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Immer auf eigenes Risiko. Ob beim Turmspringen, beim Stock Car oder bei der Wok-WM – Stefan Raab gab alles. Das Publikum honorierte diesen Einsatz.

© dpa

"TV total" und "Schlag den Raab": Stefan Raab verlässt die Fernsehbühne

Stefan Raab hört nach 25 Jahren totalem TV auf. Ein Grund, um sentimental zu werden? Etwas an ihm war tatsächlich besonders: Er hielt sich immer für normal.

Wie viel die Menschen über den Nachruhm wissen. „Er wird schnell vergessen sein“, sagt einer. Ein anderer meint: „Er wird schneller vergessen sein als manch ein anderer Moderator.“ Aber das glaubt nicht mal Stefan Raab, der vielleicht sogar wünscht, in Vergessenheit zu geraten, jedenfalls als Mann der totalen Fernsehunterhaltung. Er wollte dem Volksbeglückungsmedium Nummer eins das Ereignishafte wiedergeben. Vielleicht war das ein absurder Wunsch.

Geht er als Gescheiterter, wie viele meinen, als notorisch gelangweilter Showman, der im Fernsehen alles ausprobiert und ausgereizt hat? Bemerkenswert an seinem Rücktritt, das gestehen sogar Raabs schärfste Nachruhm-Verächter, ist die Konsequenz, mit der er seinen Abschied betreibt.

Selbst wenige Tage vor der letzten TV-Total-Sendung gibt es kein Interview, keine Erklärung, die seinen Schritt dem breiten Publikum erläutern würde. Schon seine Rückzugsankündigung im Sommer war eine spärliche Notiz. Mag sein, dass dem 49-Jährigen für mehr die Worte fehlen. Es ist ja doch ein großer Schritt, die öffentliche Persona aufzugeben. Besser ins Bild dieses Mannes passt allerdings, dass er sein Publikum für selbstständig genug hält, eigene Schlüsse zu ziehen. Es müssen ja nicht dieselben sein wie seine.

Raab war noch Viva-Moderator, als er in einem Interview meinte, dass er sich nicht vorstellen könne, mit 50 immer noch Fernsehen zu machen. Damals war er, der eigentlich Musikproduzent hatte werden wollen, erst seit fünf Jahren dabei, wusste allerdings, dass einer, der die "werberelvante Zielgruppe" der bis 49-Jährigen erreichen wollte, nicht älter sein durfte als diese. Später sollte er seine Ansicht durch die Vorstellung von sich als altem Mann ergänzen, der in etwa sagen können wolle, sein Leben nicht vergeudet zu haben. Klar, dass es ihn da vom TV-Geschäft wegzog, das aus roten Lampen und heruntergezählten Sekunden besteht, aus dem Wechselspiel von Kamerazeit und Werbepausen, in denen das Leben überall weitergeht, nur im TV-Studio eingefroren wird, das sich in öden Wiederholungsschleifen ergeht und jedes Ereignis banalisiert dadurch, dass das Besondere in Serie zu haben sein soll. Weil das nicht funktioniert, nutzt sich jeder Ehrgeiz, der mehr will als das, ab. Das Ergebnis sind papierne Gestalten ohne physische Präsenz. Raab hat bei Pro7 immerhin 16 Jahre mit dem Irrsinn seiner Einfälle gegen diesen Mechanismus angekämpft.

Perfektes Timing - auch beim Abgang

Nun zieht er seinen Körper aus der Fernsehwelt zurück. Sein Timing stimmt jedenfalls. Die Raab-Maschinerie verliert seit Jahren Marktanteile. Die Quoten von „TV total“ sind seit 2001 kontinuierlich gesunken, diverse Nebenschauplätze wie Wok-WM, Turmspringen oder Auto-Rennen sinken ebenfalls in der Zuschauergunst, weil die meisten Spiel- und Wettkampf-Ideen sich bald abgenutzt hatten. Mit der einen, dass ein beliebiger Gast aus dem Publikum Raab selbst herausfordern durfte und in mehreren Prüfungen besiegen musste, um eine Million Euro zu gewinnen, hatte der Moderator zeitweise ein probates Mittel gegen die eigene Langeweile gefunden.

Der anfänglich phänomenale Erfolg von „Schlag den Raab“, was in 18 Länder exportiert wurde und nun am Samstag unter Raabs Beteiligung das letzte Mal stattfinden wird, erklärt mehr als jedes andere von ihm entwickelte Format, wie Raab als Fernsehmacher tickt, was ihn antreibt.

