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Peng! Die bisherigen Nick-Tschiller-„Tatorte“ zeigten einen Til Schweiger, der lieber Waffen als Argumente sprechen lässt. Das soll sich ändern.

© NDR/Marion von der Mehden

Zur Zukunft der ARD: Programm für 61-Jährige

Was macht die ARD 2019/2020? Kontinuität und Retuschen an Til-Schweiger-„Tatort“ und „TV-Duell“

Auch die ARD muss erkennen, dass sie nicht in der besten aller Rundfunkwelten lebt und arbeitet. Programmdirektor Volker Herres schreibt im ARD-Programmbericht: „Der verfassungsmäßige Auftrag einer unabhhängigen, öffentlich-rechtlichen Grundversorgung wird zunehmend in Frage gestellt“, auch wenn das Erste bei der großen Mehrheit der Bevölkerung unverändert Vertrauen genieße.

Vertrauen, das grundsätzlich vorhanden ist und doch stets aufs Neue gewonnen werden muss. Sieht man die „Leitlinien 2019/2020“ durch, die in dem Programmbericht 2017/2018 inkludiert sind, wird das Erste in den kommenden beiden Jahren keine Programm-Revolution ausrufen ( die übrigens auch nicht öffentlich-rechtliche oder private Konkurrenz anstreben).

Das lineare Fernsehen setzt auf Kontinuität, was nicht zuletzt der Tatsache geschuldet ist, dass das Durchschnittsalter der Zuschauer des ersten Programms bei 61 Jahren angelangt ist. Dieses Publikum hat glasklare Erwartungen: „Tagesschau“ um 20 Uhr, „Tatort“ am Sonntag um 20 Uhr 15, „Anne Will“ am selben Tag um 21 Uhr 45.

Trotzdem, so steht es im Bericht, „ist die Verjüngung des Programms ein unverändert bestehendes Desiderat“. Es bleibt aber bei Einzelmaßnahmen, so soll sich das Eventprogramm „Play“ mit der Computersucht bei Jugendlichen beschäftigen. Das Erste wird in erster Linie für sein (älteres) Stammpublikum senden.

In den kommenden beiden Jahren wird es jeweils 45 neue Fälle aus den Reihen „Tatort“ und „Polizeiruf 110“ geben. Zum 50. Geburtstag der „Tatort“-Reihe im November 2020 ist ein zweiteiliger „Crossover-Krimi“ des Dortmunder und des Münchner Teams unter der Regie von Dominik Graf geplant. Immerhin, der Nick Tschiller des Til Schweiger bekommt einen Neustart verpasst. 2020 und damit nach längerer Pause soll der Hamburger Fahnder mit einem „neuen Konzept“ an den Start gehen.

Seit 2013 wurden fünf „Tatort“-Folgen mit Til Schweiger gezeigt. Die ersten Folgen erreichten überdurchschnittliche Quoten von bis zu 12,7 Millionen, mehr und mehr Zuschauer und Kritiker störten sich dann jedoch am hohen Gewalt-Anteil des horizontal erzählten Fortsetzungskrimis. Außerdem nahm das Zuschauerinteresse deutlich ab. Schweiger ist nicht schlecht beraten, seinen Tschiller nicht länger als Action-Fachverkäufer ins Quotenrennen zu schicken.

Bahnt sich da eine Götterdämmerung an?

Für die nächste Bundestagswahl will die ARD ein rein öffentlich-rechtliches „TV-Duell“ der Spitzenkandidaten im ersten und zweiten Programm ohne die kommerziellen Sender veranstalten. Ob die Parteien da mitspielen? Auch bei der journalistischen Besetzung denkt das Erste in neuen Bahnen: „Die Moderatorinnen und Moderatoren sollen eventuell nicht mehr zwingend aus den Talkshows rekrutiert werden.“ Bahnt sich da eine Götterdämmerung für Anne Will, Sandra Maischberger und Frank Plasberg an?

Apropos Talks: Die Gesprächssendungen sollen Konzepte entwickeln, „um sicherzustellen, dass die Themen und die Gästeauswahl weiterhin sachlich und nach journalistischen Kriterien erfolgen und die Agenda nicht durch populistische Kampagnen in sozialen Medien gesteuert wird.“ Mehr Frauen und neue Gesichter braucht dieses TV-Ökosystem zudem.

An der „Berliner Runde“ mit den Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten halten die Verantwortlichen fest, allerdings wird darüber nachgedacht, bei Wahlen von eher regionalem Interesse die bundespolitisch ausgerichtete „Berliner Runde“ ausfallen zu lassen.

Das Format „Deutschland, deine Künstler“ hat die ARD auslaufen lassen, dafür soll ein neues kulturelles Late-Night-Programm für 2019 entwickelt werden. Details wurden keine genannt.

Die ARD ist im Vergleich zum ZDF und anderen Programmanbietern am Nachmittag nicht sonderlich erfolgreich, von den Dauersoaps „Rote Rosen“ und „Sturm der Liebe“ mal abgesehen, von denen – seufz – für die kommenden Jahre weitere 400 Folgen geplant sind. Für den Sendeplatz um 16 Uhr 10 wird intensiv nach neuen Formaten und Wegen gesucht, um „dem Publikum beratungs- und alltagsnahe Inhalte in unterhaltender Form anzubieten“. Möglicherweise läuft es auf „Hallo Schatz!“ hinaus, wo vermeintlich wertlose Gegenstände neu aufbereitet werden – oder auf „Deutschland, deine Tierärzte“. Sensation, oder?

Die Programmpläne für 2019/2020 lesen sich wie ein „weiter so wie bisher“. Umso mehr muss herausstechen, wenn doch ein „neues Presenter-Format“ angekündigt wird. „Um aktueller und flexibel reagieren zu können, wird an einem monothematischen Magazin mit Reportage-Elementen gearbeitet, das sechsmal im Jahr programmiert werden soll“. Die Innovation hat keine Heimat im Ersten.

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