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Ein Strandpicknick mit Champagner? Kein Problem auf Mustique.

© Mustique Company

Mustique: Die legendärste Bar der Karibik

Auf Mustique entspannen Adlige, Popstars und Modedesigner. Einer hat sie alle kennengelernt: der erste Barkeeper der Insel.

Die Amerikanerin fragt etwas zu laut, etwas zu schrill: „Und wo ist Mick Jagger?“ Sie nimmt einen Schluck, zweiter oder dritter Cocktail. Der Barkeeper von Basil's Bar nickt, er kennt diese Fragen von Menschen, die durch die Karibik segeln, nach Mustique kommen und behaupten, definitiv nicht auf Promi-Pirsch zu sein - und dann ihren Drink mit einem Scannerblick über die Terrasse runterspülen. Sitzt der kanadische Rockstar Bryan Adams dort drüben an der Tafel? Schaut Modedesigner Tommy Hilfiger gerade tiefenentspannt über das Meer? Wie Jagger haben sie alle Häuser hier.

Der Treffpunkt der sechs Quadratkilometer großen Insel ist Basil's Bar, eine einfache Uferterrasse mit strohgedeckten Dächern. Sie ist benannt nach dem Gründer Basil Charles, einem schlanken Kerl mit grauem Haar, 72 Jahre alt, geboren auf der Hauptinsel St. Vincent, etwa 30 Kilometer entfernt. Er ist eine lebende Legende der Karibik, denn in keiner anderen Strandhütte der Region haben mehr Adlige, Schauspieler und Popstars gefeiert. Kate Moss, Eric Clapton, Jerry Hall, Shania Twain, Johnny Depp - und Prinzessin Margaret, die 2002 verstorbene Schwester der Queen. Sie reiste in den 70er und 80er Jahren nach Mustique und machte aus der von Mücken geplagten Insel ein vom Jetset heimgesuchtes Ferienparadies.

Basil, Sie haben die Reichen und Schönen dieser Welt bedient. Welche Lektion mussten Sie im Umgang mit ihnen lernen?

Sei vorsichtig mit dem, was du sagst. Wenn ein Gast schlechte Laune hat, frage ich ihn zuerst: Was trinken Sie gerade, darf ich Ihnen noch eine Flasche Wein spendieren? Die meisten brauchen einfach die Aufmerksamkeit, und dann sind sie glücklich.

Wer war am spendabelsten?

Jim Kimsey, einer der Gründer von AOL. Er sagte immer: Ich will verdammt noch mal sichergehen, dass keiner dieser britischen Snobs mehr Trinkgelder gibt als ich. Ein russischer Stammkunde, der immer zu unserer Silvesterparty kam, steckte mir einmal einen Umschlag zu. Ich war zu beschäftigt, um ihn sofort zu öffnen. Erst zu Hause guckte ich rein. Da steckten 3000 Dollar drin. Das war das beste Trinkgeld, das ich jemals bekommen habe.

Hat Prinzessin Margaret etwas gegeben?

Sie hat mir sogar ein Geschenk mitgebracht, einen silbernen Schlüsselanhänger mit einem Wappen, in dem ein „M“ eingraviert war. Der liegt immer noch bei mir zu Hause.

Ein Mann und seine Bar: Basil Charles.
Ein Mann und seine Bar: Basil Charles.

© Ulf Lippitz

Sie waren lange der einzige Barkeeper auf Mustique, zuerst im einzigen Hotel der Insel, im Cotton House, dann ab 1976 in Basil's Bar. Ein Traumjob?

Ich war ein armer Kerl, der Geld brauchte. Meine Mutter starb, als ich neun war, mein Vater fischte, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich lernte Automechaniker, aber als ich 1971 auf der Insel angefangen habe, brauchte das Hotel ein Mädchen für alles. Eines Tages stand ich im Cotton House hinter der Theke, da trat ein Mann in weißem Anzug an die Bar und fragte: Weißt du, wie man einen Rum and Coke macht? Das war Colin Tennant, der Mann, der Mustique gekauft hatte.

Er stammte aus einer wohlhabenden Familie, war ein Freund von Prinzessin Margaret und hatte die Insel 1958 für 45 000 Pfund während eines Segeltörns erworben.

