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Alle Sender in einer Mediathek – für die ARD ist dieses Ziel bereits in Sichtweite. Kommt danach die Super-Mediathek von ARD und ZDF?

© Stefan Krausse/ARD

Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Keine Angst vor der gemeinsamen Mediathek

NDR-Programmdirektor Frank Beckmann will die noch bestehenden Bedenken des ZDF in puncto gemeinsamer Mediathek zerstreuen. Eine Position.

Gute Nachrichten sind selten und verdienen daher eine außergewöhnliche Würdigung. Am 23. August hat Eckart Gaddum vom ZDF im Tagesspiegel eine engere Kooperation der Mediatheken von ARD und ZDF beschrieben. Ein klangvoller Ton, der öffentlich aus der zuständigen Abteilung erschallt. Und doch, bei aller Übereinstimmung über den grundsätzlich richtigen Weg – wir könnten noch schneller und noch besser im Sinne der Beitragszahlenden werden.

Viele Argumente von Eckart Gaddum sind richtig: Die Kolleginnen und Kollegen vom Lerchenberg sind beim Blick auf die Quoten in der Tat Klassenprimus im linearen Fernsehprogramm. Quote sind Zuschauer*innen. Wer die meisten Menschen mit einem guten, abwechslungsreichen Programm an sich binden kann, hat vieles richtig gemacht. Respekt! Aber auch die ARD muss sich nicht verstecken, gehören doch der ARD im linearen Fernsehen, mit dem Ersten und den Dritten, Platz zwei und drei. Darüber hinaus erzielen wir im Medienverbund mit unseren Hörfunkwellen eine Breitenwirkung, bei der ein erster Platz im linearen Fernsehen zwar unseren sportlichen Ehrgeiz entfacht, er strategisch aber nicht zwingend ist.

Mehr als sportlicher Ehrgeiz

Es geht aber nicht um sportlichen Ehrgeiz, es geht um mehr. Eckart Gaddum hat das erkannt. Schon vor vier Jahren hat der NDR dem ZDF vorgeschlagen, eine gemeinsame Mediathek voranzutreiben. Damals war die Zeit noch nicht reif. Das Kartellamt hatte zuvor schon einer gemeinsamen kommerziellen Plattform von öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern die kalte Schulter gezeigt – sehr zur Freude der US-amerikanischen Streaming-Dienste, die inzwischen weitgehend ungebremst in Deutschland den Markt beherrschen.

Die Argumente für eine gemeinsame öffentlich-rechtliche Mediathek waren schon damals erkennbar, und sie gewinnen seitdem Tag für Tag an Zugkraft. Wenn ARD und ZDF eng zusammenarbeiten, profitieren die Nutzerinnen und Nutzer. Was also soll uns daran hindern? Welche Strategie kann so wichtig sein, dass wir unseren Beitragszahlenden nicht den bestmöglichen Service liefern sollten?

Stört es einen Senderverantwortlichen wirklich, wenn eine Zuschauerin/ein Zuschauer neben der exzellenten „heute show“ auch das großartige „extra 3“ in einem öffentlich-rechtlichen Angebot findet? Auf Youtube sind diese Angebote ohnehin längst verzahnt. Was wäre schlimm daran, wenn „Babylon Berlin“ und danach „Bad Banks“ in ein und derselben Mediathek nebeneinander zu finden wären? Wie komfortabel wäre es, wenn herausragende ARD- und ZDF-Reportagen und Natur-Dokumentationen wie „Terra X“ und „Erlebnis Erde“ nur einen Klick weit auseinander lägen! Die Vorsitzende des ZDF-Verwaltungsrates, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, sieht das genauso. Wir können doch nicht die Größe der weltweiten Streamingdienste beklagen und uns gleichzeitig klein machen, halbieren, vierteln oder gar atomisieren. Wir könnten, und darauf hat Eckart Gaddum mit Recht hingewiesen, alle Mediatheken in einer verbinden. Arte, 3sat, ZDFneo, One – was für ein Programmschatz. Wir können ihn gemeinsam heben.

Keine Angst vor der Supermediathek

Wir müssen nicht eine „Supermediathek“ fürchten, wie Eckart Gaddum. Wir müssen sie wollen. Jedes Argument der Medienforschung für die Vorzüge einer trennenden Lösung ist nur eine Momentaufnahme, die die rasante Streaming-Entwicklung nur unzureichend erfasst. Macht es wirklich Sinn, in Zeiten von Big Data irgendetwas zu separieren? Wie viele Apps soll ich gleich downloaden, um das ganze öffentlich-rechtliche Angebot zu nutzen? Also, lieber Herr Gaddum, kein Netz mit weiten Maschen und losen Enden – eine nutzerfreundliche, attraktive gemeinsame Plattform sollte das Ziel sein.

