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Was würde Promi-Anwältin Leo Roth (Lavinia Wilson) eigentlich ohne einen schmierigen Boulevardjournalist wie Götz Althaus (Stefan Kurt) tun?

© ARD Degeto/RBB/Kerstin Jacobsen

TV-Serie „Legal Affairs“: Für keinen schmutzigen Trick zu schade

Lavinia Wilson spielt in der ARD-Serie „Legal Affairs“ eine Berliner Promi-Anwältin, die ihre Klienten mit allen Mitteln vor übergriffigen Medien schützt.

Man merkt Lavinia Wilson die ausgezeichnete Vorbereitung auf ihre Rolle als Promi-Anwältin Leonie Roth in der achtteiligen ARD-Serie „Legal Affairs“ an. Wenn sich Leo – in Berlin wird beinahe zwanghaft geduzt – im Gerichtssaal einen Staatsanwalt zur Brust nimmt, weil dem nicht aufgefallen ist, dass ein rechter Bürgermeister die Polizei am Ausüben ihres Jobs gehindert hat, oder wenn sie den großspurigen Verleger der größten Boulevardzeitung – die hier den Namen „Der Tag“ trägt – mit einer Schadenersatzklage im mehrstelligen Millionenbereich zusammenfaltet, dann vermittelt die Schauspielerin glaubhaft den Eindruck, dass sie seit Jahr und Tag nichts anderes macht, als mit Einstweiligen Verfügungen und Klagen wegen unzulässiger Verdachtsberichterstattung zu drohen. Eigentlich kein Wunder: Schließlich fungierte der Berliner Medienanwalt Christian Schertz nicht nur als Ideengeber, sondern auch als fachlicher Berater und Executive Producer.

Allerdings bleibt zu hoffen, dass der Alltag eines realen Medienanwalts anders aussieht als der von Leo Roth. Die erfolgreiche Chefin einer Kanzlei, die mit Mimi Tahar (Michaela Caspar) sogar eine Privatdetektivin einsetzt, um Material zur Entlastung ihrer Klienten und zur Einschüchterung der gegnerischen Partei zu sammeln, schreckt vor keinem anrüchigen Deal oder halb legalen Trick zurück. Da bietet sie ihrem Hauptwidersacher, dem schmierigen Boulevard-Journalisten Götz Althaus (Stefan Kurt), der so gar nichts von einem Baby Schimmerlos hat, zum Ausgleich für den Verzicht auf eine Story Fotos an, die für den darauf Abgebildeten kein Grund zur Freude sind. Und auch im Umgang mit Investigativ-Journalist Jonas Lindberg (Jacob Matschenz) ist sie nicht zimperlich. Was allerdings auch für den Umgang der Medien mit ihr gilt.

[„Legal Affairs“, ARD, Sonntag, Montag, Mittwoch und Donnerstag, je zwei Folgen ab 21 Uhr 45. Bereits jetzt alle Folgen in der ARD-Mediathek]

Auf ihr Team mit Elena Caspari (Maryam Zaree) und Cecil Graf von Carlsburg (Niels Bormann) kann sie sich verlassen, auch wenn diese eifersüchtig auf genügend Beachtung durch ihre Chefin – und hoffentlich irgendwann auch die Partnerschaft in der Kanzlei bedacht sind. Allen drei gemeinsam ist dabei die Einstellung: Wir sind nicht der Wahrheit, sondern unseren Klienten verpflichtet.

Mit der Rechtspflege, wie sie der Jurist und Schriftsteller Ferdinand von Schirach unter anderem mit der TV-Verfilmung von „Terror – Ihr Urteil“ betrieben hat, hat dies unterhaltsam wenig zu tun. In „Legal Affairs“ zählt nur der Sieg – um beinahe jeden Preis. Wie sehr Lavinia Wilson diese Rolle verinnerlicht hat, zeigt sich auch daran, dass Leo Roth trotz ihrer erbarmungslosen Härte und absoluter Professionalität keineswegs unsympathisch rüberkommt – die Regie haben sich Randa Chahoud und Stefan Bühling geteilt.

