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„Mensch Merkel!“ lautet der Titel des ZDF-Porträts. Doch so viel Nähe lässt die Kanzlerin nicht zu.

© ZDF und Tobias Schwarz/AFP/Getty

TV-Porträt der Bundeskanzlerin: Merkels Widersprüche

Zum 65. Geburtstag von Angela Merkel sendet das ZDF ein TV-Porträt. Lob erhält die Kanzlerin besonders von SPD- und  Linken-Politikern.

Die Bundestagswahl 2013: Die CDU liegt deutlich vor der SPD, Angela Merkel ist so beliebt wie nie. Entsprechend ausgelassen feiern die Christdemokraten den Wahlsieg in ihrer Berliner Parteizentrale. Volker Kauder singt, Ursula von der Leyen tanzt und Generalsekretär Hermann Gröhe möchte auf der Bühne Deutschlandfähnchen verteilen. Doch das geht der Kanzlerin zu weit, sie entreißt ihrem General die Winkelemente und straft ihn mit einem vernichtenden Blick. Es ist dieser kurze Moment im TV-Porträt „Mensch Merkel!“, das vom ZDF einen Tag vor ihrem 65. Geburtstag ausgestrahlt wird, in dem die CDU-Politikerin mit ihrer Missfallensbekundung öffentlich Gefühle zeigt. Wo doch sonst die eigene Befindlichkeit für sie kein Kriterium ist, wie ZDF-Hauptstadtstudioleiterin Bettina Schausten weiß.

Diese Stelle in dem 45-Minuten-Beitrag der „ZDFzeit“-Reihe ist es denn auch, die Autor Bernd Reufels ausgewählt hat, um auf die jüngsten Befindlichkeiten der Kanzlerin einzugehen. Vor einem Jahr hat er mit der Arbeit an dem Porträt begonnen. Anfangs stand nicht einmal fest, zu welchem Zeitpunkt der Beitrag gesendet werden sollte. Ein möglicher Moment wäre sicherlich der Parteitag von Hamburg im Dezember 2018 gewesen, als Merkel nicht mehr für den Parteivorsitz kandidierte. Doch diese Idee wurde verworfen, weil dazu schon viel geschrieben und gesendet worden war. Als sich das ZDF dann für den 65. Geburtstag entschied, konnte wiederum niemand ahnen, dass kurz zuvor die Gesundheit von Angela Merkel zum Thema werden würde. Entsprechend musste der Beitrag quasi in letzter Minute überarbeitet werden, um die drei Zitteranfälle aufzunehmen. Und einen Kommentar von Parteifreund Wolfgang Bosbach. „Es kann einen auffressen, wenn man immer unter Beobachtung steht“, wird er diese Entwicklung kommentieren.

Was bleibt von der Ära Merkel?

Auf eine medizinische Einordnung wird hingegen verzichtet. Der ZDF-Film geht den Fragen nach, was die Ära Merkel auszeichnet und wie sie das Land geprägt hat. Vor allem die Widersprüche der Kanzlerin faszinieren den Autor. Ein noch größeres Problem als Aktualität war für Reufels indes, dass Merkel dem ZDF für das Porträt weder ein Interview geben wollte noch eine direkte Begleitung erlaubte. Anders als bei „Mensch Gauck!“ über den Ex-Bundespräsidenten konnte er das Objekt seiner Betrachtung diesmal nur in der Außensicht einfangen. Dass Regierungssprecher Steffen Seibert früher ebenfalls für das ZDF gearbeitet hat, machte da keinen Unterschied.

Statt mit der Kanzlerin führte Reufels zahlreiche Interviews vor allem mit Weggefährten und Zeitzeugen aus der Politik. Interessant dabei: Kritisch äußerten sich vor allem Merkels Parteifreunde. So wie wiederum Wolfgang Bosbach. „Man muss einer Fraktion immerhin das Gefühl geben, dass sie etwas zu entscheiden hat. Das ist immer weniger geworden“, sagte er. Und Norbert Blüm meinte: „Einer, der den Abschied angekündigt hat, der steht auf Abruf. Das tut der Politik nicht gut.“ Thomas de Maizière wirft der Merkel sogar vor, sie hätte den Satz, „Wir schaffen das!“ in der Begründung anders formulieren sollen.

Ganz anders die SPD: Franz Müntefering, Vizekanzler im ersten Kabinett von Merkel, ist voll des Lobes über Merkel und auch Linken-Politiker Gregor Gysi zollt der Kanzlerin Respekt. Gänzlich neue Einsichten in den „Mensch Merkel!“ bietet der Film jedoch nicht. Weder wird die Frage, auf wen Angela Merkel politisch hört, wirklich beantwortet. Noch wird die private Seite der Bundeskanzlerin ausgeleuchtet. Vielmehr mussten die Szenen mit Joachim Sauer und den gemeinsamen Wanderungen anderen Aspekten weichen. Angela Merkel dürfte es recht sein. Kurt Sagatz

„ZDFzeit: Mensch Merkel!“, ZDF, Dienstag, 20 Uhr 15

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