Ich sagte ihm, keine Ahnung, wie Sie Ihren Drink möchten, und zeigte auf die sechs verschiedenen Flaschen Rum und unzähligen verschiedenen Gläser hinter mir: Ich könnte jetzt irgendein Glas nehmen, Rum reinschütten und Cola drauf. Mögen Sie das so? Wie widerlich, sagte er, ich will ein kleines Glas, zwei Eiswürfel, einen großen Shot Bacardi und einen Schuss Cola drauf. Von jetzt an bekommen Sie Ihren Drink, wie Sie ihn haben möchten, sagte ich. Das war der Moment, in dem Colin dachte: Ich habe meinen Barkeeper gefunden.

Sir Rodney Touche, aus dem Freundeskreis der Prinzessin, sagte damals über die Insel: Ich liebe Mustique für alles, was es nicht hat.

In den frühen Tagen standen nur das Cotton House und drei weitere Villen. Es gab keine Straßen, keinen Strom, kein Warmwasser und nur einen Generator. Wenn Margaret im europäischen Winter mit ihrer Entourage kam, brach um sieben Uhr abends das Netz zusammen, weil alle Damen sich zur selben Zeit die Haare föhnten. Hier in Basil's Bar gehörte das später zur Folklore. Die Gäste hofften, dass es einen Stromausfall gäbe, wir die Kerzen auf die Tische stellen und die Atmosphäre romantischer werden würde.

„Lord Snowdon hasste die Insel“

Viele Gäste empfinden Basil's Bar als einen magischen Ort.
Viele Gäste empfinden Basil's Bar als einen magischen Ort.

© Mustique Company

An manchen Tischen geht das Getuschel los. Das ist er, flüstern sie, Basil, der Besitzer. Was nicht mehr stimmt. Er hat die Bar vor zwei Jahren an die Mustique Company verkauft. Sie verwaltet die Insel, kümmert sich um den Straßenausbau, die eigene Fluglinie und die Vermietung der Villen. Etwa 100 Häuser verstecken sich auf den bewaldeten Bergen, in den sieben Tälern oder an den unzähligen Stränden. Zwei Drittel der Villen von ihnen können für Gruppen gebucht werden, wenn die Besitzer nicht da sind. Zum Beispiel die von Mick Jagger, „Stargroves“, direkt an einer Bucht im Norden gelegen, zehn Personen, eine Woche, ab 17 000 US-Dollar, vier Hausangestellte inklusive. Speisen, Getränke und Trinkgelder kommen obendrauf.

Wann haben Sie die Prinzessin das erste Mal auf der Insel angetroffen?

Im Februar meines ersten Jahres. Anfangs musste ich sie mit Her Royal Highness anreden, mich verbeugen, danach sprach man sie weiter mit Maam an. Sie war cool. Wenn sie in der Bar des Cotton House war, ein Fremder auf sie zukam, um sie zum Tanz aufzufordern, sprang ich manchmal hoch und bat sie schnell auf die Tanzfläche. Colin hatte uns eingeschärft, sie in keine unangenehme Situation zu bringen.

Ihr Ehemann, Lord Snowdon, nannte Mustique auch Mistake, also einen Fehler.

Er hasste es, weil es Margarets Insel war. Colin kannte sie noch ziemlich gut aus den 50er Jahren, sie gingen eine Zeit lang miteinander aus. Als Prinzessin Margaret 1960 heiratete, fragte er sie: Willst du lieber einen Cocktail-Shaker von Asprey oder ein Stück Land auf meiner Insel haben? Sie entschied sich für das Grundstück, und Lord Snowdon verstand, dass es ein Geschenk nur für sie war. Ab den 70er Jahren begann er Affären mit anderen Frauen. Doch Princess Margaret wollte sich lange nicht scheiden lassen. Die Queen hätte ihr das auch nicht gestattet, denke ich. Und so kam die Prinzessin nach Mustique, manchmal mit einem jüngeren Mann, mit dem sie vielleicht auch ausging. Auf der Insel konnte sie frei sein, wie sie wollte, es gab keine Presse hier.

Nie Probleme mit Paparazzi gehabt?

Wir erlaubten keine auf der Insel, heute übrigens auch nicht. Wenn wir wussten, dass Maam in Basil's Bar kommen würde, sagten wir jedem Gast mit Kamera: Sie können bleiben, wenn Sie damit einverstanden sind, dass wir Ihnen den Fotoapparat abnehmen, hinter der Bar einschließen und nachher wieder zurückgeben. Niemand hat das abgelehnt.

