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Falsches Programm. Zu viele Kinder sehen Erwachsenen-Programme.

© dpa

Wenn Fernsehen und Film Angst machen: Zombies im Kinderzimmer

Neue Debatte um ein altes Thema: Wenn Kinder Erwachsenen-TV sehen - was macht das mit den Kindern?

Kommt da eine alte Debatte wieder hoch? Zur Frage, ob Fernsehen Kindern Angst einjagen könne. Nicht jede Sendung, das nicht, aber Sendungen, die nicht für Kinder bestimmt sind. Immerhin sagte Super-RTL-Chef Claude Schmit im Tagesspiegel-Interview, dass 45 Prozent der Drei- bis 13-jährigen Erwachsenen-Fernsehen schauen. Und dann hat das ZDF am Sonntag durch einen Umsetzungsfehler regelrechten Horror ins Kinderfernsehen geliefert. Statt „Coco - der neugierige Affe“ lief am frühen Sonntagmorgen der Grusel-Klassiker „Halloween - die Nacht des Grauens“ im ZDF. Nach 29 Minuten und einigen Beschwerden wurde der Irrtum korrigiert. Was beim ZDF ein Ausrutscher war, ist in vielen Haushalten Programm: Kinder gucken Filme unabhängig von der Altersfreigabe.

Für Medienwissenschaftler wie Maya Götz ist das ein größer werdendes Problem. Was mit modernen Spielfilmen auf die Kinderpsyche einprasselt, ist für die Kleinen schwer zu verarbeiten. „„Die Tribute von Panem“, das ist ein toller Film“, sagte die Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) in München. „Aber was viele Eltern nicht wissen: Da bringen sich Kinder gegenseitig um. Das ist für Kinder als Zuschauer sehr bedrückend und kann Alpträume erzeugen.“ Besonders gefährdet, haben IZI-Mitarbeiter in einer Studie ermittelt, sind die Acht- bis Neunjährigen. Von ihnen hat die Mehrheit beim Fernsehen Angst: 60 Prozent gaben das bei einer Befragung zu. Meistgenannter Kinder-Angstmacher laut der Studie: Die Serie „The Walking Dead“ mit einer FSK-Altersfreigabe ab 18 Jahren. „Wie kann das sein? Wieso verhindern die Eltern das nicht?“, fragt Götz.

Eltern unterschätzen FSK-Empfehlung

Die Medienforscher haben festgestellt, dass die meisten Eltern die FSK-Einstufung als freundliche Empfehlung unterschätzen: „Dabei ist das der Hinweis, dass Kinder durch den Film in ihrer Entwicklung voraussichtlich Schaden nehmen, wenn er für sie nicht freigegeben ist“, sagte Götz. Gefährdet seien besonders die jüngeren Geschwister, die mit den älteren Fernsehen gucken. Die Wissenschaftlerin hat nun mit der Landesanstalt für Medien NRW eine Unterrichtsreihe für Lehrer entwickelt. „Das ist angelegt für eine Vertretungsstunde - statt Schiffeversenken“, sagt Götz. Weil Lehrer relativ wenig Einfluss auf das haben, was Schüler zu Hause treiben, gibt es eine Elterninformation dazu. „Ideal wäre natürlich ein Elternabend.“ Die Unterrichtseinheiten, erschienen im „TV Profiler“ der LfM NRW, soll letztlich Kindern helfen, mit Ängsten besser und bewusster umgehen zu können, sagte Jürgen Brautmeier, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, laut einer Pressemitteilung. Darüber hinaus sollen sie in ihrem Verantwortungsbewusstsein gestärkt werden - gegenüber sich selbst und anderen - etwa kleineren Geschwistern. Für die Folgen falschen TV-Konsums hat Maya Götz Fälle gesammelt: „Wir haben einen 26-Jährigen kennengelernt, der als Sechsjähriger „Der weiße Hai“ sehen durfte - weil sein Opa dachte, es sei ein harmloser Tierfilm.“ Wie tief ihn dieses traumatische Erlebnis beeindruckt hat, spürt der Student noch 20 Jahre später: „Er hat immer noch Angstattacken beim Baden in bayerischen Seen.“ Die immer ausgefeiltere Computeranimation macht moderne Gruselschocker zum echten emotionalen Problem: „Die Monster waren früher nicht so gruselig, da sah man bei den Mumien das Klopapier und es krochen auch noch keine Käfer aus dem Mund.“ Viele Kinder reagieren darauf mit Alpträumen: Sie sind der Versuch der Seele, Gesehenes im Schlaf aufzuarbeiten. Die Eltern sollten beim TV-Konsum ihres Kindes mindestens in Hörweite sein um mitzubekommen, was sich die Kleinen reinziehen, rät sie. Wenn ein Kind sichtbar Angst hat, sollte es mit dieser nicht alleingelassen werden: „Beruhigen, in den Arm nehmen, Fernseher ausmachen.“

"Bambi", ein echter Horror für Vorschulkinder

Ab dem Grundschulalter helfe gegen die Angst auch, auf die Machart zu verweisen: „Wie geht ein Kinderfilm aus? Gut.“ Oder: „Da kommt wieder böse Musik, hörst du.“ „Demaskieren“ nennen das die Medienpädagogen. Schwierig wird es auch für problembewusste Eltern, wenn in harmlosen Kinderserien plötzlich Verstörendes zu sehen ist: „Bei SpongeBob taucht plötzlich ein Pirat mit einem Geisterschiff auf, das viele Kinder gruselt. Bei den Simpsons gibt es eine einzelne Halloween-Folge, die mit der Altersfreigabe ab 12 eingestuft wurde. Auch die Klassiker bergen Untiefen: „Die Szene im Disney-Klassiker ,Bambi', in der die Mutter stirbt und Bambi alleine im Wald ist, macht Vorschulkindern enorme Angst - ist aber damals nicht als Problem erkannt und mit FSK 0 eingestuft worden.“ (mit dpa)

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