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Johnny Depp und seine damalige Frau Amber Heard 2015 auf dem Filmfestival in Venedig.

© GIUSEPPE CACACE / AFP

Update

Nach dem Urteil: Sind Johnny Depps und Amber Heards Film-Karrieren jetzt vorbei?

Sowohl Johnny Depp als auch Amber Heard könnten nach dem Prozess wieder in Filmen zu sehen sein – die Frage ist aber, in welchen.

Juristisch hat die gerichtliche Auseinandersetzung um gegenseitige Verleumdungsvorwürfe zwischen Johnny Depp und Amber Heard einen ersten Abschluss erreicht: Die Jury hat entschieden, dass Heard ihrem Ex-Mann und Schauspieler-Kollegen wegen Verleumdung 15 Millionen Dollar zahlen muss (nach einer Kappung durch die Richterin stehen Depp aber nur 10,35 Millionen Dollar zu).

Und da Heard – die in Berufung gehen will – mit ihrer Gegenklage zumindest teilweise recht bekam, soll sie zwei Millionen von Depp erhalten. Doch in dem Prozess ging es um viel mehr als nur um eine juristische Klärung.

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Das Verfahren bekam eine enorm große mediale Aufmerksamkeit und wurde vor allem auf sozialen Netzwerken von vielen Fans kommentiert – mit einer Stimmung, die mehrheitlich pro Johnny Depp ausfiel. Insbesondere nach dem Urteil stellt sich die Frage, welche Auswirkungen es auf Opfer von häuslichem und sexuellem Missbrauch haben wird.

Die Kritik an Heard wurde großteils mit einer großen Häme formuliert, die abschreckend auf Opfer wirken kann. Davon abgesehen ging es den beiden auch um ihre Film-Karrieren.

Und hier sieht es derzeit danach aus, dass weder Depp noch Heard unbeschadet aus dem Prozess gehen werden. Allerdings haben beide Karrieren bereits vor dem Skandalprozess gelitten.

Depps Karriere als Superstar war schon vor dem Prozess vorbei

Der letzte Höhepunkt in Johnny Depps Filmkarriere ist schon eine Weile her. Das war 2011, Depp trug dabei ein Piratenkostüm – und das schon zum vierten Mal: Disneys Piraten-Blockbuster „Fluch der Karibik 4“ gilt mit einem Budget von 378 Millionen US-Dollar als teuerster Film überhaupt, selbst wenn man die Inflation berücksichtigt. Das liegt neben den sehr kostspieligen Drehs an paradiesischen Originalschauplätzen und in gigantischen Meeres-Sets auch an Depps exorbitanter Gage.

55 Millionen US-Dollar soll Depp laut dem Wirtschaftsmagazin „Forbes“ dafür bekommen haben, seine kultige Paraderolle als Captain Jack Sparrow erneut zu spielen. Zum Vergleich: Der aktuelle Top-Verdiener Hollywoods, der Ex-Wrestler Dwayne Johnson, strich laut dem Branchenmagazin Variety „nur“ 23,5 Millionen für seinen Part in der Agentenkomödie „Red Notice“ von 2021 ein – dem bis heute erfolgreichsten Netflix-Film.

Doch kein anderer Depp-Film sollte jemals wieder so erfolgreich werden wie „Fluch der Karibik 4“, der weltweit 1,04 Milliarden US-Dollar an den Kinokassen einspielte. Die Top-Filmstudios in Hollywood kehrten dem dreifach oscarnominierten, für spleenige Figuren wie Edward mit den Scherenhänden bekannten Star Stück für Stück den Rücken, nachdem Amber Heard ihm während der Scheidung 2016 gewalttätiges Verhalten vorgeworfen hatte – und Depps Niederlage im Prozess gegen die britische Boulevardzeitung „The Sun“, die ihn demnach weiterhin „Ehefrauenschläger“ nennen darf, war ein weiterer Sargnagel.

