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Zunächst alles andere als heldenhaft: Sepp Rottenbacher (Fritz Karl, links) scheint sich mit Nazis wie Kaltenbrunner (Oliver Masucci, rechts) und Schädler (George Lenz) arrangiert zu haben.

© Bernd Schuller/ZDF

Weltkriegsdrama „Ein Dorf wehrt sich“: Stille Helden

Im Fernsehdrama „Ein Dorf wehrt sich“ mit Fritz Karl retten österreichische Bergleute das kulturelle Erbe Europas.

Die Geschichte ließe sich in einem Satz zusammenfassen, aber der würde dem Mut der Menschen schlicht nicht gerecht: Im Frühjahr 1945 verhindern österreichische Bergleute die Sprengung des Salzbergwerks Altaussee, in dem die Nationalsozialisten Tausende von in ganz Europa geraubten Kunstwerken eingelagert haben. Die Bedeutung dieser Aktion wird auch nicht dadurch geschmälert, dass die Männer in erster Linie ihre Arbeitsplätze sichern wollten, schließlich lebte der Ort vom Bergbau.

Gabriela Zerhau (Buch und Regie) hat ihre filmische Verbeugung ohnehin dramaturgisch geschickt verpackt, denn ihre Hauptfigur verhält sich zunächst alles andere als heldenhaft: Sepp Rottenbacher (Fritz Karl) hat sich mit den Machthabern arrangiert. Er ist kein Nazi, hält sich aber aus allem raus und tut ansonsten, was man ihm sagt.

Wenn der örtliche Ober-Nazi (Oliver Masucci) Fische fangen will, dann rudert Sepp, nebenbei auch der Fischmeister des Ortes, den Mann auf den See hinaus. Die Appelle seines besten Freundes, der ihm regelmäßig ins Gewissen redet, prallen scheinbar wirkungslos von ihm ab. Franz (Harald Windisch), Sepps bester Freund seit Kindertagen ist ein ganz anderer Typ. Die Geheime Staatspolizei hat ihn längst im Visier, aber das hält ihn nicht davon ab, Deserteure in den Bergen mit Lebensmitteln zu versorgen; bis ihm sein Leichtsinn irgendwann zum Verhängnis wird.

[„Ein Dorf wehrt sich“, ZDF, Mittwoch, 20 Uhr 15]

Vermutlich hätten viele Autoren die Ermordung des Freundes zum Anlass genommen, in Sepp einen Sinneswandel auszulösen, aber so einfach macht es Zerhau nicht; weder sich noch ihrem Protagonisten und schon gar nicht dem Publikum. Der Film verdeutlicht schon gleich zu Beginn, dass Widerstand gefährlich ist: Als ein junger Mann aufbegehrt, wird er kurzerhand an die Front beordert; solche Vorfälle dürften Sepp eher noch darin bestärken, die Ereignisse schicksalergeben hinzunehmen und sich wegzuducken.

Das ändert sich erst, als die Bergleute rausfinden, was in den letzten acht angelieferten Kisten ist: Gauleiter August Eigruber (Philipp Hochmair) will den gesamten Berg in die Luft sprengen. Natürlich soll die Aktion verhindern, dass die Kunstschätze den anrückenden Alliierten in die Hände fallen, aber außerdem entpuppt sie sich als perfider Propaganda-Coup.

Ein Fingerzeig von Caravaggio

Weil sich der eher wortkarge Sepp nicht in die Seele schauen lässt, bleibt auch dem Film nichts anderes übrig, als den Antihelden nach seinem Verhalten zu beurteilen. Allerdings gibt es eine Schlüsselszene, mit der Zerhau nahelegt, dass es Sepp, dessen gesamtes Berufsleben mit dem Bergwerk verknüpft war, nicht allein um die Sicherung seiner Zukunft geht: In der Mitte des Film sitzt Sepp allein im Depot und schaut sich die Skulpturen und Gemälde an; es wird kein Zufall sein, dass sein Blick nachdenklich auf dem Caravaggio- Gemälde „David mit dem Haupt des Goliath“ ruht.

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Die Bedeutung dieses Moments wird durch die anschließende Szene noch verstärkt: Der Bergwerksdirektor (Francis Fulton Smith) beschwört den Gauleiter, den Zugang zum Berg zu verschließen, aber das kulturelle Erbe Europas zu verschonen. Da Philipp Hochmair den Nationalsozialisten, der angesichts der näher rückenden Alliierten gern schon morgens zum Schnaps greift, hart am Rand der Karikatur verkörpert, ist mit einem Einlenken allerdings kaum zu rechnen, weshalb die Männer aus Altaussee schließlich ins Bergwerk eindringen; dort müssen sie schockiert feststellen, dass die Holzkisten etwas ungleich Zerstörerisches enthalten als die befürchteten Handgranaten.

Völlig zu recht hat das ZDF der österreichischen Regisseurin, die zuletzt das ebenfalls auf authentischen Ereignissen beruhende Hebammendrama „Nacht der Angst“ gedreht hat, für diesen Film eine Überlänge eingeräumt; dank der 108 Minuten hat sie genug Zeit, um ihre Charaktere zu entfalten.

Besonders interessant ist neben der sehr präsenten Musik (Dominik Giesriegl) auch die Bildgestaltung: Passend zur düsteren Handlung hat Kameramann Carsten Thiele den Aufnahmen jegliches Wohlbefinden ausgetrieben. Selbst das prachtvolle Alpenpanorama des steirischen Salzkammerguts wirkt auf diese Weise bedrohlich. Der Film wird von dunklen Braun-, Blau- und Grautönen dominiert; für die einzigen Farbtupfer sorgt das Rot der umso knalligeren Hakenkreuzfahnen und -binden. Leider ist Zerhau bei der Zeichnung einiger Figuren ähnlich plakativ vorgegangen: Die Nationalsozialisten sind fast ausnahmslos feist und hässlich oder wirken dank entsprechender Kameraperspektive diabolisch.

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