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Goldener Coroni. Jan Böhmermann nahm sich den Gründer der Querdenker-Bewegung, Michael Ballweg, vor.

© Tsp

„ZDF Magazin Royale“: Jan Böhmermann ist der Herr der Dinge

Ist das noch Satire? Polit-Magazin? Beides? Jan Böhmermanns „ZDF Magazin Royale“ hat nach dem Relaunch neue Maßstäbe gesetzt.

Michael Ballweg spricht einfach alles an. Die Themen „Fernsehen, Polizei, Maske, Oktoberfest, Zensur, die Pandemie, Angst, Grundgesetz, Regierungsansprache, Freiheit, Disco“, so Ballweg auf einer Demo, zu sehen am Freitag im „ZDF Magazin Royale“. Jan Böhmermann, der den Kopf der Querdenker in seiner letzten Satireshow 2020 aufgrund dessen – vorsichtig ausgedrückt – erstaunlichen Geschäftstüchtigkeit zum „Corona-Unternehmer des Jahres“ machte, spricht auch alles an.

Wirecard-Skandal, Seltsamkeiten bei Online-Glücksspielen in Deutschland, Rechte bei der Polizei, Raubkunst im Berliner Humboldt Forum, nun die offenbar dubiosen Praktiken bei der Finanzierung der Querdenker-Bewegung um Ballweg. Böhmermann hat sich, so scheint es, mit dem relaunchten „Magazin Royale“ seit dem Start Anfang November viel vorgenommen.

Was hat sich geändert, vor allem: verbessert? Wie ernst ist das „ZDF Magazin Royale“ journalistisch zu nehmen? Und: Wie systemrelevant ist es, oder will es werden? Es gab und gibt ja immer dieses gewisse Unbehagen über die neue Rolle, die Satiresendungen wie die „heute-show, aber auch das „ZDF Magazin Royale“ vor allem beim jungen Publikum spielen – in Absetzung zu herkömmlichen Informationssendungen („heute-journal“) des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.

Gerade erst wieder lästerte die „Süddeutsche Zeitung“, ein beträchtlicher Teil des deutschen Fernsehpublikums halte die „heute-show“ allen Ernstes für ein investigatives Magazin.

Böhmermann und sein Team kamen in diesem Text über den „Trend zum Kabarett-Clown im unterhaltungssüchtigen Fernsehen“ (mag das Thema noch so ernst sein) auch vor. Die ZDF-Premiere des „Magazin Royale“ zum Thema „Verschwörung“ hätte „die ganz große Orgel der satirischen Überspitzung getreten. Am Ende hätte man nicht mehr genau gewusst, ob Böhmermann die Aluhüte wirklich bescheuert finde, oder ob er sie für einen natürlichen Teil des gesellschaftlichen Gesamtwahnsinns hält.

„Wer dann noch den Querdenkern glaubt, dem ist nicht mehr zu helfen.“

Mag sein, dass das neue „Magazin Royale“ sich da anfangs noch einpendeln musste. Komiker seien an die Stelle der Analytiker gerückt, so die „SZ“-These. Auf Böhmermanns Show trifft das nicht zu.

Viel mehr investigative Recherche als bei seiner Geschichte zum Geldverdienen mit den Corona-Leugnern – mit der Basis eines Webshop und der Bitte um „Schenkungen“– geht nicht, was auch an der Zusammenarbeit mit netzpolitik.org (oder beim Thema Wirecard mit dem „Handelsblatt“) liegt. Das kommt an, hat starken Resonanzboden. Tenor bei Facebook: „Wer dann noch den Querdenkern glaubt, dem ist nicht mehr zu helfen.“

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„Wir haben schon länger über Querdenken recherchiert und im Sommer und Herbst Recherchen veröffentlicht“, sagt Markus Beckedahl, Chefredakteur von netzpolitik.org. „Die Redaktion von ,ZDF Magazin Royale’ hatte uns angefragt, ob wir uns generell eine journalistische Kooperation vorstellen können. Wir haben Ballweg als Thema vorgeschlagen, weil wir das noch vertiefen wollten.“

Böhmermanns Sendung, so Beckedahl, mag unter Satire laufen, aber im Hintergrund arbeiten gute JournalistInnen wie die Redaktionsleiterin Hanna Herbst. Das merke man an vielen Stücken, vor allem auch in der neuen Staffel.

„Da werden gesellschaftspolitische Debatten gut mit einem Standpunkt zusammengefasst und auf den Punkt gebracht.“ Die Reaktionen im Netz seien enorm. Das schaffe keine klassische öffentlich-rechtliche Politiksendung.

Ein Imagegewinn für Böhmermann und ZDF, auch in der Quote. Das neue „Magazin Royale“ kam in den ersten sieben Ausgaben auf 2,78 Millionen Zuschauer (14 Prozent Marktanteil). In der Mediathek dürften Hunderttausend dazu gekommen sein. Fragt sich bloß, ob „Frontal 21“ & Co., Stichwort Deutungshoheit, in den Schatten treten.

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