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Schweig, Schwester! Sonja (Felicitas Woll, rechts) ist vergewaltigt worden. Ihre Schwester Birgit (Nina Kronjäger) überzeugt sie, die Tat zu verschweigen.

© ZDF und Jacqueline Krause-Burber

ZDF-Film "Liebe bis in den Mord": Albtraum in den Alpen

Der ZDF-Film "Liebe bis in den Mord" mixt Heimatfilm und Psychothriller. Bauerntheater ist auch dabei

Wenn der Fernsehkritiker im Presseheft liest: „Das fesselnde Thriller-Drama vor schöner bayrischer Alpenkulisse wurde spannend und mit überzeugender Schauspielerführung von Regisseur Thomas Nennstiel in Szene gesetzt.“ Wenn der Kritiker diese Zeilen liest, dann geht er gemeinhin in Deckung und hofft, dass er die anstehenden 90 Minuten unbeschadet übersteht.

Zeilen und Presseheft gehören zum ZDF-Fernsehfilm der Woche: „Liebe bis in den Mord – Ein Alpenthriller“. Was nach der verschärften Variante der ZDF-Erfolgsmarke „Der Bergdoktor“ klingt, bewegt sich schon in den ersten Minuten weg vom Herzlilein mit Schmerzilein. Nach einem Geburtstagsfest im Allgäu wird Sonja (Felicitas Woll) von Adrian (Gabriel Raab), einem Kurzzeit-Freund, vergewaltigt. Er verspricht ihr ewigwährende Liebe und verschwindet. Sonja läuft zu ihrer Schwester Birgit (Nina Kronjäger), die sie überredet, die Sache vor allen zu verschweigen. Es steht die Hochzeit von Sonja mit dem Molkereibesitzer Thomas (Thomas Unger) an. Dessen Mutter (Gisela Schneeberger) ist gegen die Verbindung. Die Vergewaltigungsgeschichte würde aller Zukunft ins Schwanken bringen, überzeugt Birgit ihre verzweifelte Schwester Sonja. Reden ist Silber, nur Schweigen ist Gold, so in etwa geht die Argumentation.

Schnitt, 15 Jahre später: Sonja hat Thomas Gruber (Thomas Unger) geheiratet, Tochter Anna (Paulina Hobratschek) ist beider Augenstern. Der Molkerei geht es mies, da taucht Adrian wieder auf, angeblich, um den Betrieb zu retten, tatsächlich will er Sonja wieder für sich gewinnen und die gemeinsame Tochter auch. Die argwöhnische Schwiegermutter lässt einen Vaterschaftstest machen, Sonja bricht ihr Schweigen. Das Familienglück ist bedroht, Thomas kommt bei einem Motorradunfall zu Tode. Alle stellen sich gegen Birgit, auch Tochter Anna scheint sie an Adrian zu verlieren. Sonja sieht nur noch eine Chance: Sie muss sich auf Adrians Spiel einlassen, aber zu ihren Regeln. Der Showdown kann beginnen.

Glaubwürdigkeit und Bauerntheater

Drehbuchautor Jürgen Werner hat eine nachvollziehbare Geschichte geschrieben, in der sich hinreichend glaubwürdige Figuren bewegen. Manche von ihnen – Bankmitarbeiter, Dörfler – sind aus Pressholz gefertigt, selbst unter den wesentlichen Protagonisten gibt es Charakterzüge (Mama Gruber) oder Motive (Adrians Rückkehr nach 15 Jahren) wie aus dem Bauerntheater. Beide sind so, weil sie dramaturgisch so sein müssen und offene Fragen nach eindeutigen Antworten suchen.

Die Inszenierung von Thomas Nennstiel folgt diesen Stärken und Schwächen, aber es stimmt schon, wenn im Presseheft die „Schauspielerführung“ gelobpreist wird. Die Schwestern, gespielt von Nina Kronjäger und Felicitas Woll, sind interessante wie inspirierende Persönlichkeiten, die Woll verfügt über die Klaviatur von Verzweifelt bis Entschlossen. Auch Paulina Hobratschk gibt der Tochter die notwendige Schwankungsbreite eines jungen Menschen, der sich zwischen leiblichem Vater und tatsächlichem Vater entscheiden soll – und dabei das Wohl der Mutter nicht übergehen will.

Die Gisela Schneeberger orgelt ein bisschen sehr die böse Alte vom Dienst herunter, und Gabriel Raab als Vergewaltiger und Wiedergänger lässt seinen Adrian dermaßen zwischen Hochglanzcharmeur und Bilderbuchschurken changieren, dass die Stanze von Weniger-wäre-Mehr passgenau ist. Das alles fällt schon ins Gewicht, doch nicht so stark, dass der Film ins Minus gedrückt wird. Die Produktion ist zweifelsfrei besser als der effektheischende Titel „Liebe bis in den Mord – Ein Alpenthriller“.

Wenn am Ende die Alpensonne überm Panorama lacht, hat der Kritiker nicht gelitten. Schön, oder?

„Liebe bis in den Mord – Ein Alpenthriller“, ZDF. Montag, 20 Uhr 15

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