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Walfische im Heiligen See. Planschen in Potsdam mit Christian Ulmen. Eine kuriose Szene, die nach Oliver Polak das Konzept „White Privilege“ infrage stellt.

© Netflix

„Your Life is a Joke“ mit Oliver Polak: Erst Baumarkt, dann Nagelstudio

Promis daten in der Zuhälterkarre: Oliver Polaks Comedyserie „Your Life is a Joke“ auf Netflix.

Showtitel kann er. Die Talksendung „Besser als Krieg“ lief vergangenes Jahr im RBB Fernsehen. Für die auf provokant gebürstete Gäste-Rausbuzzer-Show „Applaus und raus“ bekam Oliver Polak den Grimmepreis. Und sein gemeinsam mit Micky Beisenherz betriebener Audible-Podcast heißt „Juwelen im Morast der Langeweile“, um nur einige Formate zu nennen, die der 45-jährige Comedian, Moderator und Autor in den letzten Jahren betitelt hat. Jüngster Streich ist die Netflix-Produktion „Your Life is a Joke“, deren erste Staffel drei jeweils gut dreißigminütige Sendungen umfasst.

Klappern gehört zum Geschäft. Also freut sich Gastgeber Polak zu Beginn der ersten Folge, „Deutschlands spannendste Künstlerinnen und Künstler einen Tag lang zu begleiten“. Böswilligen Gemütern würde da sicher noch ein aufregenderer Namen einfallen als das notorische Mediengewächs Christian Ulmen, das den Reigen eröffnet („Your life is a Joke“, Netflix, Dienstag).

Auf ihn folgen zwei Musikerinnen: Rapperin Nura, die den Gastgeber mit ihrer Power und Schlagfertigkeit komplett überrollt, und die trotz großflächiger Tattoos farblos bleibende Jennifer Weist, Frontfrau der Rockband Jennifer Rostock.

Das passt insofern, als Oliver Polak, ein großer Verehrer von Udo Jürgens, in „Your Life is a Joke“ auch als Gastgeber endlich mal seiner Begeisterung für populäre Musik Raum geben kann. Und zwar in einem Retro-Sportcoupé, Manta GT/E, in dem prollige Plüschwürfel am Rückspiegel baumeln.

In der Zuhälterkarre kutschiert er seine Gäste durch Potsdam und Berlin und erschreckt sie zu Beginn mit dem selbst getexteten und zu Playback intonierten Softsoul-Opener „Your Life is a Joke“. Im Weitwinkel der Autokamera nimmt sich das ziemlich kurios aus.

Und bei dieser einen Playback-Nummer bleibt es nicht. Überhaupt erinnert das Konzept auffällig an zwei Erfolgsformate: an die allerdings deutlich gesangsintensivere Carpool-Karaoke des aus Großbritannien stammenden US-Late-Night-Talkers James Corden. Und an die Arte-Sendung „Durch die Nacht mit“, in der zwei Prominente aus Kunst und Kultur in einer Limousine herumfahren, Museen oder Restaurants besuchen, in Städten herumlaufen und sich dabei kennenlernen.

„Hast du eigentlich einen Fetisch?“

In „Your Life is a Joke“ bestimmen die Gäste, welche Attraktionen Chauffeur Polak ansteuern soll. Christian Ulmen will zuerst in den Baumarkt, wo er neulich eine Kettensäge gekauft hat. „Da gehe ich so gern hin, weil’s so gut riecht“, erzählt er Polak, woraufhin beide alsbald an Teppichrollen schnüffeln. „Hast du eigentlich einen Fetisch?“, fragt Polak, dessen offene Gesprächskultur sich immer mehr an die von Rosa von Praunheim annähert, der auch jeden nach Intimitäten fragt.

