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Medien: Zwergpinguinchen-TV

Knut, Flocke & Pfleger: Die Doku-Soaps aus den Zoos ärgern die Tierschützer

Vor ein paar Tagen ging es „Paul“ an die Schwarte. So ein zwei Wochen altes Zwergflusspferd wäre in freier Wildbahn wahrscheinlich vom Krokodil gefressen worden. Dann hätte es seine Ruhe gehabt, aber daran war bei „Panda, Gorilla & Co“ im Vormittagsprogramm des RBB nicht zu denken. Zuerst kommt Paul auf die Waage, wo er, ans Herz eines Berliner Tierpflegers gedrückt, 13 Kilo wiegt. In der nächsten Szene fließt Blut, weil Tierarzt Andreas Ochs Paul gerade in den Hals gestochen hat („Wie gut die Haut durchblutet ist!“). Als Pfleger Uwe Fritzmann dem Tier dann über die Schwarte streicht, ist das nicht als Trost gedacht. Vielmehr soll die „körpereigene Fettcreme“ ins Bild gebracht werden – telegen als weißer Schaum. Paul schäumt am ganzen Körper, doch sein Pfleger meint: „Man kann an dir noch so viel herumreiben, aus dir wird kein Knut.“

Und das ist gut, würde der Deutsche Tierschutzbund sagen, der die Knuts überall hervorschießen sieht – unabhängig von Flocke, die dem Nürnberger Tierpark im ersten Quartal 2008 einen Besucherzuwachs von 22 Prozent bescherte. Verleitet durch den „Fall Knut“, sagt Wolfgang Apel, Präsident des Tierschutzbunds, stiegen auch andere Zoos in die Eisbärenzucht ein. Für den Tierschutz ein krasser Sündenfall, weil das nordpolare Großsäugetier einen Aktionsradius von vielen Kilometern brauche und wie „Elefant, Nashorn, Giraffe, Meeressäuger und andere Publikumsmagneten“ nicht zur Gefangenschaft tauge. Den Zoos gehe es bei der Tierartenauswahl „weniger um Tier- und Artenschutz oder Pädagogik“, meint Apel, „sondern eher um wirtschaftliche Interessen“.

Die nächste Klatsche fährt dann auf ARD und ZDF nieder. Deren Zoogeschichten gelten bei den Tierschützern als „einseitig positiv gestrickt“, denn sie „beschönigen die unnatürliche Situation und vermitteln den Eindruck, die Gefangenschaft sei ethisch unbedenklich“.

Dabei können einem beim Verfolgen der Zoo-Dokus durchaus Bedenken kommen. Was ein Tierpfleger in Berlin alles anstellen muss, um eine speckige Flusspferd-Mama zu ihrem Kind („Paul“) und in ein Wasserbecken zu bugsieren, ist fast beklemmend. Doch bevor einen die Schwermut packt, erschallt der Billy-Swan-Song „I can help“, und schon beginnt „Nashorn, Zebra & Co“ aus dem Tierpark Hellabrunn in München. Vor der Kamera agieren Tierpfleger, dank Fernsehen mit neuer Dienstkleidung und Autogrammkarten ausgestattet und laut Zoovorstand Walter Schmid sehr gut motiviert. Die Elefantenanlage ist 2007 vergrößert worden, bis 2009 soll die neue Anlage für die Eisbären stehen. Seinen Ärger darüber hat der Deutsche Tierschutzbund schon beim Anschaffen des neuen Eisbärenmädchens geäußert. Die Münchner scheren sich wenig drum und schauen mit einem Rekordergebnis im Rücken optimistisch in die Zukunft, genau wie ihre Nürnberger Kollegen. Dort soll im Jahr 2010 ein neues Delfinarium eröffnen – Meeressäuger hin, Tierschutz her.

So frei raus ist nicht jeder. Der Leipziger Zoo verweigert die Auskunft. Und die Präsidentin des Verbands Deutscher Zoodirektoren, Gisela von Hegel, gibt sich, gemessen an bayerischer Offenheit, eher „g’schamig“. Mit keiner Silbe erwähnt sie, was groß auf der Website des von ihr geleiteten Karlsruher Zoos steht – nämlich dass sie über „Europas modernste Eisbärenanlage“ und „Weltruf durch die seit Jahren erfolgreiche Eisbärenzucht“ verfügt. Während die Mitgliederzoos ihres Verbands 2007 die Besucherzahlen gemeinsam auf die Rekordmarke von über 42 Millionen brachten, soll Karlsruhe „konstant“ geblieben sein. Fragt sich, woran das liegt. „Unsere Tierpfleger müssen schaffen“, sagt von Hegel. Keiner darf die Mistgabel aus der Hand legen, um Star mit Autogrammkarten zu werden. Damit gibt es keine Doku-Soap auf dem Karlsruher Zoogelände, keine PR im Fernsehen und keine Extramotivation der Mitarbeiter. Vor die Kamera durfte in einer einmaligen Dokumentation nur der Tierarzt. „Wir schützen wirklich die Tiere“, sagt von Hegel nun als Verbandspräsidentin. Deutschlands Tierschützer schätzt sie für „den guten Job im Bereich der Nutztiere“, bezweifelt aber, „ob sie im Wildbereich die Möglichkeit der Urteilsfindung haben“.

Ganz andere Zweifel beschäftigen den Zuschauerforscher Stefan Geese von der Programmdirektion der ARD. Ob die Zoo-Dokus im Fernsehen das Geschäft der Tiergärten beeinflussen können, ist für ihn noch nicht geklärt. „Das Gesamtkunstwerk muss stimmen“, sagt Geese mit einem Seitenhieb aufs ZDF, dessen „Nürnberger Schnauzen“ er trotz Flocke „mäßige Ergebnisse“ zuerkennt. Dabei entspricht der Anstieg der Besucherzahl im Nürnberger Zoo genau dem vom Zoo Berlin 2007. Und da war noch Knut.

Rita Mohr

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