Es fällt schwer, sich Johnny Depp in einem neuen Familienfilm vorzustellen

Disney plant zwar seit Jahren einen neuen „Fluch der Karibik“-Film, die Planungen laufen aber wohl ohne Johnny Depp. Und seine andere Blockbuster-Rolle als böser Magier Grindelwald in der „Harry Potter“-Vorgeschichte „Phantastische Tierwesen 3“ verlor Depp zugunsten seines Kollegen Mads Mikkelsen.

Es ist auch nach dem Urteil im Prozess gegen Amber Heard fraglich, ob Hollywood den einstigen Spitzenverdiener und Superstar jemals wieder in einem großen Film besetzen wird, der Familien ansprechen soll.

Daran dürfte gar nicht mal so sehr der Alkohol- und Drogenmissbrauch Schuld sein, der im aktuellen Prozess zurück ins Gedächtnis gerückt ist und potentiell jeden Dreh sowie jede PR-Tour erschwert – denn dieser war auch vorher schon längst bekannt, ohne dass es unter den Hollywood-Produzent:innen offenbar groß jemanden gestört hätte.

Schwerer dürfte da schon wiegen, dass das Geschäft mit Film-Blockbustern sehr riskant ist: Sie werden mehrere Jahre im Voraus geplant und sind so teuer, dass Flops ganze Studios in den Abgrund reißen können – vor allem in Zeiten unsicherer Kino-Zukunft und massiver Konkurrenz durch Streaming.

Bei einem Schauspieler wie Johnny Depp, der in den vergangenen Jahren vor allem durch seine Prozesse aufgefallen ist, dürften sich viele Produzent:innen nicht sicher sein, ob er die nächsten Jahre skandalfrei übersteht, das aktuelle Urteil hin oder her. Johnny Depp ist aus dieser Sicht nach wie vor ein Risiko, da er Filmdrehs erschweren oder mit seinem Image das Einspielergebnis trüben könnte.

Depp dürfte trotzdem seinen Platz finden

Die große Unterstützung von Fans und einigen Kolleg:innen sowie nicht zuletzt das aktuelle Urteil bedeuten aber auch: Johnny Depps Karriere steht in Hollywood ganz bestimmt nicht auf einer Stufe mit den Karrieren von Kollegen wie etwa den Regisseuren Brett Ratner oder Bryan Singer, die nach mehreren Missbrauchsvorwürfen faktisch arbeitslos geworden sind.

Depp hat derzeit den französischen Historienfilm „Jeanne du Barry“ in Planung, dort soll er neben der Schauspielerin Maïwenn die Hauptrolle des Louis XV spielen.

Es ist also gut vorstellbar, dass dem 58-jährigen Johnny Depp ein Karriereherbst aus Rollen in US-amerikanischen und europäischen Filmproduktionen bevorsteht, die weniger kosten und damit aus Sicht der Produzenten auch längst nicht so riskant sind wie die Blockbuster-Rollen auf dem Höhepunkt seiner Karriere.

Diese Einschätzung wird von zwei Branchenexperten gegenüber dem Film-Magazin „The Wrap“ geteilt. Depp werde in „keinem Top-Film mehr so wie früher besetzt“, zitiert das Magazin einen Produzenten mit langjähriger Erfahrung. „Er hat vor dem Prozess immer genervt. Und er hat bewiesen, dass er immer noch nervt.“ Ein Agent, den „The Wrap“ ebenfalls zitiert, sieht Depps künftige Chancen außerhalb großer Hollywood-Filme – und in Hollywood höchstens dann, wenn ein renommierter Regisseur beteiligt ist, der wegen seines Namens besetzen kann, wen er möchte.

Amber Heard kurz vor dem Urteil der Jury.
Amber Heard kurz vor dem Urteil der Jury.

