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Rote Grütze von Kristof Mulack

© Florian Bolk

Mulacks neue Berliner Küche – die Rezeptkolumne: Rote Grütze mit Schoko-Joghurt-Creme

Sie ist eine Liebeserklärung an die Saison und in ganz Nordeuropa zuhause. Die Zubereitung der Beerenspeise ist einfach, denn sie folgt keinen Regeln.

Von Kai Röger

Man kennt sie eigentlich überall, wo im Spätsommer rote Früchte reifen. Von Skandinavien über Norddeutschland bis Berlin ist die Zubereitung praktisch identisch: Beeren werden aufgekocht, bis sie zerfallen. Nach Belieben wird das Mus mit Spirituosen, Wein oder Gewürzen aromatisiert, leicht gebunden, eventuell passiert, um die Kerne zu entfernen und dann nach Lust und Laune mit Zucker oder Zitrone ausbalanciert. Am Ende kommen noch ein paar ganze Früchte hinzu, weil das so besser aussieht.

Welche Früchte für die Rote Grütze verwendet werden, wie man die geleeartige Konsistenz erzeugt und was dazu serviert wird – keine Region hat dafür eigene Regeln, allenfalls gibt es Vorlieben. In der Bremer „Rode Grütt“ finden sich neben Himbeeren, roten und schwarzen Johannisbeeren meist noch Sauerkirschen. Die „Sylter Rote Grütze“ heißt eigentlich nur so, weil sie in Sylt gemacht wird. Zeitgenössische Berliner Rezepturen setzen auf „Beerenmix“ aus der Tiefkühltruhe – vermutlich ein Großstadtphänomen, den fehlenden Gärten vor der Haustür geschuldet. Allerdings zeigt sich hier mehr als anderswo eine Lust am Experimentieren mit Gewürzen wie Zimt, Kardamom und anderen fernöstlichen Aromen.

In Dänemark ist Rote Grütze mit Sahne eine Nationalspeise

Strenger nehmen es allenfalls die Dänen. Ihre „Rødgrød med fløde“ (Rote Grütze mit Sahne) trägt den Rang einer Nationalspeise. Traditionell wurde sie nur aus Erdbeeren hergestellt, allenfalls Rhabarber durfte noch mit rein. Aber diese Vorgaben nimmt man heute nicht mehr so genau. Nur an der Beigabe scheint man aus gutem Grund festzuhalten: Sahne pur. Das ist sinnvoll, Dänemark verfügt über ausgezeichnete Milchprodukte, die Sahne ist dicker, gehaltvoller und geschmackvoller als die deutsche. Selbst Bioqualitäten – mit ganz wenigen Ausnahmen – können da nicht mithalten.

Die Aussprache allerdings ist hochspeziell, ein Kuriosum, mit dem Dänen gerne ihre dänelnden Gäste auf die Probe stellen. Es sollte sich ungefähr anhören wie „Röll-gröl mäl flölä“, wobei das „l“ eine akrobatische Verdrehung der Zunge erfordert, die am ehesten im Kopfstand gelingt. Gemeinhin gilt: Wer dreimal „Rødgrød med fløde“ hintereinander richtig aussprechen kann, besteht den Lackmustest und darf sich der dänischen Sprache annährend mächtig nennen.

Rote Grütze funktioniert ohne feste Beilagen und Rezept-Regeln

Trotz dieser tief in der Kultur verankerten Bindung ist es unwahrscheinlich, dass Rote Grütze von Dänemark aus die Welt erobert hat. Es ist einfach eine allzu naheliegende Zubereitung, als dass es dazu einen Erfinder gebraucht hätte. Auch das „dazu“ lässt keine Rückschlüsse auf Region oder Urheberschaft zu. Die Industrieprodukte aus dem Tiefkühlregal führen mit ihrer Kopplung an Vanillesoße bei der Zuordnung doppelt in die Irre. Zum einen ist Vanille schon immer ein exklusives Produkt gewesen. Es ist unwahrscheinlich, dass eine Jedermannspeise mit solch herrschaftlichem Geleit versehen wurde. Zum anderen werden Tetrapacksoßen gerne als „dänische Vanillesauce“ angepriesen. Aber dort ersetzt man die traditionelle Sahne auch heute noch allenfalls durch Eis.

