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Von innen gefährdet.  Ylena (Laurian Callebaut, M.) und Zoë (Violet Braeckman, r.) lesen auf ihrem Weg in Lisas Tagebuch. Michiel (Boris Van Severen, l.) filmt die beiden Frauen dabei, um daraus eine Dokumentation zu produzieren.

© ZDF und Sofie Gheysens

ZDF-Krimi: Die Tücken der Erinnerung

Das Leben kann nur rückwärts verstanden, aber muss vorwärts bewältigt werden: die ZDF-Serie „Missing Lisa“.

Wenn Deine beste Freundin verschwunden ist, was machst Du dann? Zumal, wenn Lisa (Indra Cauwels) damals, vor fünf Jahren, spurlos verschwand. Kein Abschiedsbrief, keine Hinweise auf ein Verbrechen, dass Lisa auf dem Fernwanderweg GR 5, der von Rotterdam nach Nizza führt, entführt, gar ermordet worden ist. Nur ihr Reisetagebuch wurde später gefunden. „Missing Lisa“: Ihre besten Freunde beschließen, den Weg nachzugehen, den Lisa gegangen ist. Eine Wanderung in memoriam, zugleich, und so geht die Hoffnung, auch ein Weg, mehr über das Verschwinden der jungen Frau zu erfahren.

Ihre besten Freunde, das sind der Dokumentarfilmer Michiel ( Boris Van Severen), der mit der Vermissten ein tiefes Geheimnis teilt, über das er nicht hinwegkommt. Zoe (Violet Braeckman) arbeitet als Model, sie war Lisas beste Freundin, nichts konnte sie trennen, und dass Zoe Lisa damals bei der Wanderung nicht begleiten konnte, lag nur an Zoes verletztem Knie.

Ylena (Laurian Callebaut) ist mit Bart (Michai Geyzen) verheiratet, in ihrer Ehe kriselt es ständig. Ylena ist seit einer Krankheit gehörlos, die Ärzte haben ihr jegliche Aktivität verboten – was sie von der Wanderung aber nicht abhalten wird.

Das Trio erweitert sich rasch zum Quintett. Lisas Vater Piet (Lucas Van den Eynde) schließt sich der Gruppe an, später stößt noch Asim (Said Boumazoughe) dazu. Er ist nicht bei allen beliebt, schließlich hatte er Lisa das Herz gebrochen. Und dann hat der zurückgekehrte Syrienkämpfer jede Menge Geheimnisse. Mit Piet und Asim kommt zusätzliche Spannung in die Gruppe, schließlich war es Lisas Vater, der deren Verbindung mit Asim erfolgreich hintertrieben hatte.

Überhaupt ist das der Napf, aus dem die achtteilige Serie ihren Honig zieht. Die Wandergruppe ist in ihren Zielen – was ist mit Lisa geschehen? – nur scheinbar homogen. Erfahrungen und Erwartungen sind unterschiedlich, immer wieder schießen die Egoismen hoch, sprengen die AG Lisa in ihre Mitgliedsinteressen auf. Die Wanderung ist alles andere als unbeschwert, und dass die Gruppe von innen wie von außen gefährdet wird, erhöhen Reiz und Reizbarkeit.

Aus dem Serien-Einerlei der verqueren und verquasten Heldinnen und Helden heraus

So kommt heraus, wie Lisa im Hotel von Piets Cousin erfahren musste, dass ihr Vater dort einst eine Affäre mit einer Lehrerkollegin gepflegt hatte – was seine Frau Karen (Viv Van Dingenen) tief verbittert. Und die Dschihadisten sind ihrem abtrünnigen Kämpfer Asim auf den Fersen.

Lisa gibt in ihren immer verzweifelteren Tagebucheinträgen die Losung aus: „Good memories are for liars“. Das Leben kann nur rückwärts verstanden, doch allein vorwärts bewältigt werden. Lügen sind, selbst als positive Erinnerungen, tückische Handlungsanweisungen.

Die belgisch-deutsche Dramaserie „Missing Lisa“ lässt die Figuren immer wieder schwanken, stürzen und aufstehen. Keiner und keine wird verlorengegeben, der Magnetismus von Lisa holt sie immer wieder auf die Beine und ins Geschehen zurück.

Die Autoren Gert Goovaerts und Lynnsey Peeters halten die Equilibristik der Spannung. Mal schiebt sich die eine Figur in den Vordergrund, dann die andere, gemeinsam geht es dann auf eine Lösung zu. Die Handlung setzt sehr selten auf äußere Effekte, sie ist geprägt von und mit den Protagonisten. Entsprechend ist die Besetzung der Serie bewusst gleichwertig gehalten.

Das Ensemblespiel sorgt für Ausgleich und sorgsam verteiltes Interesse. Ob Boris Van Severen (Michiel), Laurian Callebaut (Ylena) oder Indra Cauwels (Lisa) – lebendig kommen ihre Figuren auf den Zuschauer zu, es sind Dus und Ichs, was die Produktion von Zodiak Belgium und VRT/ÉÉ, in Koproduktion von Telenet und ZDFneo, in Zusammenarbeit mit Red Balloon Film und Banijay Studios France aus dem Serien-Einerlei der verqueren und verquasten Heldinnen und Helden eindeutig heraushebt.

Die Regie hat Jan Matthys. Er nutzt die acht Mal 50 Minuten zu einer Exploration in die Wünsche- und Sehnsuchtswelt der Endzwanziger („Missing Lisa“, ZDFneo, immer mittwochs Doppelfolgen, ab 9. September um 23 Uhr 15; oder alle acht Folgen in der Mediathek). Was war, was ist geglückt, was missglückt, was hat den Aufbruch, den Ausbruch, den Umbruch verhindert? „Missing Lisa“ erzählt in Doppelfolgen – oder als Binge-Erlebnis komplett in der ZDF-Mediathek – eine Such- und Rettungsaktion in Form eines Stationendramas.

Ob überraschende Bekenntnisse, unliebsame Begegnungen oder aufsehenerregende Fundstücke – die Wandergruppe kommt nicht zur Ruhe. Und die Wahrheit nur allmählich ans Licht. Die „Missing Links“ zu „Missing Lisa“ sind die Treiber der Geschichte.

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