Keine Marina, keine Ausflugsboote

So blickte Prinzessin Margaret von ihrer Villa aufs Meer.
So blickte Prinzessin Margaret von ihrer Villa aufs Meer.

© Ulf Lippitz

Es gibt eine Polizeistation auf der Insel, ein Café, einen Supermarkt und eine Tankstelle für die Benzinbuggys, die überall auf der Insel umherfahren. Handwerker eilen zur Stelle, wenn der Abfluss verstopft ist, Landschaftsgärtner durchkämmen das Gebüsch nach Mückennestern, um sie auszumerzen. Jeden Morgen um acht unterrichtet eine Physiotherapeutin Yoga am Strand. Dienstagabends serviert das Cotton House Gratiscocktails für jedermann, donnerstagvormittags gibt es organisierte Touren durch nicht vermietete Villen, und am Sonntagabend treffen sich die Insulaner zum Sonnenuntergang bei Basil's. Auf Mustique ist das leichte Leben straff durchorganisiert.

Wie würden Sie Colin Tennant beschreiben?

Er war ein kolonialistischer Exzentriker, ganz klar. Aber ohne ihn hätte ich kein Stück dieser Bar pachten und später kaufen dürfen. Er hat sich dafür eingesetzt.

Was konnte er von Ihnen lernen?

Er hasste Buchhaltung. Wir haben zusammen die Bar eröffnet, er sagte damals, Basil, dieser Laden wird nie Geld einbringen. Ich habe ihn eines Besseren belehrt. Vom ersten Tag an machten wir Gewinn. Ich passte auf, wie viel wir jeden Abend verkauften, wie viel wir auf Lager hatten, wie viel Bargeld hinter dem Tresen herumlag. Ich baute hinter der Theke einen Safe ein, den ich im Boden versenken ließ. Nur ich kannte die Kombination.

Colin Tennant hat Sie 1974 sogar auf seinen Familienstammsitz nach Schottland eingeladen. Bei einem Abendessen setzte er Sie neben die „blasseste Person im Raum“, so lauteten seine Worte. Fühlten Sie sich nicht vorgeführt?

Nicht neben die weißeste Person, sondern die hochnäsigste. Er wollte sehen, was passiert. Für ihn war das ein Gesellschaftsexperiment.

Sie saßen neben der damaligen Countess of Dartmouth, später bekannt als Stiefmutter von Lady Di.

Sie war so steif, trainiert darauf, immer höflich zu sein. Was halten Sie vom Wetter?, fragte sie. Man, it's shit, antwortete ich, mitten im Sommer, und draußen gibt es die ganze Zeit Nebel. Sie sah aus wie jemand, der in einem Friseursalon lebte. Das Haar klebte voller Haarspray, jedes Mal, wenn man einen neuen Gang servierte, nahm sie einen Löffel in die Hand und schaute nach, ob alle Strähnen richtig saßen. Ich betete zu Gott, dass das Essen vorüberging.

Tennant stemmte sich gegen eine Öffnung der Insel, er ging beinahe pleite und musste Ende der 70er Jahre Anteile an die Mustique Company verkaufen. Er wollte nie, dass sich Gäste in die Villen einmieten können. Heute geht das problemlos.

Andere seiner Ideen leben allerdings nach wie vor fort. Keine Marina, keine Ausflugsboote, kein großes Hotel. Die Insel brauchte eben Geld, um weiterzubestehen, damit die ganzen Straßen und Leitungen gebaut werden konnten. Die Schule, die Kirche, das Dorf für die 500 Einwohner.

Kommen diese auch in die Bar?

Das war mir von Anfang an wichtig. Einige Snobs wollten ja, dass nur die Reichen hier ihr Bier trinken sollten, dass der Fischer, der Butler, die Putzfrau nicht in derselben Bar sitzen darf. Keine Diskussion, ich habe mich durchgesetzt.

„Niemand wäre so dumm, hier Kokain zu ziehen“

Die Liebenden Schildkröten sind das Wahrzeichen der Insel.
Die Liebenden Schildkröten sind das Wahrzeichen der Insel.

