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Zum Tod von Herbert Feuerstein: Blödsinn war für ihn ein Akt des Widerstands

Der kleine Mann, der den durchdachten Anarchismus ins deutsche Fernsehen brachte: Zum Tod von Herbert Feuerstein.


Klavier, Cembalo und Komposition, das hätte es hauptberuflich bei Herbert Feuerstein auch sein können. Wer weiß, was Mitte der 1950er Jahre aus dem Studenten am Salzburger Mozarteum geworden wäre, wenn es nicht diese prägenden Jahre gegeben hätte.

Für Feuerstein war Blödsinn von Anfang an ein Akt des Widerstands. In seiner Jugend sei Nonsens ein probates Mittel gewesen, um sich gegen den Nazi-Vater und die hysterische Mutter zur Wehr zu setzten, so hat es der 1937 im österreichischen Zell am See geborene Entertainer später erzählt.

Es war dann wohl unvermeidlich, dass der angehende Konzertpianist 1958 vom Mozarteum flog, wegen eines Kalauer-Verrisses über eine Komposition des damaligen Festspielpräsidenten. Feuersteins Credo fortan: Blödeln auf Höchstniveau, zum Start 20 Jahre lang als deutscher Chefredakteur des US-Satiremagazins „MAD“ von 1971 bis 1992 – ein Versuch, „den Virus der Verarschung in die Köpfe junger Menschen zu pflanzen.“

Wer in den 1970ern auf den Schulhöfen cool sein wollte, las „MAD“. Genauso wie er Jahre später im Fernsehen das genial komische Duo Feuerstein und Harald Schmidt entdeckte. Ein später Karrierestart. Anfang der 1980er Jahre kommt Feuerstein als Gag-Autor zum WDR. Als er an der Seite von Harald Schmidt im Rateteam der Spielshow „Pssst ... " und der WDR-Sendung „Schmidteinander“ durchstartet, ist er über 50. Für diese TV-Zeit würde er sich selbst in die Hölle schicken, hat Feuerstein gesagt.

Trotzdem macht sie aus dem kleinen Mann mit Seitenscheitel und Kassengestell eine Kult-Figur. „Schmidteinander“ – der Charme lag nicht zuletzt im improvisierten Blödeln. „Feuerstein schrieb das Konzept und Schmidt ignorierte es“, fasste Feuerstein diese Arbeit zusammen.

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Es wird nicht viele Kollegen in Schmidts Karriere gegeben haben, die „Dirty Harry“ so widerständig entgegen traten. Heraus kam TV-Unterhaltung, wie es sie in Deutschland noch nie gegeben hatte. Das Erstaunliche an Feuersteins Biografie ist ja, dass er sich auf diesen Lorbeeren nie ausruhte, auch wenn’s schwer fiel.

Er wollte so vor seinem Tod „noch etwas von der Welt begriffen haben“

Kein Interview nach dem Ende von „Schmidteinander“ 1994, in dem Feuersteine nicht auf Schmidt angesprochen wird. Das nervte. Dabei funktionierte Feuerstein auch allein: in Talkshows, Märchenfilmen, als fanatischer Mutter-Beimer-Entführer Detlef Hase im Filmspecial zum Jubiläum der „Lindenstraße oder in zwölfstündigen „Feuerstein Nächten“, in denen der Entertainer in seiner Kölner Dachwohnung übers Leben räsoniert, mit Prominenten, die in einer nahegelegenen Telefonzelle stehen, über Gott und die Welt spricht – oder vor laufender Kamera einschläft.

Als „Rentner“ war es bei Feuerstein dann doch wieder mehr die Musik. Für WDR 3 präsentierte der begeisterte Orgelspieler Ende der 90er Jahre Klassik-Sendungen im Hörfunk, machte Live-Präsentationen mit dem Rundfunkorchester und gab zwischen 2003 und 2008 an der Oper Köln 75 Mal den Gefängniswärter Frosch in der Operette „Fledermaus“. Und er entdeckte das Unterwegssein, in „Feuersteins Reisen“. Er wollte so vor seinem Tod „noch etwas von der Welt begriffen haben“.

2016 besuchte der SWR Feuerstein, der in dritter Ehe mit der Redakteurin Grit Bergmann verheiratet war, in seinem Haus bei Köln. Der damals 79-Jährige spricht über seinen Tod, natürlich nicht, ohne darüber Witze zu machen. Er habe die Nachrufe auf sich selbst schon für den WDR vorbereitet. Diese konnte sein Sender nun am späten Mittwoch Abend im Fernsehen und Hörfunk ausstrahlen („Herr Feuerstein schreibt seinen Nachruf. Und lebt noch 2091 Tage“).

Der Autor, Entertainer und Kabarettist Herbert Feuerstein, der das deutsche Unterhaltungsfernsehen um anarchischen Humor bereicherte, ist im Alter von 83 Jahren in Erftstadt gestorben.

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