Und Berlin? Meist gibt es nicht nur in Privatküchen, sondern auch in vielen Restaurants Vanillesoße. In der Regel die „dänische“, nur selten selbstgemachte. Mehr aus Lokalpatriotismus als Traditionsbewusstsein kombiniert Küchenchef Simon Dienemann im „Clärchens Ballhaus“ Rote Grütze auch mal mit einem Klecks „Berliner Luft“.

Im "Clärchens Ballhaus" kombiniert Küchenchef Simon Dienemann Rote Grütze mit Berliner Luft
Im "Clärchens Ballhaus" kombiniert Küchenchef Simon Dienemann Rote Grütze mit Berliner Luft

© Kai Röger

Eigentlich sind es zwei eigenständige Desserts, die nichts miteinander zu tun haben. Aber die Grütze ist duldsam und die fluffige Nocke obenauf gibt dem Ganzen eine cremige Komponente. Womit man sich von Dänemark bis Berlin zumindest einig wäre, was zur fruchtig-säuerlichen Beerenspeise am besten passt: etwas süßlich Fettes.

Lesen Sie hier die Restaurantkritik zu "Clärchens Ballhaus"

Allein das Wort „Grütze“ verweist auf einen möglichen Ursprung. Der ist aber nicht einer Region zuzuordnen, sondern einer dunklen Zeit. Wurde mit Gelatine gebunden, die damals noch aufwendig aus Knochen gewonnene wurde, war die Beerenspeise allein dem Adel vorbehalten, es handelte sich auch nicht um ein stückiges Früchtemus, sondern um ein pikfein geklärtes Gelee, eine „Götterspeise“. Das einfache Volk verwendete gemahlenes Getreide, Grütze eben.

Sie kennt keine Bindungsängste - Rote Grütze lässt sich mit vielem andicken

Heute wird gebunden mit allem, was die Konsistenz dick macht, Stärke von Kartoffeln, Mais oder Sago, oder – analog zum Fertigprodukt aus dem Kühlregal – Gelatine, die auch auf pflanzlicher Basis hergestellt werden kann.

Koch Kristof Mulack verwendet für seine Grütze Tapioka-Perlen. Diese Stärke wird aus Maniok gewonnen und erlangte weltweite Verbreitung im Bubble-Tea. Die „Bubbles“ waren Tapiokakügelchen, die ihre aramatisierte Füllung erst im Mund preisgaben. Tapioka löst sich nicht im kalten Wasser auf, sondern benötigt zusätzlich noch mindestens Körperwärme. Mulack zieht Tapioka anderen Konsitenzgebern aus drei Gründen vor: „Tapioka-Perlen sind vegan, das ist zeitgemäß. Außerdem sind sie geschmacklos. Und sie sehen einfach cool aus.“

Kristof Mulack modernisiert in der Kochkolumne Berliner Klassiker. Mehr über ihn: kristof.mulack.berlin und #kristof_mulack_official
Kristof Mulack modernisiert in der Kochkolumne Berliner Klassiker. Mehr über ihn: kristof.mulack.berlin und #kristof_mulack_official

© Florian Bolk

Lust bekommen, mal wieder Essen zu gehen? Hier finden Sie 28 Vertreter unterschiedlicher Länderküchen, von Kreolisch in Köpenick über Philippinisch in Tiergarten bis peruanisch in Moabit - eine kulinarische Weltreise durch Berlin!

