zum Hauptinhalt
Jessy Welmer, ARD-Moderatorin, und Bastian Schweinsteiger, TV-Experte der ARD.

© Mathias Balk/dpa

Von Tor zu Tor: Fußball ist Boulevard

Zurück zur schlechten Prä-Corona-Normalität: ARD und ZDF setzen bei der EM weiterhin auf die Expertise von Fußball-Prominenten - und vernichten Zeit.

Es wirkt an diesem ersten EM-Wochenende so, als habe es nie eine Pandemie und über ein Jahr lang Geisterspiele gegeben. Zuschauer in den Stadien und damit Atmosphäre, Fußball-Fans vor den Stadien und in den jeweiligen Städten und damit noch mehr Atmosphäre, und viele Bars und Kneipen haben draußen wieder Fernseher oder Leinwände aufgebaut und laden zum Fußballgucken ein.

Schon schön das. Nicht so schön ist, dass auch ARD und ZDF umstandslos in die alte Normalität zurückgekehrt sind und in bewährter (?) Manier vor und nach den Spielen Zeitvernichtung betreiben.

Zum Beispiel in der ARD: Alexander Bommes und seine Runde mit Kevin-Prince Boateng, Stefan Kuntz und Almuth Schult. Gefühlt eine Stunde unterhalten sie sich über die Position von David Alaba beim Spiel der Österreicher und Nordmazedonier; gefühlt mehr als eine Stunde "analysieren" sie das Auftaktspiel, das bei der Überlegenheit der Italiener und der fehlgegangenen Mauertaktik der Türken nur weniger Worte bedurfte.

Fußball ist Boulevard

Man fragt sich, warum die Sender weiterhin glauben, nicht ohne diese vermeintliche „Expertise“ von Fußballprominenten auskommen zu können.

Zumal diese nur das sagen, was ohnehin alle sehen oder gesehen haben. Das fällt insbesondere nach einem Pandemie-Jahr auf, in dem man viele, viele Spiele auf Dazn geschaut hat und immer wieder verblüfft war, wie wirklich klug hier Spiele analysiert werden, fast überanalysiert.

Wer Dazn schaut, weiß: Fußball ist eine Wissenschaft. Wer ARD und ZDF schaut, weiß: Fußball ist Unterhaltung, Boulevard. Immerhin, einziger Plus-Punkt, haben die Öffentlich-Rechtlichen gemerkt, dass auch Frauen gut über Fußball reden können.

Jessy Wellmer weiß um das Blendwerk

So macht das die Nationaltorhüterin Almuth Schult um eine Klasse besser, klarer und zupackender als etwa Stefan Kuntz. Und auch die Berliner Fußballtrainerin Ariane Hingst wirkt geradliniger und kompakter als, nun ja, Claudia Neumann, die bei der Partie Belgien gegen Russland glaubte, in einer Tour reden zu müssen.

Und dann ist da noch Jessy Wellmer. Bastian Schweinsteiger entlockt die ARD-Moderatorin zwar keine großen Weisheiten, was schwer ist, auch er analysiert nur das allzu Bekannte.
Wellmer scheint aber genau zu wissen, anders als Bommes etwa, dass diese ganze Promi-Expertentum von ARD und ZDF ein ziemlicher Quatsch und reines Blendwerk ist.

Also sagte sie zu Schweinsteiger über die erste Halbzeit der Niederländer gegen die Ukraine: "Das Beste, was wir bei dieser EM bisher gesehen haben". Und über die zweite: "Das war jetzt nach der ersten Halbzeit das allerbeste dieser EM". Und mehr brauchte es dann auch nicht mehr.

Zur Startseite