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Claus Gennrich leitete das Bonner F.A.Z.-Büro. Jetzt ist er im Alter von 81 Jahren gestorben.

© F.A.Z.-Foto Wolfgang Eilmes

Vom Tagesspiegel zur "FAZ": Claus Gennrich ist tot

Große Berichte über große Politik: Der "FAZ"-Journalist Claus Gennrich war der Notar des Vereinigungsprozesses. Ein Nachruf.

Das Wort Journalist beinhaltet das Wort Jour, der Tag. Journalisten schreiben gemeinhin für den Tag. Doch gibt es Journalisten, deren Wort über den Tag hinaus ragt. Und dann, selten, gibt solche, deren Artikel weit darüber hinaus weisen. Einer dieser Kollegen war Claus Gennrich.

36 Jahre lang hat er für die ehrwürdige „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ geschrieben, lange aus dem Ausland und bis zu seiner, sagen wir, Emeritierung 1998 aus Bonn. Gennrich war 18 Jahre ihr Büroleiter dort, blieb es, bis aus Bonn Berlin wurde. Das war, als der Umzug aus der provisorischen  Hauptstadt begann. Und so, wie die FAZ eine Institution war, war es auch Gennrich. Der vom Tagesspiegel kam: Er hatte unter Karl Silex, nach dem Tod Erik Regers von 1954 an Chefredakteur, volontiert und dann über Politik geschrieben.

Ein Leben lang. Große Berichte über große Politik: Gennrich den Notar des Vereinigungsprozesses in Deutschland zu nennen, ist nicht übertrieben. Niemand war dichter dran an diesem weltpolitisch herausragenden Geschehen als Gennrich. Es war, als sei er der Protokollant aller entscheidenden Unterredungen. Ob der des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl mit dem seinerzeitigen Kremlchef Michail Gorbatschow, ob Zweier- oder Dreierrunden oder die 2+4-Gespräche, Gennrich zitierte, keiner dementierte – es war zum Staunen. Artikel wie Testate. Dieser Kollege wusste mehr als die allermeisten Minister, wusste auch mehr als mancher im Kanzleramt, der dachte, er wisse alles. Gennrich wusste ja auch, was der amerikanische Präsident Ronald Reagan sagen würde.

Nie auftrumpfend, nur seiner selbst bewusst

Dabei war er uneitel und elegant in seiner Bescheidenheit. Eine feine, zarte Erscheinung. Nie auftrumpfend, nur seiner selbst bewusst. Gennrich untertrieb auch bewusst. Seine Zweispalter für die Zeitung hatten es in sich; dahinter steckte ja ein kluger Kopf. Weil das so war, durfte er jede Länge schreiben.

Die ihn in Bonn erlebten, hatten das Gefühl, er schreibe nie mit, wisse schon alles. Pressekonferenzen brauchte er eigentlich nicht zu besuchen. Wenn Gennrich dann kam, war es, als habe er sich seinen Mantel nur übergeworfen, um schnell zu bemänteln, dass er die ganze Zeit in den Sitzungen der Politiker hinter geschlossenen Türen gesessen habe. In der FDP haben sie seine Artikel über ihre Präsidiumsgespräche archiviert. Genauer war keiner.

Geboren als Sohn eines Pfarrers in Stargard in Pommern, kam er über Eisenach und Leipzig zu seiner Großmutter, einer Nachfahrin aus der Familie Luther, nach Berlin. Und ins Gymnasium Steglitz, wo er dann Abitur machte. Dort traf Gennrich auch seine spätere Frau Elke. Dass er sein Geschichtsstudium, vor allem der osteuropäischen Geschichte, nicht beendete, hat mit Silex zu tun. Gennrich wollte stattdessen schnell eine Familie mit Elke gründen, und Silex traute ihm,  wie sonst wenigen, zu, seinen Weg dennoch zu gehen.

Das ist er. Ohne ihn wüsste die Bundesrepublik nicht so viel von sich. Er hat Geschichte geschrieben. Nach langer Krankheit ist Claus Gennrich jetzt im Alter von 81 Jahren in Bonn gestorben.

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