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Debatte über das Brexit-Chaos: Anne Will und ihre Gäste

© von Website daserste.ndr.de/annewill

TV-Talk "Anne Will" zum Brexit: Nach dem Brexit-Schlamassel hilft nur "Inspector Barnaby"

Anne Will und ihre Gäste fragen sich, ob das Brexit-Chaos noch zu ordnen ist - und von wem. Am Ende bleibt geballte Ratlosigkeit.

Brexit-Debatten haben einen großen Nachteil: Dass sie Brexit-Debatten sind. Soll heißen, dass sie von starker Aussichtslosigkeit umflort sind. Alles gesagt, nichts gelöst, das Chaos tritt pünktlich am 30. März ein. Der Untergang ist gewiss, ungewiss nur die Zahl der Opfer.

Aber die Talkshow „Anne Will“ war lange genug in der Winterpause, um das Thema noch nicht diskutiert zu haben. Also „Streit um den Brexit – wer kann das Chaos noch verhindern?“

In der Runde saßen, sehr ungewöhnlich für eine Talkshow im deutschen Fernsehen, mehr Aus- als Inländer: Jean Asselborn, Außenminister von Luxemburg, der Tory-Abgeordnete Greg Hands und Kate Connolly, Berlin-Korrespondentin von „The Guardian“ und „The Observer“. Deutsche Positionen vertraten Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht und der CDU-Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen.

Es lag nicht an den Gästen, dass die 60 Minuten herausfordernd waren. Schon die ersten Einlassungen von Hands zeigten, wie kompliziert das Problem ist und wie vertrackt damit der Weg zu einer Lösung, wenigstens irgendeiner Lösung sein wird. Zu jedem seiner Argumente brachte Hands Neben-, Über- und Unterargumente – immer unter der Überschrift „Der ausgehandelte Deal ist zu nahe an Brüssel dran“.

Korrespondentin Connolly, die übrigens zusätzlich zur britischen noch die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen hat, „um dem Schlamassel zu entkommen“, sah die Regierung May nicht mehr in der Lage, das Chaos zu verhindern, sie setzte auf einen übergreifenden Konsens der Parteien im Unterhaus.

Und Norbert Röttgen votierte für ein zweites Referendum, was die Augenbrauen von Hands nicht nur an dieser Stelle in die Höhe schießen ließ. In all dem Wortgetöse gab Luxemburgs Außenminister den Briten nochmals auf, was sie denn nun genau wollen, welche Position überhaupt eine Mehrheit in Parlament und Volk bekommen könnte.

Hier war Moderatorin Anne Will nicht wach genug: Was genau kann der „Plan B“ sein, den Premierministerin May am Montag vorlegen will? Die Talkshow bewegte sich zu sehr in den Sackgassen, in die die gesamte Brexit-Debatte geraten ist.

Ein merkwürdiger Unfall - aus deutscher Sicht

Und dann wurde es noch sehr deutsch: Wagenknecht, die schon zu Beginn die EU(-Kommision) als Bodyguard aller Steuerzieher bezeichnet hatte, ließ noch mal eine ordentliche Breitseite gegen die Lohndifferenzen in Europa vom Stapel. CDU-Mann Röttgen reagierte heftig, sah darin eine „Ukip-Nigel-Farage-EU-Diffamierung“, sprich eine durch und durch populistische Attacke der Linken-Politikerin.

Gut, dass da die Stunde Talk vorüber war, war doch offensichtlich, dass deutsche Politik nicht der Chaos-Verhinderer sein wird. Vielleicht gar nicht genau verstanden hat, was die 52-Prozent-Mehrheit beim Brexit-Referendum zustande gebracht hatte. Irgendwie wird das in deutschen Köpfen immer noch wie ein merkwürdiger Unfall betrachtet.

Die Ratlosigkeit, mit der die Runde bei „Anne Will“ auseinanderging, ließ den Kritiker nach Sendeschluss um 22 Uhr 45 zum Zweiten hinüberschaltete, um fünf Minuten „Inspector Barnaby“ zu inhalieren, eine Art telegener Mund-zu-Mund-Beatmung. Die Protagonisten rannten in historischen Kostümen herum, alles very, very british. „Barnaby“ wirkt wie die Erfindung eines Britanniens, das exquisite Morde in aquarellierter Landschaft kennt und sich von welchem Brexit auch immer gar nicht beeindrucken lässt. Und für seine Fans wird wohl gelten: Wir akzeptieren jeden Brexit, solange „Inspector Barnaby“ auch nicht um ein Jota verrückt wird.

Und damit zurück zu „Anne Will“ und dem tapferen Versuch, Briten, Brexit und Brüssel zu verstehen.

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