Das Rezept - Rote Grütze

Zutaten
750 g Beerenmix aus der Tiefkühltruhe
350 g Tapioka-Perlen
230 g Amarena Kirschen im Glas (z. B. von „Fabbri“, gibt es in vielen „Rewe“-Filialen)
300 g griechischer Joghurt
5 EL Weiße Schokolade Callets (z.B. von „Callebaut“ – gibt es online zu bestellen. Alternativ 30 g „normale“ weiße Schokolade, diese dann aber extra vorsichtig in der Sahne erwärmen)
100 g Schlagsahne
1 EL Rote-Bete-Saft
optional
Blüten und Kresse zum Garnieren (Blüten gibt es zum Beispiel in den Filialen des „Frischeparadies“) frische Beeren nach Marktlage

Zubereitung
Den tiefgekühlten Beerenmix in einer tiefen Form auftauen lassen.
Wasser zum Kochen bringen.
Die Tapioka Perlen in das kochende Wasser geben und unter ständigem Rühren so lange kochen, bis nur noch ein winziger weißer Punkt im Kern der Perlen zu sehen ist. Dann durch ein Sieb giessen und die Perlen unter kaltem fließenden Wasser kurz abspülen.
Die Tapioka Perlen zu den aufgetauten Beeren geben und unterrühren.
Die Amarenakirschen samt dem im Glas enthaltenen Sirup in einem geeigneten Behälter grob mixen, zum Beeren-Tapioka-Mix geben und unterheben.
Die frischen Früchte ebenfalls vorsichtig unterheben.
Nun alles ein paar Stunden im Kühlschrank durchziehen lassen, bis die Flüssigkeit von den Tapioka-Perlen aufgesaugt wurde und die Grütze somit gebunden ist.
In einem Topf die Sahne erhitzen, vom Herd nehmen und die weiße Schokolade darin schmelzen lassen.
Die Sahne-Schokolade-Mischung mit einem Schneebesen unter den Joghurt heben, bis sich eine homogene Masse bildet.
Den Rote-Bete-Saft mit dem Joghurt vermischen.

Anrichten
Zuerst eine dicke Schicht Rote Grütze in eine tiefe Schale geben. In die Mitte eine Nocke vom Schokoladenjoghurt setzen.
Wer will, kann nun alles noch mit Blüten und Kresse garnieren.

Tipp
Natürlich kann man auch frische Beeren verwenden und sie einkochen, eventuell sogar noch passieren, um die Kerne zu entfernen. Das ergibt eine homogenere Masse.
Ich mag es aber, wenn die Grütze auch von der Konsistenz her schön beerig bleibt. Gefrorene Früchte sind von sich aus schon so weich, dass man sie nicht mehr erwärmen muss.
Genau deshalb verwende ich auch Tapioka, um die Masse etwas anzudicken. Man muss diese Stärke nicht erwärmen, sie saugt den Fruchtsaft der TK-Beeren auf und schafft so eine schöne Bindung. Die Früchte behalten ohne Kochen auch besser ihr frisch-säuerliches Aroma.
Genug Süße kommt von den Amarenakirschen, die zusätzlich noch ein rundes Mandelaroma mitbringen. Auch die Schoko-Joghurtcreme bringt Süße mit, die man selbst beim Löffeln dosieren kann. Ich mache immer noch ein bisschen mehr von der Creme, falls es jemandem nicht süß genug ist. Der bekommt dann einen Nachschlag.
Der Saft der Roten Bete trägt geschmacklich eigentlich wenig bei, aber er färbt die Creme passend zur Grütze.

Hier finden Sie weitere Rezepte aus der Serie "Mulacks neue Berliner Küche"
Teil 1: Königsberger Klopse
Teil 2: Blumenkohl polnisch
Teil 3: Hackepeter Deluxe
Teil 4: Senfeier mit marinierter Bete
Teil 5: vegetarische Soljanka
Teil 6: Hühnerfrikassee

Eher optisch aufgewertet wird sie auch durch die frischen Früchte, die untergehoben werden. Die Blüten und die Kresse obenauf kann man zwar weglassen, beides sieht aber nicht nur gut aus, sondern bringt auch ein zusätzliches, nach Sommer schmeckendes, ganz leicht scharfes Aroma mit. Der Gesamtgeschmack wird dadurch spannender.

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