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Drei gegen eine Terrorzelle: Referatsleiter Matthias Frings (Fabian Siegismund, links), Mechthild Dombrowski (Gudrun Landgrebe) und Paul Horner (Uke Bosse).

© ZDF und Joscha Seehausen

ZDF-Produktion "In bester Verfassung": Hass, Hetze, Terror, all so was

„In bester Verfassung“ will eine bissig-böse Politsatire sein. Ist aber nur böse billig. Nur Gudrun Landgrebe überzeugt

Es gibt Fernsehen zum Hinschauen, es gibt Fernsehen zum Wegschauen. Und dazwischen ganz viel Fernsehen mit Argumenten zum Hin- und zum Wegschauen. „In bester Verfassung“ ist von dieser Gewichtsklasse.Entstanden ist die Serie im TV-Labor Quantum der ZDF-Nachwuchsredaktion Das kleine Fernsehspiel, dort, wo die 2017 mit dem International Emmy Award prämierte „Familie Bauer“ gefertigt wurde. Beide Produktionen sind gleichermaßen Web- und TV-Formate, „In bester Verfassung“ lässt sich also in acht Teilen auf Youtube und in der ZDF-Mediathek oder über komplette 64 Minuten im ZDF-Programm konsumieren.

Die eine wie die andere Darreichungsform ändert nichts an der Darreichungsqualität. Die Autoren Fabian Siegismund, Martin Brindöpke und Joseph Bolz (führt auch Regie) haben sich auf „eine bissig-böse Politsatire“ verschworen, die zeigen soll, „wie schnell Rassismus und Medienhysterie entstehen und Populismus befeuern“. Steht so auf der Pressemappe.

In Niederlützel wurde einer unbedeutenden RAF-Historie wegen eine Dienststelle des Verfassungsschutzes eingerichtet. Das ist lange her, aber Mechtild Dombrowski (Gudrun Landgrebe) und Paul Horner (Uke Bosse) haben sich im NRW-Kaff frei von jeder Ambition eingerichtet. Um zwei Uhr ist Dienstschluss.

Versetzung nach Rostock droht

Da beschließt die Zentrale, den Standort zu schließen. Sie schickt Referatsleiter Matthias Frings (Fabian Siegismund) nach Niederlützel, um den Beamten die Nachricht zu überbringen, dass sie nach Rostock versetzt werden. Dombrowski gerät in Wallung, wenige Jahre vor der Pensionierung will sie auf keinen Fall nach „Fucking Rostock“, Horner hat am Ort gerade ein Haus gebaut. Außerdem: Was soll er seiner Frau sagen?

Rostock muss um jeden Preis verhindert werden, also inszenieren sie ein islamistisches Terrorvideo. Aber reicht das aus, um die Verfassungsschutzzentrale zu alarmieren? Der nächste Schritt ist ein Terrorakt. Aber nicht der Herr Jesus am Kreuz fliegt in die Luft, sondern die Biogasanlage von Bauer Dietmar Senkfuß (Frank Schneider), weil eines seiner Schweine die Bombe gefressen hatte und dann in die Anlage gerannt war. Bumms.

Jetzt ist die Aufregung groß in Niederlützel. Der türkische Imbissbudenbesitzer Akbulut (Tayfun Baydar), bisher ein absoluter Sympathieträger, gerät unter Verdacht. Die Stimmung wird alarmistisch. Bürgermeister Rösgen-Schmidt (Oliver Kleinfeld) hält Reden, die seinem hitleresken Seitenscheitel gerecht werden. Schweinbauer Senkfuß geht populistisch steil: „Wollt ihr euch eure Kultur verbieten lassen? Kauft Schweine für die Freiheit! Wer keine Schweine kauft, ist Islamist.“ Akbulut wird vermöbelt, sein Laden verwüstet, die Medien sind aufgetaucht und berichten hysterisch vom fehlgeleiteten Mob.

Und dann taucht ein neues Terrorvideo auf. Die drei Verfassungsschützer sind gefordert wie nie zuvor.

"Heil Hitler", brüllt die Oma

Es geht alles sehr schnell und problemlos in der Serie. Der Bürgermeister wechselt blitzeschnell zwischen Populismus und Toleranz, Dörfler, die den Dönerbudenbesitzer gerade noch attackiert haben, bieten ihm jetzt einen Stuhl an, die debile Rollstuhl-Oma, die permanent „Heil Hitler“ brüllt, ist aus dem Bild gerollt.

Weil als Transportmittel die Satire gewählt wurde, pumpen Drehbuch, Regisseur Bolz und das Ensemble die Figuren mächtig auf. Bis zur Darstellungsgröße der Karikatur geht das, aber in der schieren Kenntlichmachung gehen der Witz und jeder Schrecken blank. Führt Slapstick automatisch zur Entlarvung, tragen Sketche unweigerlich auf Aufklärung bei? Komplexität muss sehr präzise reduziert werden, wenn die Reduktion Themen und Typen nicht nur simplifizieren will. „In bester Verfassung“ liefert Bestätigungsklamauk für die Wohlmeinenden, die immer schon wussten, dass in der Provinz der fremdenfeindliche Spießer regiert.

Das Ensemble gibt bis zum Äußersten, was es am Wenigsten zu geben hat. Allein Gudrun Landgrebe geht als Verfassungsschützerin Dombrowski mit Eigensinn, Egoismus und mit großer Souveränität durch die Niederlützeler Kulisse. Sie hält ihre Figur fern vom Pappmaché und damit im Spektrum der Glaubwürdigkeit. Nicht, dass Dombrowski ehrgeizige Züge von Menschlichkeit oder Menschenfreundlichkeit hätte, sie will schlicht ihre Ruhe. Ohne ironische Aufladung, mit Durchblick, frei von Unfug-Attitüde – so spielt der Profi Gudrun Landgrebe. Fernsehen zum Hinschauen.

„In bester Verfassung“, ZDF, Montag, 23 Uhr 55

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