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Reise ins Ungewisse. Rebecca (Tinka Fürst) lässt sich von Henry (Michael Pink) in die Berge bringen.

© SWR/ARD

TV-Film "Now or never": Dem Himmel so nah

Ein Sterbehelfer und seine Klientin unterwegs zum Wunderheiler. Die SWR-Tragikomödie „Now or never“ nimmt den Tod spielerisch und bleibt dabei angemessen ernsthaft.

„Wow, näher war ich dem Himmel noch nie.“ An einem Bergsee genießt Rebecca (Tinka Fürst) den Blick zu den Sternen. Die junge Frau, die an einem unheilbaren Hirntumor leidet, ist an ihrem Ziel angekommen.

Hier oben in den Schweizer Alpen soll angeblich ein Wunderheiler leben, das hat sie jedenfalls ihrem stets übellaunigen Sterbehelfer Henry (Michael Pink) erzählt. Zu zweit gehen sie auf die (letzte?) Reise, verfolgt von Daniel (Sebastian Jehkul), der seine Frau vom freiwilligen Sterben abhalten will, und Henrys Kollegen Benno (Johannes Allmayer).

Hohes Tempo und skurrile Episoden

Begleitet werden sie außerdem von verschiedenen Elvis-Doubles, die auf dem Weg zu einem „Elvis Tribute“ in Graubünden sind. „Jetzt oder nie“: Das wusste schließlich schon der unsterbliche „King of Rock ’n’ Roll“.

Der SWR-Fernsehfilm „Now or never“ ist ein schräges Roadmovie von Belo Schwarz (Drehbuch nach einer Idee von Rüdiger Heinze) und Gerd Schneider (Regie) voller liebenswerter Figuren. Die flapsigen Sprüche sind nicht in jedem Fall originell („So’n Krebsgeschwür ist kein Zuckerschlecken“), aber die Leichtigkeit, mit der in dieser Tragikomödie das Tabuthema Tod verhandelt wird, ist erfrischend und sympathisch.

Zumal es mit Tempo vorangeht und die Geschichte mit skurrilen Episoden gespickt ist. Die reizvolle Idee des Drehbuchs: Die eigentliche Leidensfigur des Films ist der Sterbehelfer, der noch immer um seine vor sieben Jahren gestorbene Frau trauert und der nun von der todkranken Rebecca an den Wert des Lebens und die vielen Facetten des Glücks erinnert wird.

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Die Exposition braucht allerdings ein bisschen, bis es zum vergnüglicheren Reiseteil des Films kommt. Henry arbeitet in einem Verein, der sein großzügiges Gebäude direkt auf der Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz errichten ließ. Eine Markierung verläuft mitten durch den Raum, sodass man das Bett nur ein wenig verschieben muss, um den Wunsch nach Sterbehilfe legal zu erfüllen.

Dieses Filmszenario ist etwas überholt, funktioniert aber trotzdem, auch wenn das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts mittlerweile das Verbot einer „geschäftsmäßigen Sterbehilfe“ in Deutschland aufgehoben hat. Karlsruhe betonte in seinem Urteil das Recht auf selbstbestimmtes Sterben – eine Auffassung, die bestens zum „Now or never“ passt.

Im Radio hört die Kranke von einem Wunderheiler

Henry erhält von seiner Chefin den Auftrag, die an einem Hirntumor erkrankte Rebecca beim Sterben zu begleiten. Vorher soll er aber noch herausfinden, ob sie wirklich dazu entschlossen ist. Die hübsche junge Frau gibt sich bei der ersten Begegnung fröhlich-entschlossen: „Heute Nacht werden noch mal richtig die Ferkel gefüttert und morgen wird gestorben.“

Ihre vermeintlich letzte wilde Nacht in einem Club endet mit einem Zusammenbruch samt Schüttelkrampf. Am nächsten Tag weigert sie sich dann doch, „auszuchecken“, wie Henry sich auszudrücken beliebt.

Im Radio habe sie von einem Wunderheiler in den Schweizer Bergen gehört, sagt Rebecca, dort solle sie Henry hinbringen. Den Brief „Von Antje an Henry“, den Henrys verstorbene Frau geschrieben und den der Sterbehelfer in Rebeccas Hotelzimmer verloren hatte, benutzt sie als Druckmittel.

Immer mal wieder präsent ist Elvis

Kurz nachdem sich beide auf den Weg gemacht haben, taucht Daniel auf. Rebeccas Ehemann hält Sterbehilfe für Mord und will nicht wahrhaben, dass seine Frau freiwillig aus dem Leben scheiden will. Gemeinsam mit Henrys Kollegen und früherem Freund Benno nimmt der aufbrausende Zeitsoldat die Verfolgung auf.

Der eher gutmütige Benno wiederum ist angeblich „der Mann, der meine Frau getötet hat“, wie Henry später erläutern wird. Zwei ungleiche Paare sind nun unterwegs durch die schöne Alpenlandschaft, was auch deshalb ein Vergnügen ist, weil sich die parallel geschnittenen Dialoge in beiden Autos geschickt ergänzen und gegenseitig anzutreiben scheinen.

Spielerisch leicht geht es dabei um den Wert des Lebens, die Angst vor dem Tod und auch um die Frage, ob man geliebte Menschen vom selbstbestimmten Tod abbringen sollte. Immer höher geht es hinauf, was man wohl metaphorisch verstehen darf: dem Himmel entgegen. Immer mal wieder präsent ist Elvis (und seine Musik).

Benno und Daniel steigen schließlich in einen prächtigen Ami-Schlitten um, wobei dieser Elvis (Till Butterbach) einen eher lebensmüden Fahrstil pflegt („Wer später bremst, ist länger schnell“). Sehr komisch sind auch die urigen Schweizer Typen wie das alte Krämer-Ehepaar (Regula Steiner-Tomic, Walter Hess) und der vermeintliche Wunderheiler Schocher (Christian Kaiser), die den Weg weisen zum Schauplatz des sentimentalen und, ja, ein bisschen herzzerreißenden Finales.
„Now or never“, ARD, 24. 6., 20.15 Uhr

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