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Irene Gaup (Caroline Peters, l.) und ihre neue Kollegin Julia Jungklausen (Natalia Belitski) haben einige Hürden zu überwinden, ehe sie ein Team werden.

© ZDF und JULIA TERJUNG

ZDF-Krimi mit Caroline Peters: Jenseits vom Zickenkrieg

Der ZDF-Krimi „Kolleginnen“ ist ein Fest der Klischees, bis Caroline Peters und Natalia Belitski etwas Besonderes daraus machen.

Den berüchtigten Bechdel-Test zur Gleichberechtigung von Frauen in Film und Fernsehen bestehen deutsche Krimis längst locker. In den Kommissariaten arbeiten schließlich derart viele Polizistinnen, dass sie naturgemäß auch mal miteinander reden – und bisweilen geht es dabei sogar um etwas anderes als Männer. So oft, wie zwei „Kolleginnen“ der gleichnamigen ZDF-Reihe über ein und denselben Kerl quatschen, könnten sie daher altmodisch, fast konservativ sein – hätten Irene Gaup (Caroline Peters) und Julia Jungklausen (Natalia Belitski) nicht allen Grund fürs ständige Dialogthema Hans Gaup (Götz Schubert).

Der Staatsanwalt ist nach seiner Trennung von Ersterer nämlich seit Kurzem mit Letzterer liiert. Darüber hinaus jedoch arbeiten alle drei nicht nur im selben Berliner Polizeibezirk, die zwei Nebenbuhlerinnen tun es auch noch am gemeinsamen Debütfall namens „Das böse Kind“. Und wie die sachorientierte Julia am Fundort eines toten Teenagers unweit einer brandenburgischen Öko-Kommune der impulsiven Irene begegnet, liegt schon ohne Kenntnis ihrer emotionalen Verbindung zu Hans gleich mal Streit in der Luft („Kolleginnen“, ZDF, am Samstag um 20 Uhr 15).

„Hier stimmt ganz eindeutig was nicht“, sagt Kommissarin Jungklausen, im Designermantel an ihr schickes Konsumgören-Auto gelehnt, während beide auf dem Biobauernhof einer verdächtigen Selbstversorger-Gemeinde ermitteln. „Weil die Menschen hier so'n anderen Lebensentwurf haben …“, kommentiert Kollegin Gaup die Aussage und erntet den schnodderigen Vorwurf: „Versuchen Sie jetzt gerade, mich als intolerant hinzustellen?“ Kein allzu gelungener Start ins künftige Teamwork einer Reihe, die wie fast alle Samstagabendkrimis im Zweiten auf bipolare Langlebigkeit zugeschrieben sind.

Auch danach scheinen die stilistisch wie habituell höchst unterschiedlichen „Kolleginnen“ schließlich eher gegen- als füreinander zu arbeiten. Vorerst zumindest. Denn kurz nach dem gegenseitigen Abtasten ihrer Protagonistinnen probiert Drehbuchautorin Anette Simon ein ungewöhnliches Rezept fürs deutsche Krimi-Allerlei unvereinbarer Charaktere im beruflichen Doppel aus.

Robuster Kumpeltyp mit Herz und Schnauze

Weil sich Hans und Irene einvernehmlich getrennt haben, die Neue also gar keine Nebenbuhlerin ist, mag es einige Anlaufprobleme geben; spätestens als sie sich bei Flaschenbier (Gaup) und Energydrink (Jungklausen) über ihre schwierigen Mütter austauschen, ist der drohende Zickenkrieg auch schon wieder beendet.

Bechdel-Test bestanden, könnte man meinen. Womöglich auch, weil die Verantwortlichen von den Hauptfiguren über Schnitt und Produktion bis hin zu Vanessa Jopps Regie maximal weiblich sind.

Alle Diversität aber ändert nichts daran, dass die Auftaktfolge zum dramaturgischen Desaster gerät. Der Mord mit Bezügen zum Fall einer vermissten Teenage-Mutter nebst Säugling, die das Waisenkind Irene seinerzeit vergeblich gesucht und damit ihr eigenes Trauma wiederbelebt hatte, wird so plump mit einer abgespeckten Natascha-Kampusch-Story im linken Querdenker-Milieu angedickt, dass man mit jeder der 90 Minuten häufiger denkt: Geht’s nicht ein bisschen kleiner?

Geht es nicht, leider.

Das Gute jedoch: An der Seite von Götz Schuberts Hans Gaup erden beide Hauptdarstellerinnen das Klischeefeuerwerk artifizieller Filmfiguren vom Schamanen mit Friedensfimmel (Marek Harloff) über die Kommunendomina mit Greta-Thunberg-Blick (Karoline Eichhorn) bis zum Psychiater mit Profilneurose (Helmut Mooshammer) nachhaltig.

Als robuster Kumpeltyp mit Herz und Schnauze exportiert Caroline Peters' Irene das Augenzwinkern aus „Mord mit Aussicht“ virtuos nach Berlin, wo Natalia Belitskis eleganter Kontrollfreak Julia zwar ein wenig zu anämisch, aber glaubhaft um Distanz bemüht ist.

So konstruiert saftig das moderne Märchen einer bildschönen Nachwuchskommissarin ist, die sich in einen nahezu doppelt so alten Mann verliebt und sodann auch noch mit seiner Ex ermittelt, so großartig füllen es diese zwei Schauspielerinnen mit einer Work-Life-Balance jenseits dämlicher Stereotype von Frauen, die nur im Verhältnis zur eigenen Geschlechterrolle erzählenswert sind.

So blödsinnig ihr erster Mord also mit Krimibausatz-Indizien wie verräterischem Schmuck am Opferhals zur Aufklärung gerät, so klug flankieren sie Belitski, Peters und Schubert mit Geschichten vom merkwürdigen Verhalten paarungsfähiger Großstädter im Jahr 2022. Sollte der zweite Fall ein Drehbuch überm Niveau einer drolligen ARD-Vorabendserie kriegen, könnte aus den „Freundinnen“ also wirklich was werden.

Jan Freitag

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