Die ARD macht übrigens mit ihrer Mediathek genau das! Alle Sender der ARD auf einer Mediathek. Es geht also. Keine Eigenentwicklungen einzelner Landesrundfunkanstalten mehr. Das ist besser für den/die Nutzer/in und spart zudem auch noch Geld, weil nicht alle alles selbst entwickeln. So wird die eigene Mediathek des NDR bald der Vergangenheit angehören, der NDR wird zur Eingangstür für das gesamte Angebot der ARD. Alle NDR-Angebote bleiben auffindbar. Der RBB und der SWR haben für ihre Mediatheken den Weg bereits vollzogen.

Frank Beckmann ist Programmdirektor Fernsehen beim NDR.
Frank Beckmann ist Programmdirektor Fernsehen beim NDR.

© NDR/Christian Spielmann

Ist das also wirklich so utopisch – eine gemeinsame öffentlich-rechtliche Mediathek? Nein. Es ist schon längst Realität. Beim gemeinsamen Kinderprogramm KiKA sind unsere Inhalte bereits vereint, bei funk, dem Jugendangebot, ebenso. Wenn ich beide öffentlich-rechtlichen Mediatheken auf einer Plattform erleben möchte, muss ich zur Telekom. Magenta TV bietet das bereits. Das ist eigentlich absurd. Die Nutzerinnen und Nutzer reiben sich zu Recht verwundert die Augen und suchen vergeblich eine Strategie dahinter. Bei Apple TV bekommen sie das ZDF-Mediatheks-Angebot. Muss die ARD für eine gemeinsame öffentlich-rechtliche Mediathek erst Partner von Apple werden? Sind das nicht dieselben, die derzeit ein weltweites Konkurrenzangebot als Streamingdienst aufbauen wollen?

Mit Sieben-Meilen-Stiefeln

Und ja, man kann Schwächen bei der aktuellen ARD-Mediathek beklagen – noch. Denn die Kolleginnen und Kollegen beim SWR sind inzwischen mit Sieben-Meilen-Stiefeln unterwegs. Ich bin sicher, dass auch Kai Gniffke, der neue Intendant des SWR, die digitale Entwicklung vorantreiben wird. Als Chef von ARD-aktuell hat er die „Tagesschau“ zu einer zentralen Nachrichtenmarke auf allen Ausspielwegen in Deutschland umgebaut.

ARD und ZDF können selbstbewusst sein. Wir haben in der Summe die besten Informationsprogramme, sind mit den Unterhaltungsangeboten erfolgreich und spiegeln mit unseren Serien und Filmen die europäische Realität. Wir sind im linearen Fernsehen beide so erfolgreich wie selten zuvor.

Wir haben aber noch offene Flanken, die von disruptiv agierenden Konzernen aus den USA als Einfallstor genutzt werden. Beim seriellen Erzählen verstellt der lineare Erfolg den Blick auf den Mangel an Genres. Wo sind der Actionfilm, die Mystery-Serie, der Science-Fiction-Film, der Western oder gar der Grusel-Film geblieben? Wir haben viel zu bieten, aber eben auch noch Aufgaben vor uns.

Diese Aufgabe gemeinsam als Partner zu lösen, ist halb so schwer, wie es alleine oder gar in Konkurrenz zu versuchen. Am Ende müssen wir zusammen jeden Tag die Beitragszahlenden davon überzeugen, dass wir unser Geld wert sind. Also, lieber Eckart Gaddum, lassen Sie uns loslegen. Der nächste Relaunch der Mediatheken sollte ein gemeinsamer sein. Das spart Geld und ist besser als nur „gut“! Wir sind bereit!

Frank Beckmann ist Programmdirektor des NDR-Fernsehens.

Bisherige Beiträge in der Reihe „Die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks": Patricia Schlesinger (15. April 2018), Hans Demmel (25. April), Christoph Palmer (7. Mai), Rainer Robra (11. Mai), Norbert Schneider (21. Mai), Tabea Rößner (25. Mai), Thomas Bellut (10. Juni), Frauke Gerlach (22. Juni), Ulrich Wilhelm (5. August), Heike Raab (2. September), Hans-Günter Henneke (15. September), Christine Horz (20. Januar 2019), Siegfried Schneider (20. Februar), Ronald Gläser (3. März), Christian Bergmann (20. April), Doris Achelwilm (14. Mai), Tilmann Eing/Stefan Pannen (16. Juni), Thomas Dittrich (10. Juli), Malu Dreyer (21. Juli), Eckart Gaddum (23. August), Stephan Russ-Mohl (7. September),

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