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Interessanter Ansatz: Der SWR-"Tatort: Der Mann, der lügt" wird aus der Sicht des Täters erzählt. Im Bild Manuel Rubey als Jakob Gregorowicz.

© SWR/Alexander Kluge

Zehn Jahre Lannert und Bootz: In diesem „Tatort“ sind die Kommissare Nebenfiguren

Der neue "Tatort" aus Stuttgart mit Richy Müller und Felix Klare wird aus der Sicht des Täters erzählt. Das ist durchaus mutig.

Während anderswo zuletzt vermeintliche Vampire und künstliche Intelligenzen ihr Unwesen getrieben haben, hat dieser „Tatort“ aus Stuttgart eine klassische Krimihandlung: Nach der Ermordung eines Anlageberaters sucht die Polizei den oder die Täter im Kreis seiner Kunden, denn der Mann hat einige Menschen um viel Geld gebracht. Es dauert allerdings eine Weile, bis Martin Eigler (auch Regie) und Sönke Lars Neuwöhner preisgeben, worum’s wirklich geht. Die beiden Autoren mögen zwar eine gewöhnliche Geschichte erzählen, aber sie tun das auf unkonventionelle Weise: Zentrale Figuren sind nicht die Ermittler Lannert und Bootz (Richy Müller, Felix Klare), sondern die Titelfigur, „Der Mann, der lügt“.

Dass sich ein Krimi aus Sicht des Täters ereignet, ist im „Tatort“ mittlerweile zwar selten, aber nicht ungewöhnlich. Eigler und Neuwöhner wählen jedoch einen anderen Ansatz: Jakob Gregorowicz (Manuel Rubey) führt das Leben eines unbescholtenen Bürgers. Als ihn eines Morgens die Kriminalpolizei an seinem Arbeitsplatz erwartet, scheint es sich um reine Routine zu handeln, denn sein Name stand im Kalender des Opfers; offenbar waren die beiden zur Tatzeit miteinander verabredet. Gregorowicz versichert jedoch, er habe den Mann seit zwei Jahren nicht gesehen, und das ist nur die erste von vielen Unwahrheiten, die am Ende einen Sumpf ergeben, in dem sein komplettes Dasein versinkt.

Keine völlig neue Erzählweise, aber dennoch atypisch

Es wäre etwas übertrieben, „Der Mann, der lügt“ für eine völlig neue Erzählweise zu loben, aber es ist mehr als atypisch, das Stamm-Ensemble zu Nebenfiguren zu degradieren. Die beiden Kommissare werden ausschließlich so geschildert, wie der sich in immer größere Widersprüche verwickelnde Verdächtige sie erlebt. Das ist auch deshalb mutig, weil der Österreicher Manuel Rubey hierzulande nicht zur ersten Riege der üblichen TV-Stars gehört.

Bildgestalterisch fällt der 22. Fall für Lannert und Bootz, mit dem der SWR das Zehnjährige des Duos Müller/Klare begeht, zwar nicht weiter aus dem Rahmen, aber es gibt dennoch immer wieder Details, die belegen, wie sorgfältig Buch und Regie den Film durchdacht haben, etwa Gregorowiczs Wahrnehmungsbeeinträchtigungen (Kamera: Andreas Schäfauer); ein simpler, aber wirkungsvoller Hinweis auf den immer stärker werdenden Druck. Hinzu kommen regelmäßige optisch verfremdete und mit dissonanter Musik unterlegte gewalthaltige Szenen, bei denen offen bleibt, ob es sich um Visionen, Albträume oder Erinnerungen handelt.

Mindestens so faszinierend wie diese Erzählweise ist es jedoch, Lannert und Bootz mal ganz anders zu erleben: Für den Verdächtigen sind sie natürlich Fremde, die zu Feinden werden, weil ihre bohrenden Fragen dafür sorgen, dass sich die Schlinge um seinen Hals immer enger zieht. Eigler und Neuwöhner präsentieren die Polizisten daher frei von allen persönlichen Details: Es gibt keine Frotzeleien oder andere private Momente; die beiden werden als korrekte, sogar etwas steife und daher undurchschaubare Beamte präsentiert. Auch wenn das Ende eher ein Auslaufen als ein dramatisches Finale ist: Mit „Der Mann, der lügt“ setzt der SWR eine bemerkenswerte Serie von thematisch und erzählerisch immer wieder überraschenden Krimis fort.

„Der Mann, der lügt“, ARD, Sonntag um 20 Uhr 15

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