© Ulf Lippitz

Als Colin Tennant noch auf der Insel waltete, schmiss er jedes Jahr eine Kostümparty. Einmal mussten alle Gäste in goldfarbenen Anzügen erscheinen, ein anderes Mal verkleidete sich Mick Jagger als Arzt. Die Damen standen Schlange, um sich vom Sänger behandeln zu lassen, munkelt man auf der Insel. Dagegen wirkt die Szenerie in Basil's Bar heute beinahe altbacken. Viele bunte Hemden, Botoxgesichter und kaum junge Leute. Die Amerikanerin von der Bar steigt in ein Schlauchboot, das sie zurück zu ihrer Yacht bringen soll. Sie schwankt etwas. Der Kellner schüttelt unmerklich den Kopf - typisch Tagesausflügler.

Einer Ihrer Gäste war David Bowie. Angeblich dauerten die Bauarbeiten für seine Villa fünf Jahre. Finden Sie gelegentlich: Die spinnen, die Reichen?

Bedenken Sie, dass man alles importieren muss. Es gibt keinen Steinbruch, keine Fabrik für Ziegelsteine. David engagierte einen Landschaftsgärtner aus Bali, der ihm den Garten gestaltete. Und die Handwerker für seine Schnitzereien an den Wänden kamen auch von dort. Ich finde, sein Haus war relativ bodenständig, die ganzen Spielzimmer, die es heute gibt, eines vollgestellt mit Flipperautomaten, wurden nach dem Verkauf an Felix Dennis eingebaut.

Der Zeitschriftenverleger erwarb die Villa 1995. Zu dem Zeitpunkt befand er sich in einer mittelschweren Kokainphase. Haben Sie weggeguckt, wenn er in der Bar eine Line legte?

Ich glaube nicht, dass jemand so dumm wäre, hier Kokain zu ziehen. Sehen Sie sich um, wir sind zu allen Seiten offen. Der Wind würde alles wegblasen. Vielleicht hat jemand einen Joint geraucht, und die Tischnachbarn haben sich beschwert. Ich habe dann gesagt, hey, geh doch rüber auf die andere Straßenseite.

In mehr als 40 Jahren kamen unzählige Prominente zu Ihnen. Wen haben Sie mal nicht sofort erkannt?

Wenn ich diese Menschen vorher nie gesehen habe, wie soll ich sie wiedererkennen? Eines Tages saß auf unserer Terrasse ein Mann mit Brille und las ein Buch. Jemand fragte mich: Was macht Bill Gates hier? Ein anderes Mal sah ich im Büro die Reservierungen für den Abend durch, ein Kellner klopfte und sagte: Mister Washington würde dich gern kennenlernen. Ich hatte keine Ahnung, wer das sein könnte, ging hinüber zur Bar, schaute den Mann an und fragte: Washington wie in Denzel Washington? Er gab mir die Hand und sagte: Ich habe so viel von Ihnen gehört.

Wenn Ihnen ein Name partout nicht einfällt, wie kaschieren Sie das?

Bei Frauen hilft immer ein „Hello, darling“. Damit bügeln Sie jede peinliche Situation weg. Die Amerikaner schütteln dir die Hand und wiederholen einfach ihren Namen. Aber die Briten mögen das gar nicht.

Sie sind inzwischen selbst eine Berühmtheit. 2011 erhielten Sie die Einladung zur königlichen Hochzeit von Prince William und Kate Middleton.

Ich dachte zuerst, jemand würde mir einen Streich spielen, als ich die Einladung erhielt. Beide waren vor der Hochzeit einige Male auf Mustique gewesen. Einmal spielten wir zusammen ein Freundschaftstournier, ich im Doppel mit Kate und William mit einem örtlichen Tennisprofi. Was soll ich sagen? Wir haben gewonnen.

Die Sonne geht langsam unter. Ein roter Ball, verfolgt von hunderten Smartphones. Die Bar wird voll. Eine Band spielt Calypso-Versionen alter Hits. Ein hagerer Mann mit schulterlangen grauen Haaren läuft durch den Eingang. Zuerst erkennt man nur den wippenden Gang, dann seine Lippen, schließlich das Gesicht. Mick Jagger ist eingetroffen.

Reisetipps für Mustique

Hinkommen

Nach London-Gatwick fliegen, von dort mit British Airways nach St. Lucia (ab 700 Euro). Dann organisiert die Mustique Company die Weiterreise.

Unterkommen

Doppelzimmer im Cotton House ab 610 Euro pro Nacht, cottonhouse.net; Villen anfragen über mustique-island.com.

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