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Gegen alle Widerstände bringt Aushilfslehrerin Maria Kowalke (Petra Schmidt-Schaller, hinten Mitte) die ehemaligen Spacken der 10A auf Musicalkurs.

© ZDF und Julia von Vietinghoff

ZDF-Komödie "Wir lieben das Leben": Veni, Vidi, Vicky

Sherry Hormanns ZDF-Komödie „Wir lieben das Leben“ mit Petra Schmidt-Schaller bleibt wunderbar heiter, wenn eigentlich alles bedrückend ist.

Maria hilf, betet der Katholik. Aber wer hilft Maria Kowalke (Petra Schmidt- Schaller)? Mann ist weg. Job ist weg. Geld sowieso. Na gut, blondes Haar ist geblieben, aber 17 Jahr ist die studierte Kunstwissenschaftlerin längst nicht mehr. Der alte Oberst-Vater (Günther Maria Halmer) muss ins Heim. Und nervt beleidigt vor lauter Selbstmitleid.

Die Lage am Beginn dieses von Gabriela Sperl und Lena May Graf geschriebenen und von Sherry Hormann inszenierten Films ist ernst, aber nicht trübe, schließlich heißt er ja auch „Wir lieben das Leben“. Der Zuschauer spürt von der ersten Szene an das Pfeifen im Wald der Depression. Aber da weht auch ein Hauch Optimismus. Hilf dir doch selber, Maria, lautet der Marschbefehl, den sich die Tochter des Obersts gibt.

Mut und Ehrlichkeit verordnet sich Maria, lässt den bei Bewerbungsgesprächen üblichen Mummenschanz fallen und erreicht die Probeeinstellung als Aushilfslehrerin für Musik in der zehnten Klasse einer Berliner Schule. Der Schulleiter mit dem irreführenden Namen Gerngross (Alexander Beyer) hat in Maria eine Schwester im Geist des Widerstandes gegen sozialen Fatalismus erkannt. Und verdammt hübsch ist sie auch. Eine über Ahnungen hinausgehende Erzählung von Erotik allerdings erspart sich der Film.

Für wen, wie für Maria, heutzutage die Schule zum Beruf wird, der hat wenig Zeit für Gefühle. Die Klasse 10A ist ein Sauhaufen, wie man ihn in „Fack ju Göhte“ vorgeführt bekam: Schlaffe Spacken hängen auf Stühlen, pöbeln Zynismen durch die Gegend, rennen permanent zum Schulklo, signalisieren Unlust. Besonders auf die szenische und musikalische Darbietung des den Filmtitel beeinflussenden Vicky-Leandros-Ohrwurms „Ich liebe das Leben“, den die 10A zu einer Schulfeier aufführen soll.

Das letzte Berufseinsteigergefecht

Die Vorgängerin von Maria ist über diese Aufgabe krank geworden. Die Schülersaboteure wissen allerdings nicht, dass sie Maria nicht kleinkriegen werden. Die kämpft ihr letztes Berufseinsteigergefecht und bringt (contre coeur) der Chaosklasse ganz neue Flötentöne bei. Handys werden eingesammelt, Fastfood wird durch Obst ersetzt, Sangesunlust durch Hampelmänner und Liegestütze gefördert, der Widerstand der Helicopter-Eltern gebrochen, dem Autismus pubertärer Weltflüchtereien der Riegel vorgeschoben.

Wenn es am Ende „Veni, Vidi, Vicky“ heißt und gerührte Zuschauer über die rührenden Darbietungen der funktionierenden Schüler in Begeisterung ausbrechen, erfüllt sich ein bekannter Filmmythos – die sozial Geschädigten singen sich frei. Aber kein Pathos trieft, dazu ist die Darstellung von Schmidt-Schaller zu intelligent. Ihr Lächeln macht die Phasen ihrer Verzweiflung nicht vergessen.

So geht es auch in den dunkleren Ecken des Films zu. In der Geschichte des Altwerdens werden keine großen Wunder vollbracht und keine emotionalen Siegesfeiern zelebriert. Der Oberst begreift mühsam, dass er seine letzte Lebensschlacht nicht gewinnen kann. Aber kleine Siege gibt es trotzdem. Er lernt die innere Autorität einer gelähmten Mitbewohnerin anzuerkennen (großartig: Hildegard Schmahl), er bindet einen kleinen Schulstreuner durch militärische Zackigkeit wie ein Großvater an sich, er führt seine Heimgenossen in eine Wohltätigkeitsoffensive an Marias Schule und söhnt sich so weitgehend wortlos mit der Tochter aus. Halmer erweist sich als Meister einer hinter Strenge versteckten Liebenswürdigkeit.

So sehen am Ende wahre Sieger aus. Sie hüpfen über die Abgründe. Mutige Soldaten in einem eigentlich hoffnungslosen Gefecht.

„Wir lieben das Leben“, ZDF, Donnerstag, 20 Uhr 15

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