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"Mama" Else Moshammer (Hannelore Elsner) und "Rudi" Rudolph Moshammer (Thomas Schmauser)

© dpa

TV-Film über Rudolph Moshammer: Eine Hymne auf die Dekadenz

Kultfigur aus den 80ern: Der TV-Film „Der große Rudolph“ feiert den Modezar Rudolph Moshammer, der nur der Einsamkeit nicht entkam.

Er endete, wie es hartherzigen Pharisäern als Strafe für einen sittenlosen Außenseiter gefällt. Im Januar 2005 fand ihn sein Chauffeur in seinem Doppelhaus im Münchner Vorort Grünwald erdrosselt mit einem Elektrokabel. Rudolph Hans Albert Moshammer, geboren 1940, gelernter Modefachverkäufer, Betreiber einer Promiboutique auf der Maximilianstraße, war von einem psychisch kranken irakischen Asylbewerber ermordet worden. Den hatte Moshammer hinterm Hauptbahnhof wegen sexueller Dienstleistungen angesprochen und ihm zweitausend Euro Lohn versprochen.

„Mosi“, so nannte das vom Zeitungsboulevard unterrichtete Publikum den merkwürdigen Mann mit der schwarzen Perücke, den beiden daraus auf die Stirn tretenden Strähnen und dem mit Schleifchen geschmückten Yorkshireterrier „Daisy“ im Arm. Er hatte bis zuletzt den hernach nie mehr vergebenen Posten des obersten Münchner Mythenmeisters inne. Alles an ihm war Inszenierung: seine Zweireiher mit den Goldknöpfen, seine Schminke auf dem Gesicht, seine Muttersöhnchenattitüde, seine gedimmte Tuntigkeit, seine bemühte Gentlemanpose.

Nur die Einsamkeit bekam er nicht aus dem Blick, den Verlust des Vaters, der nach einem sozialen Absturz als obdachloser Alkoholiker gestorben war. Moshammers Leichnam kam, wie es sich gehört, in ein Mausoleum auf dem Münchner Ostfriedhof, gleich neben Mutti, die schon 1993 gestorben war. Sat1 übertrug die Funeralien. Dass er den Obdachlosen mit Almosen half, erhöhte für die Privaten Moshammers TV-Wert. Trauriger kann ein Tod wohl nicht sein.

Wie schön, dass die ARD nun diese Kultfigur aus ihrem Grab herausholt. „Der große Rudolph“, geschrieben und inszeniert von Alexander Adolph („Unter Verdacht“), ist mehr als ein gewöhnliches Biopic, das seine Erzählung auf die ganze Spanne zwischen Geburt und Tod ausdehnt. Auch will da keiner eine Schwulentragödie ausbreiten oder mit der Ironie eines Helmut Dietl konkurrieren. Adolph und sein ausgezeichnetes Schauspielerensemble zeigen die harte Arbeit am schönen Schein. Der Film konzentriert sich ganz auf die 1980er Jahre, in denen Mosi in München aus dem Nichts zum Mittelpunkt einer Luxusgesellschaft aufsteigt.

Die Überhöhung des eigenen Äußeren braucht Absicherung

Da ist ein Produzent symbolischen Kapitals zu sehen. Die Epoche vor dem IT-Zeitalter wird nicht bestimmt von Jeans tragenden Nerds, die körperlich hinter ihren Produkten in der Deckung der Unsichtbarkeit verschwinden. Man trägt noch nicht ausschließlich Tarnkappe. Die innerweltliche Askese – für Max Weber Signum des kapitalistischen Unternehmers – nimmt sich in München Urlaub vom strengen Über-Ich. Smoking, handgenähte Schuhe, teure Krawatten – die Überhöhung des eigenen Äußeren braucht Absicherung durch hohe Preise und pseudophilosophische Sprüche eines Typen wie Mosi.

Was der Modemagier liefert, ist nicht materiell, sondern der Stoff, der im Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ den obersten Herrscher so trefflich kleidet, ehe ein Kind ihn mit der Wahrheit zerreißt: das gestaltete Nichts. Ein steinreicher, geschmacklos langweilig gekleideter Graf (Robert Stadlober) ist farbenblind. Er wird glücklich, als sein geheim gehaltenes Leiden in Mosis Boutique ans Licht kommt. Der Kunde kann seine Zwangsjacke, besser gekleidet zu sein, als er es sehen kann, ablegen. Er lernt, zu seinem Defizit zu stehen.

Das Besondere dieses Fernsehfilms ist die Kunst der Maskierung (Bildgestaltung: Jutta Pohlmann). Täuschend echt ist auf den ersten Blick die Gestalt und der Ausdruck des historischen Moshammers rekonstruiert. Aber kleine Freiheiten erlauben es dem unter der Mosi-Maske steckenden fabelhaften Schauspieler Thomas Schmauser, dem Toten eine wunderbare Lebendigkeit zu verleihen. Da ist die Wiedergewinnung der Würde eines von Vorurteilen verschlungenen Menschen zu sehen.

Dazu trägt dann auch eine passend erfundene Pygmalion-Episode bei. Modeprofessor Higgins Moshammer erhebt Eliza Doolittle Evi (Lena Urzendowsky) aus dem Staub eines geknechteten Lehrmädchens in die Höhe einer ebenbürtigen Assistentin. Die Unerschrockenheit Evis hat Mosi imponiert. Die „verhuschte arme Sau“ – so die verdutzte Umgebung des Starverkäufers – lernt sich nach oben und blüht auf. Charakter und Aussehen sind hier innere Verbündete. Die alten Griechen glaubten ja schon an solche Einheit von Äußerem und Innerem. Klasse, wie Bildgestaltung und Regie diesen Wandel hinkriegen.

Das intrigante, emporkömmlerische und verlogene München liegt in besten schauspielerischen Händen: Hannelore Elsner, ein schrecklich liebes Muttertier, Sunnyi Melles, Hanns Zischler – opportunistischer, dümmer und geldgieriger können Investoren nicht sein – und Robert Stadlober in der Doppelrolle als romantischer und zynischer Graf. BR, ARD Degeto, ORF, WDR beweisen, dass sie es können. Öffnet die Mausoleen.

„Der große Rudolph“, Mittwoch. ARD, 20 Uhr 15

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