Oh la Queca (Link führt zur Facebook-Seite)

Das butterzarte Fleisch kommt aus dem Smoker: Taco Tuesday im "The Bird BBQ" in Prenzlauer Berg
Das butterzarte Fleisch kommt aus dem Smoker: Taco Tuesday im "The Bird BBQ" in Prenzlauer Berg

© The Bird BBQ/promo

Ta’Cabrón
Auf die hausgemachten Mais-Tortillas kommen in der kleinen Taqueria etwa fein geschmortes Cochinita Pibil, aber auch marinierter Tofu. Sehr gute Guacamole. Und wer das große Ess-Abenteuer sucht: Es gibt auch die ungesüßte Schokoladensauce Mole. Etwa zum geschmorten Hühnchen.
Kreuzberg, Skalitzer Str. 60, Ta’Cabrón (Link führt zur Facebook-Seite)

Sandunga Mezcaleria
Charmanter, kleiner Imbiss in Friedrichshain mit veganen und vegetarischen Tacos sowie Klassikern von Al Pastor mit getrocknetem Chili bis Carnitas mit Schweinefleisch gekocht in Orangen- und Limettensaft. Kleine Auswahl an Mezcal und Tequila sowie fertige Tortillas zum Mitnehmen.
Friedrichshain, Boxhagener Str. 50, sandunga-mezcaleria.com

Zur Startseite