Als Ulmen den Fetisch verneint, tischt der Comedian dem staunenden Ulmen die bekannte Story vom krebsbedingten Verlust seiner Hoden auf. Garniert mit der Info, dass er, kurz bevor der zweite wegoperiert wurde, gerade „Ball Sucking“ für sich entdeckt habe. Dass Ulmen mit 16 Telefonsex gemacht haben will, rundet den eher mauen Männerklatsch ab. Nach einem Stopp in der Waschstraße und einer niedlichen Badepause an Alexander Gaulands Schwimmstelle am Heiligen See lädt Ulmen in das Edelrestaurant Villa Kellermann. „Hier habe ich meinen Sohn taufen lassen.“ Nee, oder? Von Koch Tim Raue oder von Besitzer Günther Jauch?

Den Nachschlag dazu setzt es am Ende der Folge. Polak wäre nicht Stand-up-Comedian, wenn er die kuschelige Gesprächsatmosphäre nicht noch mit einer bissigen Komponente tunen würde. Dem „Roast“, der den gemeinsam verbrachten Tag abschließt. In der Humoristenbranche ist ein Roast kein Sonntagsbraten, sondern das für Stand-up-Comedians typische verbale Grillen.

Die Witzattacken gibt es ähnlich wie beim Rap-Battle auch als Roast Battle, wenn sich zwei Comedians gegenseitig beharken. In „Your Life is a Joke“ sitzen Ulmen, Nura und Jennifer Weist im Epilog der Show im Saal des Quatsch Comedy Clubs zu Berlin und hören sich an, was Oliver Polak für Erkenntnisse über sie gewonnen hat.

„Das Zeug, das wir in der Villa Kellermann bekamen, hätte jede Ratte aus dem Film ,Ratatouille‘ besser zusammengebröckelt“, höhnt Polak und fragt ins Publikum: „Wer lässt denn bitte sein Kind da taufen, wo er auch essen geht?“

"Ich fahre nicht wie Madonna nach Äthiopien, sondern nach Schweden."

Aber wirklich. Auf die Feststellung, Ulmen als recht konservativ erlebt zu haben, und den Gag „Als ich dich beim Baden so allein im Wasser stehen sah, habe ich das Konzept ,White Privilege‘ noch mal hinterfragt“ folgen schnell herzliche Sympathiebekundungen, die Ulmen, Nura und Jennifer Weist auch schon zu Beginn der Stand-up-Einlage zu hören bekommen. Merke: „Your Life is a Joke“ ist eine ganz liebe Plaudershow und kein bisschen gemein.

Mehr Komik als in den absehbar auf eine große Umarmung der Gäste rauslaufenden Roasts steckt in den Stationen, die die Gäste mit Polak abklappern. Und obwohl er sich nicht schont und badet, Boot fährt und Rollschuh läuft und sich von der unaufhaltsamen Nura sogar zu einer Wahrsagerin schleppen lässt, bleibt eine Enttäuschung: Beim Besuch im Nagelstudio, wo Nura sich gelbe Krallen drechseln lässt („Danach fühlst du dich voll fresh“), hockt Oliver Polak nur als Beobachter daneben und lässt die Steilvorlage zur Feminisierung seiner Selbst ungenutzt.

Den onkeligen Eingangsgag, dass er die Sendung als Vorwand nutze, um Nura endlich zu daten, pariert die Kodderschnauze prompt. „Das machen Rapper genauso. Die sagen, lass mal ’ n Song zusammen machen. Dann geht’s ins Studio und sie wollen dich bumsen. Aber am Ende fickst du die.“ In Sachen Witz ist die in Eritrea geborene Rapperin ein Naturtalent, wie die Antwort auf die Frage, ob sie mal Kinder möchte, zeigt: „Schon, aber es müssen keine eigenen sein. Ich fahre nicht wie Madonna nach Äthiopien, sondern nach Schweden."

Blonde Kinder müssen auch adoptiert werden.“ Dank Nura verfügt die zweite Folge von „Your Life is a Joke“ über eine Knallerdichte, die den anderen fehlt. Kennenlernen vor der Kamera hat genau die Grenzen, die man aus allen Talkformaten kennt. Mit Vollgas Manta fahren ist spaßiger.

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