Es ist ja nie das vollkommen Neue erfolgreich, sondern etwas Altes, das nur niemand mehr wiedererkennt. So hat auch Raab das alte Konzept einer Spielshow wiederbelebt, die seine Kindertage geprägt hat. „Spiel ohne Grenzen“ hieß dieser Turnfesten entlehnte Wettkampf, bei dem Teams aus verschiedenen Ländern oder Städten bei allerlei abstrusen Geschicklichkeitsprüfungen gegeneinander antraten. Die Ausstrahlungen waren einmalige Fernsehereignisse.

Daran knüpft Raabs Gladiatoren-Duell an. Als einer, der sich selbst dem Wagnis einer Niederlage stellt, sprengt er die Konventionen der Illusionsapparatur Fernsehen, an dessen Personal die Rauheiten der Welt abperlen wie an Lack. Raab dagegen stürzt mit dem Mountainbike kopfüber in den Dreck, Gehirnerschütterung und Platzwunde inklusive. Er holt sich Blessuren, aber vor allem verliert er tatsächlich. Und das wühlt ihn auf. Ihn im Zorn über eine vergebene Chance ausrasten zu sehen, lässt das Publikum hinter die wohlgefällige Fassade des Fernsehprofis blicken. Dieser Mut, das Abnorme an sich zuzulassen, hebt ihn über die Verwalter des Seriellen hinaus, die ihren Job machen, indem sie immer hübsch weitermachen.

Mit der "Killerplautze" zum Leader of the Pack

Raabs Authentizität hat ihren Ursprung in der Glaubwürdigkeit des Körpers. Der musste nicht schöner sein als andere. Er war es auch nicht. Seine „Killerplauze“ tat es auch, ihn zum Leader of the Pack und zum Regenten über ein Imperium aus Zuarbeitern und Sub-Unterhaltern werden zu lassen. Und wenn eine Pop-Grazie wie Alicia Keys auf seiner Ledergarnitur Platz nahm und er, beeindruckt von ihrer Schönheit, immer unsicherer wurde, dann entfesselte er seinen gedemütigten Körper, indem er eben eine Rock’n’Roll-Nummer sang, in der gespreizten Pose eines gellenden Sängers. Bis zur Atemlosigkeit.

Nach dieser Einlage fehlte ihm die Kraft, eine so schlichte Frage seines Gastes wie der nach seiner Zukunft, wenn „TV total“ einmal Geschichte sein sollte, zu beantworten. Er stammelte, druckste herum, versuchte die Antwort, die er, weil sie ihm zu privat war, nicht geben mochte, wegzulächeln. Sein Körper sprach sie aus.

Nur vordergründig verdankte sich Raabs TV-Karriere Schlagfertigkeit und vorlauter Chuzpe. Legendär sein Versuch, als Viva-Feldreporter mit Werder-Manager Willi Lemke ins Gespräch zu kommen. „Sie nerven, merken Sie das eigentlich nicht? ... Sind Sie von Premiere? ... Ich bin nicht hier wegen Ihres Schwachsinns.“ Viele haben Raabs Dreistigkeit zu kopieren versucht, Oliver Pocher etwa, was dann oft nur noch wirklich dreist rüberkam. Denn ihnen fehlt das Bewusstsein, das Raab stets mitverkörperte: Dass er niemandem überlegen ist. Dass Höflichkeit eine Tugend und Unhöflichkeit ein Akt der Notwehr ist.

Nur weil Stefan Raab sich selbst für total normal hält, ist er ein so guter Spieler. Deshalb hat er die Fernsehrepublik auch vor die Herausforderung gestellt, ihn als Moderator einer politischen Talkshow zu akzeptieren, die, wie alle seine Erfindungen, Wettkampfcharakter hatte. Das ging nicht lange gut. Aber immerhin.

Was er im Falle seines Abschieds vom Fernsehen machen würde, hat Raab der „Zeit“ vor Jahren in einem Gespräch offenbart. Er wolle mit einem Katamaran um die Welt segeln, sagte er. Es ist eine romantische Idee, dass eine Weltumrundung ein erfülltes Leben abrundet. Aber Raab hängt ihr an.

„TV total“, Pro 7, Mittwoch, 23 Uhr 15; „Schlag den Raab“, Samstag, 20 Uhr 15

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