zum Hauptinhalt
Was geschah beim Mauerbau? Mehr dazu in der Magenta-Serie „Spy City“ mit Dominic Cooper.

© magenta

Von Sky bis TV Now: Die Serienneustarts im Dezember

Kostümfeste, Skaterin, Agenten und ein Toter, der nicht sterben darf – was der Dezember an neuen Streamingserien bereit hält.

Der Dezember, das war einst ein Monat besinnlicher Fernsehberieselung. Im ZDF liefen Adventsmehrteiler, im Ersten Loriot. Rund um Heiligabend gab es laufend „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, aber nicht zwanghaft Shows mit Carmen Nebel. Selbst Privatsender zeigten auch mal was anderes als „Die Hard“ in Endlosschleife. Seit Videoportale von A(mazon) bis Z(attoo) Serien aller Brutalitätsgrade auf Abruf anbieten ist die Jahreszeit der Nestwärme und Märchen vorbei. So scheint es zumindest.

Am Ersten Weihnachtstag startet bei Netflix ein echtes Märchen voll nestwarmer Nostalgie. Bei „Bridgerton“ geht es zu wie im Schundroman. Anfang des 19. Jahrhunderts versucht Londons Upper Class ihre Töchter gewinnbringend, also adlig, an den Mann zu bringen oder die Söhne an maximal schöne Frauen. Darunter befinden sich die acht Kinder der verwitweten Lady Violet, dessen Kronjuwel Daphne (Phybe Dynevor) zum (vorläufigen) Schein mit dem flatterhaften Duke of Hastings (Regé-Jean Page) anbandelt.

Weil das Elend dieser frühindustriellen Ära im Liebesreigen eitler Hofschranzen acht Folgen unsichtbar bleibt, könnte man die Serie getrost ins Altersheim schicke – schüfe Showrunner Chris van Dusen („Grey's Anatomy“) kein tiefgründiges Sittengemälde, dass die #MeToo-Debatte 200 Jahre vorverlegt und sogar rassistische Grenzen sprengt.

 In „Unter Freunden stirbt man nicht“ streiten Adele Neuhauser, Iris Berben, Heiner Lauterbach und Michael Wittenborn.
In „Unter Freunden stirbt man nicht“ streiten Adele Neuhauser, Iris Berben, Heiner Lauterbach und Michael Wittenborn.

© TV Now

Ein paar der privilegierten Heiratsobjekte (Queen inklusive) sind dunkelhäutig. Ihr Balzverhalten wird von Julie Andrews so aus dem Off begleitet, dass es nebenbei die Geburt der Boulevardpresse symbolisiert. Fazit: ein heiteres Kostümfest für Groschenromanfans mit Niveau.

So eines ist auch die deutsch-britische Agentenserie „Spy City“ bereits ab 3. Dezember auf Magenta. Kurz vor dem Mauerbau ringen Geheimdienste der Besatzungsmächte inklusive alter Nazis und neuer Stasis um das größte Stück der geopolitischen Torte von Berlin. Der englische Spion Fielding Scott (Dominic Cooper) etwa soll einen DDR-Wissenschaftler westwärts geleiten.

Als die Mission scheitert, zweifelt er nicht nur an seiner französischen Berufs- und Bettpartnerin Severine (Romane Portail), sondern entdeckt ein Komplott, das die Frontstadt des kalten Krieges zügig in ein Blutbad verwandelt.

Nach Büchern von William Boyd, orientiert sich Miguel Alexandre („Die Frau vom Checkpoint Charlie“) strikt am Spionagethriller-Regelwerk. Die Hauptfiguren sind attraktiv und viril, ihre Intrigen ausgefuchst und tödlich. Kulissen sind ein bisschen wichtiger als die Handlung, und James Bonds Aura ist unverändert anziehend.

Dennoch erschafft der Regisseur aus Lübeck mithilfe vieler Landsleute von Leonie Benesch bis Johanna Wokalek ein mitreißendes Drama jener zerrütteten Zeit, das nebenbei so einiges über die Gegenwart zu erzählen weiß.

Emanzipationsfernsehen über Freundschaft, Liebe, die Lust am Leben

Eine Gegenwart, der die HBO-Serie „Betty“ (ab 8. Dezember, auf Sky) näher kaum sein könnte. Bettys, für Außenstehende zum Verständnis, heißen im Skateboard-Jargon Girls, die den Boys in der Halfpipe zusehen, aber zusehends auch selber aufs Brett steigen.

Nach Motiven ihres Spielfilms „Skate Kitchen“ hat Crystal Moselle erneut fünf davon zu Heldinnen ihrer eigenen Story gemacht. In den New Yorker Betonparks müssen sich die hinreißend diversen Janay (Dede Lovelace), Indigo (Ajani Russell), Kirt (Nina Moran), Honeybear (Kabrina Adams) und Camille (Rachelle Vinberg) mit arroganten Platzhirschen herumärgern und nebenbei auch noch erwachsen werden.

Weil Moselles Crew spürbar sich selber spielt, entsteht daraus aber nicht nur eine feministisch-wahrhaftige Hipster-Comedy in sechs Teilen für Skater und solche, die es gerne wären, sondern authentisches Emanzipationsfernsehen über Freundschaft, Liebe, die Lust am Leben.

So lauten auch der Dreiklang der Serie „Unter Freunden stirbt man nicht“, ab 17. Dezember auf TVNow – nur dass Ella, Friedrich, Annette, Joachim weitaus älter sind und auch deshalb gerade dezimiert wurden: Hermann ist tot. Dabei steht der Forscher kurz davor, einen Nobelpreis zu kriegen.

Die Skater-Serie "Betty"
Die Skater-Serie "Betty"

© Sky

Weil der nie posthum verliehen wird, beschließt das Quartett, Hermanns Ableben bis zur Gala geheim zu halten. Wie bei einer Serie des „Pastewka“-Autors Claudius Pläging (Regie: Felix Stienz) zu erwarten, scheitert allerdings nicht nur der Versuch, den Verwesungsprozess aufzuhalten; auch die Eintracht der Lebenden mündet in einem Durcheinander, das Iris Berben, Michael Wittenborn, Adele Neuhauser und Heiner Lauterbach mit großer Hingabe verkörpern.

Die wahre Hauptfigur der deutschen Version des israelischen Originals „Stockholm“ spielt jedoch Walter Sittler. Als Leiche schafft er es, viermal 45 Minuten zu glänzen.

Abschließend noch ein Tipp für die neue Staffel eines der ungewöhnlichsten Serienformate der Dekade: am 10. Dezember startet „Fargo 4“. Die Serie des Emmy-Gewinners Noah Hawley basiert auf der Filmidee von „Fargo – Blutiger Schnee“, greift wiederum nicht die Handlung, sondern nur die Stimmung auf.

Dabei gibt es einen Anbieterwechsel, die Serie wechselt von Netflix zu Joyn Plus+. Im Zentrum der vierten „Fargo“-Staffel, die im Kansas City des Jahres 1950 spielt (Hauptcast: Tommaso Ragno und Chris Rock), steht der Konflikt zwischen einer mafiösen Organisation, vornehmlich bestehend aus italienischstämmigen US-Amerikanern, und einer afroamerikanischen Mobsterbande, die beide um ihren wohlverdienten Anteil vom amerikanischen Traum kämpfen.

Jan Freitag

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false