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Svenja Flaßpöhler, Chefredakteurin des "Philosophie Magazins", bei "Hart aber fair" mit dem Thema "Nur ja keinen Zwang: Ist unsere Politik beim Impfen zu feige?".

© WDR/Oliver Ziebe

Wagenknecht, Kubicki, Flaßpöhler: Die Impfskeptiker in den Talkshows befeuern das neue Mittelalter

Fake News statt Fakten, Glaube ersetzt Wissenschaft: Die Talkshows werden zunehmend zur Plattform der Irrationalen. Ein Kommentar.

Das wird jetzt Methode, oder ist es schon Methode geworden? Eine Talkshow nimmt sich Covid-19 zum Thema, insbesondere den Aspekt Impfen. So auch "Hart aber fair" am Montag in der ARD: "Nur ja keinen Zwang: Ist unsere Politik beim Impfen zu feige?".

Also wird Svenja Flaßpöhler eingeladen, eine Impfskeptikerin. Der Rest der Runde propagiert die gegenteilige Position: pro Impfen, contra Flaßpöhler. Die Meinungsschlacht entbrennt, wird in den sozialen Medien aufgenommen, Twitter platzt fast vor Tweets.

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Alles gut in Talkshow-Deutschland? So halbwegs. Es ist ja richtig, so viele Positionen wie möglich einzusammeln. Und das Lager der Skeptiker der Impfpflicht ist nicht klein, prominent besetzt ist es zudem. Sahra Wagenknecht, Wolfgang Kubicki, Richard David Precht, Svenja Flaßpöhler, you name it. Die Konstellation der angeschlossenen Gesprächsrunde ist klar: Eine/einer gegen alle, der Moderator, die Moderatorin dazwischen.

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In der Unterhaltungsperspektive funktioniert das. Die Daueralarmgesellschaft bekommt Futter, jeder und jede darf sich mit seiner Meinung vertreten fühlen. Aber zum Hurra reicht das nicht. Die Wissenschaft ist schweigsamer geworden, offenbar haben Drosten & Co. die große Lust an der Auseinandersetzung verloren. Das ist für deren Akzeptanz ein Schaden, weil vermehrt Fake News zu Fakten werden und Fakten zur Gefühlssache. .

Der TV-Auftritt steigert die Buchauflage

Es muss allen Talkshowredaktionen klar sein, dass sie mit Flaßpöhler & Co. deren Agenda mitbetreiben. Die Philosophin, so ihre Berufsbezeichnung, haut Buch auf Buch raus, jeder TV-Auftritt wird die Auflage beflügeln. Auch eine Wagenknecht wird mit einem Wählerinnen- und Wähler-Kalkül unterwegs sein. Und Kubicki sowieso.

Was sich schon am vergangenen Donnerstag bei "Maybrit Illner" zeigte, wurde bei "Hart aber fair" noch deutlicher: Bewerfen sich die Lager noch mit Argumenten oder hat sich die Covid-19-Diskussion nicht längst von der Faktenebene auf die Glaubensebene verlagert?

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Gerne wird der neue Deutsche gefeiert: Nicht mehr der Obrigkeits-Michel, sondern ein selbstbewusster, selbstbestimmter Bürger in der Jogginghose. Subkutan findet anderes statt: Nicht der antiautoritäre Deutsche geriert sich an der Verweigerer-Front, sondern der irrationale.

Das hat im Land der Wunderheiler wie der Verführbaren durchaus Tradition. Was wurde einem Erich Honecker von den SED-Deutschen zugejubelt, als er dekretierte: "Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf." Danach ging die DDR unter und Honecker nach Chile.

Die Talkshows illustrieren das neue Phänomen, sie illuminieren es. Es ist so, als würde Fernsehen Globuli spendieren. Und sind die Studios auch noch so hell ausgeleuchtet, das Zeitalter von Aufklärung und Fortschritt verglimmt.  

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