© EVELYN HOCKSTEIN / POOL / AFP

Für Amber Heard dürfte es nun deutlich schwerer werden

Ein großer Nachteil für Amber Heard im Vergleich zu Johnny Depp hat nichts mit dem Prozess zu tun, nichts mit PR und nichts mit schauspielerischem Talent, sondern mit ihrem Geburtsjahr und Geschlecht. Heard ist 36 und damit in einem Alter, in dem die sich die Rollenangebote für Schauspielerinnen ausdünnen. Hollywood mag sich langsam zum Besseren hin verändern, was das quantitative und qualitative Angebot weiblicher Rollen angeht, doch nach wie vor bekommen hier vor allem jüngere Frauen die weiblichen Hauptrollen.

Die strukturelle Benachteiligung von Frauen in Hollywood führt auch zu einer im Vergleich schlechteren Bezahlung. Hinzu kommt, dass Heard mit ihren Rollen und Filmen niemals auch nur annähernd so viel Erfolg wie Johnny Depp hatte. Ihre bekannteste Rolle ist die der Meeres-Heldin Mera in den Superhelden-Blockbustern „Justice League“ und „Aquaman“, die aber nie mehr war als ein größerer Neben-Part.

Wie die Seite „Celebrity Net Worth“ unter Berufung auf den Prozess schreibt, bekam die Schauspielerin 450.000 Dollar für „Justice League“, eine Million Dollar für „Aquaman“ und zwei Millionen Dollar für „Aquaman 2“, dessen Dreharbeiten beendet sind und der am 16. März 2023 in die Kinos kommen soll. Diese Summen sind weit von Depps Spitzen-Gagen entfernt.

Was kommt für Heard nach „Aquaman 2“?

Der erste „Aquaman“ von 2018 ist bis heute die weltweit erfolgreichste Comicverfilmung aus dem Hause DC – 1,14 Milliarden Dollar spielte das Unterwasser-Spektakel ein. Dank „Aquaman 2“, wo Heard erneut die Hera spielen wird, steht Amber Heard zwar ein sicherer Film-Hit bevor. Allerdings deutet derzeit einiges darauf hin, dass ihre Schauspiel-Karriere anschließend steil bergab gehen könnte. Nicht nur gab Heard im Prozess an, dass ihre Rolle in der Fortsetzung kleiner ausfallen wird als im ersten Teil, wo viele Zuschauer:innen ihr eine fehlende Chemie mit Hauptdarsteller Jason Momoa attestierten.

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Vielmehr dürfte nicht zuletzt die im Internet publizierte Meinung vieler Fans einen negativen Einfluss auf Amber Heards weitere Karriere haben. Schon vor dem Urteil erfuhr eine Kampagne breite Unterstützung, deren Ziel es war, Heard aus dem Filmuniversum der DC-Held:innen zu entfernen. Ihr Auftritt im Prozess wurde von viel Häme begleitet, die sich nun nach dem Urteil noch mal steigern dürfte.

Spätestens seit Soziale Netzwerke zum weltweiten Stimmungsbarometer geworden sind, haben Hollywood-Produzent:innen ihre Entscheidungen immer wieder davon abhängig gemacht, was in lautstarken Kampagnen im Internet gefordert wurde – der Veröffentlichung einer neuen Schnittfassung des DC-Films „Justice League“ etwa gingen jahrelange Forderungen von Fans voraus.

Das aktuelle Urteil, die Stimmung im Netz und die Bereitschaft in Hollywood, solchen Stimmungen nachzugeben, all das lässt auf eine düstere berufliche Zukunft für Amber Heard schließen, was Verpflichtungen in großen lukrativen Filmen angeht. Auch für sie deutet momentan einiges darauf hin, dass sie künftig eher in kleineren Filmen mitspielen wird.

Damit ist nichts zur Qualität dieser Filme gesagt, weder in ihrem Fall noch im Fall von Johnny Depp. Wenn sie und er aber darauf gehofft haben, nach dem Urteil an ihre jeweiligen Filmkarriere-Höhepunkte anschließen zu können, sieht es derzeit nach einer Enttäuschung dieser Hoffnungen aus. Alles weitere hängt auch davon ab, wohin sich die öffentliche Meinung als nächstes dreht – und ob der Prozess durch eine Berufung fortgesetzt wird.

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