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Mulacks neue Berliner Küche – die Rezeptkolumne: Erbsensuppe mit Flusskrebsen

Sie war Speise des Proletariats, Zille verewigte sie in seinem Kochbuch. Sie ist Ur-Berlinerin und hat sich eine zeitgemäße Überarbeitung verdient.

Von Kai Röger

Die Erbse ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Welt und es gibt wohl kein Volk, das nicht darauf gekommen wäre, aus ihr eine Suppe zu kochen. Trotzdem ist Erbsensuppe ein Ur-Berliner Klassiker: „Milljöh“-Chronist Heinrich Zille widmete ihr in seinem „Det kleene Zille-Kochbuch“ gleich mehrere Rezepte.

Bei "Aschinger" stärkten sich Arbeiter mit Erbsensuppe

Sie war die wichtigste Stärkung des neu entstandenen Industrieproletariats, das ab der Mitte des 19. Jahrhunderts nach Berlin strömte. Die Einwohnerzahl verdoppelte sich, Armutsquartiere und Mietskasernen prägten das neue Stadtbild. Die Brüder Carl und August Aschinger schufen ein Gastro-Imperium, das in seinen Glanzzeiten mehr als 30 Stehbierhallen und einfache Restaurants umfasste. „Aschinger“ stand für „Beste Qualität bei billigstem Preis“, das meist verkaufte Gericht war die Erbsensuppe. Ein paar Pfennige kostete sie, Nachschlag gab es, so viel man wollte und essen konnte. Ihren Geschmack erhielt sie von Schinken- oder Eisbeinknochen und Schweineschwarte, die einfach mitgekocht wurden.

Im "Max und Moritz" gab es kostenlos Erbsensuppe für die Armen

Auch ein anderes gastronomisches Urgestein ist mit der Erbsensuppe verbunden: Das „Max und Moritz“ eröffnete 1902 zum 70. Geburtstag von Wilhelm Busch in der Oranienstraße. Der Schriftsteller knüpfte seine Zustimmung zum Restaurantnamen an die Bedingung, dass jeden Donnerstag Erbsensuppe kostenlos an die Armen ausgegeben würde. Ständiger Gast im „Max und Moritz“ wurde der Dichter Heinrich Zille, der hier die Motive für seine Texte und Zeichnungen fand – und seine Rechnung oft mit Bildern bezahlte.

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Das alles hat natürlich nichts mehr mit der Erbsensuppe zu tun, wie sie zeitgemäße Köche zubereiten. Der wichtigste Unterschied: Sie verwenden nicht mehr Trockenerbsen, die lange einweichen müssen, sondern frische, grüne Erbsen. Sie galten schon am Hofe Ludwig XIV als Delikatesse und kamen wie so vieles mit den Hugenotten nach Preußen.

Urberlinisch dagegen scheint das Kassler zu sein, auch wenn es eine andere Stadt im Namen trägt. Der Legende nach ging Fleischermeister Cassel aus Weißensee im 19. Jahrhundert bei der Konservierung von Schweinefleisch auf Nummer sicher: Er pökelte und räucherte es – doppelt hält länger. Und Flusskrebse? Sie galten lange als eine Armenspeise, gab es bis ins 19. Jahrhundert hinein doch so viele, dass man sie entlang der Havel aus den Bäumen schütteln konnte.

Kristof Mulack modernisiert in der Kochkolumne Berliner Klassiker. Mehr über ihn: kristof.mulack.berlin und #kristof_mulack_official
Kristof Mulack modernisiert in der Kochkolumne Berliner Klassiker. Mehr über ihn: kristof.mulack.berlin und #kristof_mulack_official

© Florian Bolk

Der Berliner Koch Kristof Mulack liebte die Erbsensuppe seiner Oma wegen der Deftigkeit des Kasslers, fand Suppe aus getrockneten Erbsen aber immer „hässlich anzuschauen, obwohl sie lecker geschmeckt hat. Ich wollte die Erbsensuppe daher mal leicht und schön daherkommen lassen“.

Hier geht es zu Kristof Mulacks Neuinterpretation von Hühnerfrikassee

Dazu bedient er sich eines Tricks: Er verwendet Lebensmittelfarbe. Klingt nach Halloween-Buffet, ist in der gehobenen Gastronomie zwar verpönt, aber nicht unüblich, wie man in Bill Bufords Buch „Dreck“ nachlesen kann (Hanser 2020). Der amerikanische Autor hat vier Jahre lang in französischen Sterneküchen mitgekocht und verrät viele Geheimnisse. Lesenswert!
Hier finden Sie einige Texte, die Bill Buford für den "New Yorker" verfasste.

Das Rezept - Erbsensuppe mit Flusskrebsen

Zutaten (für vier Personen)
450 g TK-Erbsen
1 l Gemüsefond
200 g Kasslerkamm
2 El Weißer Balsamico
1/2 l Sahne
1 Bund Minze
1 Msp. grüne Lebensmittelfarbe
80 g Flusskrebsfleisch (TK oder nach Verfügbarkeit aus ca. 600g frischen Krebsen)
1/2 Bund Schnittlauch
3 El kaltgepresstes Rapsöl
Salz und Pfeffer

Zubereitung
Den Gemüsefond in einem Topf mit dem Kasslerkamm zum Kochen bringen. Temperatur reduzieren und ungefähr eine Stunde leicht köcheln lassen.
Den inzwischen zart gegarten Kasslerkamm herausnehmen und zur Seite legen.

Die tiefgekühlten Erbsen hinzugeben und kurz mitkochen. Minze grob hacken und zusammen mit der Sahne in den Topf geben.

Nun alles gut mit einem Stabmixer pürieren und anschließend durch ein Sieb passieren. Lebensmittelfarbe hinzufügen, damit die Erbsensuppe schön grün bleibt. Anschließend mit Salz, Pfeffer sowie dem Weißen Balsamico abschmecken.

Die Flusskrebse vier Minuten in gesalzenem Wasser kochen und dann in Eiswasser abschrecken. Die Schwänze ausbrechen und vom Panzer befreien. Den Schnittlauch feinhacken.

Auch beliebt: Gänse und Entenbraten! Aber wer will sie schon selbst zubereiten? Hier finden Sie die besten Adressen zum Abholen und Liefernlassen.

Nun den Kasslerkamm in kleine Stücke schneiden und mit den Flusskrebsschwänzen, mit Schnittlauch, Rapsöl und etwas Salz und Pfeffer vermengen. Kassler und Flusskrebse in die Mitte eines tiefen Tellers geben. Die Erbsensuppe mit dem Stabmixer noch einmal aufmixen, bis sie schäumt und dann in den tiefen Teller gießen.

Mein Tipp
Die Saison für Flusskrebse endet vermutlich bald, schon jetzt ist das Angebot klein, die Tiere bereiten sich auf den Winter vor. Wenn Sie tiefgefrorene Krebse verwenden, tauen Sie sie vorher auf und erwärmen sie sanft. Eine Brühe mit Dill eignet sich dafür hervorragend, aber bitte nicht übergaren.
Man kann die Krebsschwänze für die Suppe natürlich auch weglassen, sie sehen vor allem edel aus, geschmacklich regiert aber der Kasslerkamm.
Als Alternative könnte man auch Räucherfisch verwenden. Das passt sogar ganz gut zum Kassler, das ja auch leicht geräuchert wurde.

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