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Ménage à trois.  Magnus Mittendorf (Christian Berkel, links) lernt seine neue Pressesprecherin Katharina Borba (Friederike Becht) kennen – von ihrer Beziehung zu seinem Personenschützer Jonas Neimann (Max Simonischek) weiß er nichts. Foto: Schroeder/ZDF

© dpa

ZDF-Film "Trügerische Sicherheit": Im Verlies der Diskretion

Wenn ein Personenschützer seinen Weg im Leben sucht, wird der ZDF-Film zu einer packenden Lehrstunde über Pflicht und deren Grenzen.

Peng, Peng, Peng. Die Kugeln kommen geflogen. Trefferbild auf der Zielscheibe: tadellos. Die Anfangsszene dieses Films (Regie: Thomas Kronthaler, Buch: Annika Tepelmann) trifft ins Schwarze des Zeitgeistes. Es geht um Härte. Um die Wehrhaftigkeit der Moral gegenüber den Verführungen der Macht. Ein hellsichtiger Film also.

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Dem Ex-Kriminalkommissar, guten Schützen und entschlossenen Judokämpfer Jonas Neimann (Max Simonischek) sieht man seine Ernsthaftigkeit an. Der Schauspieler liebt die wortkarge Konzentration aufs Professionelle an seiner Rolles als Leibwächter. „Für mich ist Film in erster Linie ein visuelles Medium, und es sollte nur gesprochen werden, wenn etwas auf dem nonverbalen Weg nicht mehr zu erzählen ist.“.

[ „Trügerische Sicherheit“, ZDF, Montag, 20 Uhr 15]

Simonischek und Andy Gätjen als sein Chef bei der Sicherheitsfirma sind die richtigen Schauspieler für die Darstellung moderner Knechte: nach außen höflich verschlossene, abgegrenzte Profis ohne Unterwürfigkeit, stolz auf ihre Leistung.

Sie brauchen Stauräume in sich selbst. In das Verlies der Diskretion und des Schweigens muss bei einem Personenschützer eine Menge einzuschließen sein. Die eigene Angst. Er muss alles sehen, wozu auch das Übersehen gehört. Er muss von sich und seinen Gefühlen für den Herrn absehen. Er muss beherrscht, aber auch im richtigen Augenblick bissig wie ein Schäferhund sein. Er ist Diener, nicht Freund seines Schutzbefohlenen. Er bewacht die Unversehrtheit des Leibes, nicht die Seele seines Klienten.

Aber das Leben achtet so sauber konstruierte Welten nicht. Jonas ist keine Figur aus dem Legokasten, sondern jung und aus Fleisch und Blut. Er kennt die attraktive Uniabsolventin Karharina Borba (Frederike Becht), die jetzt zum Stab seines Herrn Magnus Mittendorf (Christian Berkel), eines Landespolitikers, gehört.

Heimliches Liebesglück

Das Liebesglück der Mittendorf-Untergebenen geht heimlich weiter. Sie vögeln, was ihre schönen Körper an wilden Orten so mögen: auf der Wiese, nach dem Baden im Fluss, auch im Bett, einmal fast auf dem Damenklo. Alles geschieht unter dem optimistischen Himmel des Ehrgeizes, als gäbe es nur das Heute des Singlelebens.

Jonas ist zufrieden mit seinem Job. Der Leibwächter verehrt seinen Schützling Mittendorf, weil der Jonas' Mutter einen Platz im Altenheim beschafft hat. Auch die Familie des Politikers, dessen kranke Frau Sandra (Theresa Berlage) und dessen Töchter, tun alles, um den Leibwächter in den Mittendorf-Haushalt zu integrieren.

Dann startet Eros, dieser schreckliche Chaot, seinen Angriff auf das komplizierte Geflecht aus Pflicht und heimlicher Neigung. Denn Mittendorf macht sich an seine Assistentin, die Jonas-Flamme heran. Lockt sie mit dem Lob ihrer Arbeit, besucht mit der studierten Geigerin ein Konzert, zu dem Jonas Katharina und den aufdringlichen Chef begleiten muss. Wir spüren, wie Jonas vor Eifersucht ergrimmt, wenn Mittendorf mit Katharina über „Tempi-Wechsel im dritten Satz“ schwadroniert und nur das Eine meint.

Nacholbedarf in Sachen Sex

Aber Eros kann noch Schrecklicheres, als mit Eifersucht zu quälen und den Zauber einer heimlichen Liebe zwischen Untergebenen zu brechen. Der rücksichtslose Chef, der wohl wegen seiner krebskranken Frau meint, einen Nachholbedarf in Sachen Sex realisieren zu dürfen, macht sich bei einem Besäufnis im Büro über seine Pressesprecherin gewaltsam her.

Aus Flirt wird Me-too. Die betrunkene Katharina torkelt absichtslos in Mittendorfs Büro. Der Chef findet die Frau. Tut ihr Gewalt an. Verlässt das Zimmer mit heraushängendem Hemd. Der Zuschauer braucht, was drinnen geschah, nicht anzusehen. Die Bilder einer Außenkamera reichen. Der Leibwächter entdeckt die Aufnahmen. Jetzt wird Jonas klar, warum seine Freundin so abweisend ist. Es geht nicht um Konkurrenz, es geht um männliche Zerstörungsabsicht. Der Wächter wacht auf – aus seiner Blindheit männlicher Eifersucht.

Soll da das Unrecht weiterkommen? Jonas erkennt, dass er seiner Geliebten helfen muss, auch wenn die kein Opfer sein will. Schäbiges Vertuschen nützt nichts. Ehrgeiz und Job sind dahin. Strafe aber muss sein.

Die Schlussszenen präsentieren die Utopie einer neuen Männlichkeit, die auch für Frauen Unterstützung weiter mitträgt, wenn die Liebe anscheinend erloschen ist. Ein Zeichen der Hoffnung: Jonas hat etwas über Grenzen, Pflicht und Neigung gelernt, ein innerer Gewinn, auch wenn er nach außen alles verloren hat. Er sagt am Ende zu Katharina: „Ich habe es für mich getan.“

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