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Kann wohl machen, was er will:  Jan Böhmermann auf dem Dach des ZDF-Hochhauses. Nach fast einjähriger TV-Abstinenz startet der 39-jährige Moderator am späten Freitagabend seine neue Show im Zweiten.

© ZDF und Jens Koch

Wieder da: Jan Böhmermann: Der Homelander des ZDF

Chef-Satiriker Jan Böhmermann kehrt mit Telegram und viel Geraune auf den Bildschirm zurück – im Hauptprogramm. Eines muss er besonders fürchten.

Die zweite Staffel der Superheldenserie „The Boys“ auf Amazon Prime endete vor ein paar Tagen und brachte den Fans ein fulminantes Finale. Gewöhnlich sind bei der Serie brutale und kontroverse Szenen an der Tagesordnung. Gliedmaßen werden gesprengt, Köpfe rollen, Blut spritzt. Chef-Superheld Homelander musste in der letzten Episode persönliche Verluste einstecken. Für den psychopathischen Charakter war das anscheinend zu viel. Am Ende der Folge steht Homelander auf einem Dach hoch über der City, er masturbiert und schreit: „Ich kann machen, was immer ich will“.

Wie kommen wir von da zum ZDF? Jan Böhmermann kann im deutschen Fernsehen offenbar auch machen, was er will. Jedenfalls glaubt er das. Nun auch – pünktlich zum Start seiner Show („ZDF Magazin Royale“, Freitag, ZDF, 23 Uhr) – im Habitus von Verschwörungstheoretikern beim Messengerdienst Telegram, wo zum Beispiel immer wieder gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung Stellung bezogen wird. Böhmermann sondert dort seit vergangenen Freitag dubiose Botschaften ab. Parallel dazu waren seine Kanäle bei Facebook, Twitter und Instagram abgeschaltet, was mittlerweile rückgängig gemacht wurde.

Böhmermann sagte dazu in seinem Podcast „Fest & Flauschig“: „Ich bin wieder in allen sozialen Kanälen. Viele Leute haben sich erschrocken, warum ich weg bin.“ Haben Sie das wirklich? Böhmermann ohne Social Media, das ist wie Homelander ohne Superhelden-Elixier („The-Boys“-Fans wissen, was gemeint ist), Verschwörungstinktur nun inklusive. Um zu erfahren, wie das mit Telegram gemeint ist, soll nach fast einjähriger Böhmermann-TV-Abstinenz natürlich die Show eingeschaltet werden.

Klar. Jan Böhmermann hat über Jahre die Kunst perfektioniert, sich ins Gespräch zu bringen. Das ist sein Pfund, seitdem er auf dem Spartensender ZDFneo das „Neo Magazin Royale“ (bis 2019) zur Marke entwickelte. Manchen ging er damit gehörig auf den Geist, zumal er mit den Jahren gefühlt immer ernster, zu einer Art investigativ-journalistischen oder gar politischen Figur wurde und sich permanent Debatten anstoßend zum Teil auch so verhielt, siehe Erdogan-Streit.

Manchen geht er auch jetzt mit seinem Telegram-Ritt auf den Geist, startend mit einer Online-Umfrage, bei der man unter der Überschrift „Ich stehe bedingungslos hinter ...“ als erste Auswahlmöglichkeit „Jan Böhmermann“ anklicken konnte. Die Zahl der Alternativen war begrenzt.

Es gab eine weitere Möglichkeit: „Jan Böhmermann“. Ist es lustig, was Böhmermann da macht, bringt es neue Erkenntnisse? Eher nicht. Wer den Kanal „Real Jan Böhmermann“ abonnierte, wurde in Schüben mit schrillen Nicht-Nachrichten beliefert, mit Aufforderungen, nicht länger zu schlafen, loszuziehen und mehr Menschen in diesen Kanal zu holen.

In einen Vergleich mit Deutschlands Comedy-Anchorman Nummer eins

Telegram ist ja seit Wochen in aller Munde. Ursprünglich war der von russischen Oppositionellen aufgebaute Dienst eine Bastion gegen Putins Apparat. Heute ist Telegram auch ein gefährliches Werkzeug in Händen von Kriminellen und effizienter Reichweitenerzeuger für Desinformationskampagnen. In einem T-Online-Interview sagte Böhmermann: „Es ist ein unregulierter Raum, bei dem der Staat absolut keine Ahnung hat, was passiert. Für Anarchisten ist das toll.“

Für Satiriker als PR-Maßnahme auch. Böhmermann parodiert offensichtlich das Gehabe von Verschwörungstheoretikern, für die dieser Dienst zum Zufluchtsort geworden ist.

Bestes Agenda-Setting. Böhmermann ist nun nicht mehr Nische. Böhmermann ist ZDF-Hauptprogramm. Er läuft direkt hinter der populären „heute-show“, was Auswirkungen auf die Quote haben dürfte, Böhmermann andererseits direkt in einen Vergleich mit Deutschlands Comedy-Anchorman Nummer eins schickt: Oliver Welke, dessen Format – bei einer ähnlich jungen Zielgruppe – für wichtiger genommen wird als das „heute-journal“. Kurz: Böhmermann steht unter noch größerer Beobachtung. Er muss liefern. „Wenn meine Kollegen und ich in den letzten Jahren etwas gemacht haben, dann war es liefern. Die Frage ist nur immer: Was wird geliefert?“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur.

Übers Show-Konzept will er nicht viel verraten. Es wird wohl einen Vorhang geben und einen Schreibtisch, klassisch Late-Night-Show. Die Sendung soll weniger die Woche nachklappern und selbst Themen setzen. „In den vergangenen Jahren war der ,Schreibtisch-Teil’ in unserer Show, also die Auseinandersetzung mit Themen von morgen, ein Seitenaspekt.“ Der rücke jetzt in den Mittelpunkt.

Angriffspunkte werden folgen, Leute wie Heinz-Christiane Strache, österreichischer Ex-Vizekanzler, hinter dessem kompromittierenden Ibiza-Video Böhmermann gesteckt haben soll. Homelander, der in „The Boys“ ein Flugzeug mit unliebsamen Politikern zum Absturz bringt, sagt zur Begründung: Weil ich es kann.

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