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„Einen Film, keine Verfilmung“ nannte Schriftsteller Eugen Ruge das, was die Kinoproduktion mit Bruno Ganz (im Bild) aus seinem Roman „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ gemacht hat.

© Warner Bros./X-Verleih

Verfilmung von Literatur für Film und TV: Wenn Bestseller auf Quote prallen

Viele Fernseh- und Kinoproduktionen beruhen auf einer literarischen Grundlage. Doch nicht jedes Buch eignet sich für eine Verfilmung. Worauf muss man achten, wenn man Sprache in Bilder übersetzt?

Wenn am Mittwoch die Frankfurter Buchmesse beginnt, geht es nicht nur um die Lust am Lesen; es geht auch darum, wie aus Buchstaben ein visuelles Vergnügen wird. Bereits seit 2004 vergibt die Messe einen Preis für die beste, internationale Literaturverfilmung. In diesem Jahr weitet sie das Programm sogar noch aus und verleiht am Donnerstag zum ersten Mal die „Frankfurter Messe Film Awards“, die nun in drei Kategorien vergeben werden. „Wir erleben zurzeit eine Renaissance der Literaturadaptionen – literarische Stoffe sind die Inspirationsquelle für Filme und Serien. Und nicht zuletzt durch die Streamingdienste erleben sie einen ungeheuren Boom“, sagt Juergen Boos, Direktor der Buchmesse.

Die Messe, vor allem der Donnerstag, ist neben der Berlinale ein wichtiger Treffpunkt für Rechteverantwortliche aus Verlagen, Literaturagenten und Filmproduzenten. Dabei geht es um den gegenseitigen Austausch, aber auch um den Handel mit Lizenzen. In der Regel wird das Geschäft mit den Buchlizenzen von beiden Seiten betrieben. Verlage und Literaturagenten bieten den Filmproduktionen interessante Romane zur Verfilmung an. Die Filmproduktionen durchkämmen aber auch selbst gezielt die Verlagsprogramme. Dabei setze man gerne darauf, was sich am Markt bereits bewährt hat, wie beispielsweise Regionalkrimis fürs Fernsehen, berichten Verlage – oder aber, was gerade besonders im Fokus ist. „Eine wirkliche Formel aber gibt es nicht“, sagt Ufa-fiction-Produzent Benjamin Benedict.

Ob Bernhard Schlinks „Der Vorleser“, Stieg Larssons „Verblendung“, aber auch die Serie „Game of Thrones“ – viele Literaturverfilmungen beruhen auf Bestsellern. Das hat einen einfachen Grund: Die Produktionsfirmen können sich sicher sein, dass der Stoff schon einmal viele Menschen begeisterte und diese dementsprechend neugierig sein werden, wie das Buch nun auf der Leinwand wirkt. Das vermindert das Risiko eines Flops. Und für die Zuschauer, die den Roman noch nicht gelesen haben, bietet sich nun die Chance, doch noch mitreden zu können und sich so womöglich die Lektüre eines 1000-Seiten-Wälzers zu sparen. Etwa 7,5 Millionen Zuschauer sahen im Oktober 2012 die zweiteilige ARD-Verfilmung von Uwe Tellkamps „Der Turm“, ein Zehnfaches mehr als die damaligen Buchverkäufe. Mitunter verhelfen Literaturverfilmungen Büchern sogar zu Weltruhm. Die Verfilmung von Thomas Manns Novelle „Tod in Venedig“ und Mario Puzos Roman „Der Pate“ sind inzwischen mindestens so legendär wie ihre literarischen Vorlagen.

Film gut, Buch besser

Viel öfter aber heißt es: Der Film war gut, aber das Buch war besser. Oft ist nicht nur das Publikum enttäuscht, auch die Autoren selbst sind mitunter alles andere als begeistert. Lothar-Günther Buchheim distanzierte sich von der Verfilmung von „Das Boot“, Michael Ende war geradezu wutentbrannt über die Adaption seiner „Unendlichen Geschichte“, auch Stephen King hadert bis heute mit Stanley Kubricks „The Shining“. Meistens stören sie sich daran, dass der Film sich nicht genug am Werk orientiere.

Auch Eugen Ruge war anfangs nicht auf eine Verfilmung aus, weil er „In Zeiten des abnehmenden Lichts“, seinen mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Roman „in seiner Komplexität, mit seinen Innenansichten, seiner Sprache“ eigentlich für unverfilmbar hielt.

Für Ruge ist es ein Irrglaube, dass sich ein Buch 1: 1 übertragen lässt. Ein gutes Buch entwickelt sich nicht notgedrungen aus der Handlung, sondern aus der Sprache und den Bildern, die daraus entstehen – es geht „um den intellektuellen Genuss, daran, WIE etwas gesagt, wie etwas beschrieben wird: ein Sonnenuntergang, ein Schirm, eine Gestalt“. Solche Beschreibungen ließen sich nicht einfach dadurch ersetzen, indem man sie zeige, stattdessen funktioniere eine gute Filmadaption „über ein tiefes Verständnis, das eigene Erfahrungen und Gefühle mobilisiert“.

Ähnlich sieht es Schriftsteller und Drehbuchautor André Georgi, der bereits Erzählungen von Siegfried Lenz und Ferdinand von Schirach fernsehtauglich umgeschrieben hat. Eine gute Verfilmung fange „den Geist“ des Buches ein – und habe Mut zur Lücke. Während Literatur immer mal wieder abschweifen, mehrere Handlungsstränge und eine Vielzahl von Personen verfolgen kann, kommt man bei einer Verfilmung meist schon aus Zeitgründen nicht umhin, sich auf einzelne Handlungsstränge zu beschränken. Folglich müsse man sich genau überlegen, welche Personen die Erzählung vorantreiben. Generell dürfe es im bewegten Bild pointierter, zugespitzter zugehen als im Roman.

Emotionen muss man miterleben können

Allerdings bedeutet das nicht, dass man Dramatisches auch möglichst explizit darstellen muss. Gefühle und innere Monologe sind besonders schwierig darzustellen; am besten ist es, wenn man die Emotionen im Ausdruck und in den Handlungen des Schauspielers ablesen kann. Man muss sie gewissermaßen miterleben können.

Wie sehr sich die Autoren an einem Drehbuch beteiligen, ist unterschiedlich. John Irving hat für seinen Roman „The Cider House Rules“ das Drehbuch selbst geschrieben und dafür einen Oscar gewonnen; andere Autoren sind beratend tätig, wieder andere halten sich aus dem Drehbuch komplett zurück.

Prinzipiell sind Literaturverfilmungen ein teures Unterfangen, weil neben dem Drehbuch auch noch die Lizenz finanziert werden muss. Was die Autoren daran verdienen, ist unterschiedlich und das Ergebnis individueller Verhandlungen. Dass Autoren eine Verfilmung kategorisch ablehnen, sei allerdings die Ausnahme, sagt Benedict. „Wichtig ist ein guter Dialog mit den Autoren. Es hat auch viel mit Vertrauen zu tun, sein eigenes Buch in fremde Hände zu legen.“ Im besten Fall wird der Buchverkauf durch die Verfilmung erneut angekurbelt.

Auch Eugen Ruge hat durch den Film neue Leser gewonnen, sein Buch hält er dennoch weiterhin für unverfilmbar. Letztendlich hätten Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase und Regisseur Matti Geschonneck mithilfe des Romans ihren eigenen Abschied von der DDR ausfabuliert. „Eine Verfilmung ist dabei nicht herausgekommen, aber ein Film.“

Katharina Dippold

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