Mit Ideen, Beratung und als Executive Producer an der ARD-Serie "Legal Affairs" beteiligt: Medienanwalt Christian Schertz.
Mit Ideen, Beratung und als Executive Producer an der ARD-Serie "Legal Affairs" beteiligt: Medienanwalt Christian Schertz.

© Jens Kalaene/dpa

Mann kann Anwälten wie Christian Schertz und seinen Berufskollegen nur wünschen, dass ihr Leben etwas weniger hektisch verläuft als das der hyperaktiven Leo. Ob auf dem Roten Teppich bei einer Film-Premiere, der Faschingsfeier der an MS leidenden Schwester Ulli (Annika Kuhl), einem unerfreulichen Radio-Interview oder auf dem Laufband; irgendein Telefon klingelt immer. Normale Zeitgenossen würden das keine drei Tage aushalten.

Dabei kennt Leo Roth Gott und die Berliner Welt. Ihr Schwager Kai (Rainer Sellien) ist Innensenator, was ihn freilich nicht vor Fehlern schützt, die die gewiefte Anwältin dann aus der Welt schaffen soll. Leos Ex ist Richter (Sebastian Hülk), doch dass die Beziehung vorbei ist, schützt wiederum die Anwältin nicht vor Fehlern. Und wenn ein Schauspieler aus seinem Vertrag heraus will, um ein Angebot von Quentin Tarantino nicht ausschlagen zu müssen, findet Leo sicher einen Weg, ethische Bedenken und handfeste Drohungen hin oder her.

Inklusive Cameo-Auftritt von Christian Schertz

Da darf der reale Medienrechtsanwalt Christian Schertz in einem Cameo-Auftritt immerhin „Geld ist nicht alles“ sagen, als er von Leo um einen freundschaftlichen Rat gebeten wird. Schließlich übernimmt ihre Kanzlei ab und an auch Pro-Bono-Fälle und vertritt Menschen, die sich ihre Dienste sonst nie leisten könnten, mit der gleichen Vehemenz wie ihre teuer zahlenden Klienten.

[Alle Folgen des True-Crime-Podcasts Tatort Berlin des Tagesspiegels finden Sie hier]

Eine Nummernrevue spektakulärer Medienprozesse ist „Legal Affairs“ dabei nicht geworden, obwohl einige Tatbestände zwangsläufig häufiger behandelt werden. So wie der Schutz der Privatsphäre, wenn zum Beispiel einige Medien mit Berichten über den Gesundheitszustand eines Sportlers oder das Liebesleben des Sohnes eines bekannten Filmemachers Auflage machen wollen. Auch der Schutz vor Hass im Internet und Fake News gehört zu den regelmäßigen Aufgaben eines Medienanwaltes. Damit allein lässt sich allerdings keine achtteilige Serie füllen und kein Spannungsbogen herstellen. Dazu braucht es in einem Medium wie dem Fernsehen, in dem bereits am Vorabend dutzende Menschen ermordet werden, mehr. Auch „Legal Affairs“ kommt nicht ohne Todesfälle aus, sei es durch Unfall oder andere Gründe, die erst später geklärt werden.

Hohes Tempo, schnelle Schnitte, Blitzlichtgewitter und immer neue Fälle – Langeweile kommt bei dieser Serie nicht auf. Bald wird es für Leo Roth auch persönlich. Einer ihrer juristischen Rettungseinsätze hat fatale Folgen. Auf einmal steht ihre berufliche Karriere auf dem Spiel. Der rote Faden, den die Headautorinnen Lena Kammermeier und Felice Götze dabei auslegen, ist äußerst belastbar. Und Leo Roth für fast alle Fälle vorbereitet.

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