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Jan Böhmermann entlarvt die Praktiken beim RTL-Format "Schwiegertochter gesucht"

© Tsp

Update

#verafake und "Einspielerschleife": Noch ein Grimme-Preis für Böhmermann

Bei den diesjährigen Grimme-Preisen sticht Jan Böhmermann erneut als kontroverser Spaßvogel hervor. Flucht und Terror sind die ernsteren Gewinnerthemen.

Jan Böhmermann sollte sich ein weiteres Regal aufstellen, bekommt er doch in diesem Jahr erneut einen Grimme-Preis. In diesem Jahr werden der ZDF-Satiriker und sein Team für die Beiträge #verafake und „Einspielerschleife“ im „Neo Magazin Royale“ mit einem Spezialpreis in der Kategorie Unterhaltung geehrt, teilte das Grimme-Institut am Mittwoch mit. Bei #verafake hatte das Team des „Neo Magazins“ in die RTL-Sendung „Schwiegertochter gesucht“ einen falschen Kandidaten eingeschleust, um nach eigener Aussage zu zeigen, was RTL mit den Kandidaten „für ’ne geile Story, für ’ne geile Quote und für geil viel Cash“ anstellt. Den Beitrag „Einspielerschleife“, in dem Fernsehformate wild aneinandermontiert sind, wertete die Grimme-Jury als gelungene Reaktion auf Böhmermanns umstrittenes Schmähgedicht aud Erdogan und „geniale Entzauberung der Fernsehroutinen“.

Mit seinem „Neo Magazin Royale“ ist Böhmermann beim Grimme-Preis bereits sehr erfolgreich gewesen. Nach einem ersten Preis 2014 gab es im vergangenen Jahr gleich drei Auszeichnungen. Wegen der Aufregung um seine Erdogan-Satire hatte er seine Teilnahme an der Preis-Gala im März 2016 allerdings abgesagt.

Beim aktuellen, dem 53. Grimme-Wettbewerb wurden 15 Preise in vier Kategorien vergeben. Die prämierten Beiträge zeigen „auf beeindruckende Weise, in welcher Bandbreite es dem Medium Fernsehen gelingen kann, komplexe Sachverhalte, politische Verstrickungen, die Logik von Krieg und Terror oder auch die Manipulationen in gesellschaftlichen oder privaten Zusammenhängen auf ganz unterschiedliche Art und Weise in bewegte Bilder, packende Dramaturgien und anrührende Geschichten zu übersetzen“, sagte Grimme-Direktorin Frauke Gerlach.

Krimi ohne Preis

Bei den Auszeichnungen in der Fiktion fällt zweierlei auf. Erstens, dass das Lieblingsprogramm des Publikums, der Krimi, leer ausgegangen ist. Kein Grimme-Preis für einen „Tatort“, keine Trophäe für die mannigfaltigen Reihen im ZDF. Und weil dem Zweiten in der Fiktion kaum mehr als ein Krimi einfällt, kann die ARD in dieser Kategorie sämtliche TV-Oscars abräumen. Die Trilogie „Mitten in Deutschland: NSU“ wird zweifach gewürdigt. Die Produzentin Gabriela Sperl bekommt einen Spezialpreis für die Gesamtkonzeption, für ihre Leistungen beim ersten Film des Mehrteilers („Die Täter – Heute ist nicht alle Tage“) über die rechtsterroristische Gruppe werden unter anderem Autor Thomas Wendrich, Regisseur Christian Schwochow und Anna Maria Mühe für die Darstellung der Beate Zschäpe geehrt.

Die übrigen Preise in der Fiktion verdeutlichen, was Grimme-Chefin Gerlach mit „gesellschaftlicher Relevanz“ annonciert. „Das weiße Kaninchen“ thematisiert das Phänomen des „Cyber-Groomings“, des gezielten Ansprechens Minderjähriger zum Zweck sexueller Kontakte. Brigitte Hobmeier und Jutta Hoffmann bekommen ihre Preise für die Hart- und Weichzeichnung einer Tochter-Mutter-Beziehung („Ein Teil von uns“); „Dead Man Working“ zeigt Wolfram Koch („Tatort“-Kommissar in Frankfurt!) als Investmentbanker, der im Moment seines größten Erfolges vom Dach der „Bank der Deutschen“ springt. Sein Assistent Tom Slezak (Benjamin Lillie, preiswürdig wie Koch) sucht die Wahrheit hinter der Tat.

In der Kategorie Unterhaltung konnte Moderator Oliver Polak für „Applaus und Raus!“ den einzigen Grimme-Preis für einen Privatsender holen. Die Pro-Sieben-Late-Comedy springt mit ihren Gästen sehr hart um: Wer Polak langweilt, fliegt raus. Polak ist krass, manche Kritiker werfen ihm Diskriminierung vor.

Funk-Format "Wishlist" gewinnt

Mit der Auszeichnung der Mystery-Webserie „Wishlist“ von RB, MDR und Funk, der Jugend-Onlineplattform von ARD und ZDF, zeigt sich die Öffnung des Grimme-Preises für crossmediale Formate: Die bei Youtube ausgestrahlte Serie über eine Smartphone-App, die Wünsche erfüllt, gewinnt einen der drei Preise im Kinder- und Jugendwettbewerb.

Ausgezeichnete journalistische Formate stammen ausnahmslos von öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, meist sind die Inhalte hochaktuell: Der NDR wird etwa für eine Reportage über die Abschiebung von Asylbewerbern geehrt („45 Min: Protokoll einer Abschiebung“). Die zweiteilige Produktion „Schatten des Krieges“ von NDR und RBB berichtet vom Zweiten Weltkrieg aus russischer Sicht: von der nationalen Identitätsstiftung und von der Vernichtung von drei Millionen Soldaten der Roten Armee in Kriegsgefangenenlagern der Wehrmacht.

Der Dokumentarfilmer Ashwin Raman erhält eine Ehrung für zwei Kriegsreportagen aus dem syrisch-irakischen Grenzgebiet für den SWR und das ZDF. Raman ist für die Jury ein Reporter „ganz besonderer Art. Er will zeigen, wie der Krieg sich anfühlt, wie die Menschen darin leben und was wir darüber wissen sollten.“

Alle Preisträger unter www.grimme-preis.de

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