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Notaufnahme: Frank Baumann (Carlo Ljubek) mit Hannes (Mikke Rasch)

© MDR/Volker Roloff

TV-Drama über verunglücktes Kind: Warum?

Ein Familiendrama, das betroffen macht: Der Fernsehfilm „Atempause“ verhandelt schicksalhafte Fragen nach den letzten Dingen.

Er betritt den Raum und setzt sich auf einen der kargen, schmucklosen Stühle. Schmucklos, farblos und freudlos wirkt dieser Raum. Alles ist grau in grau. Der Raum strömt Kälte aus. Ein paar Stuhlreihen sind ordentlich aufgestellt, und am vorderen Ende sind zwei Spalte in die Betonwand eingelassen, ein vertikaler und ein horizontaler. Sie ergeben ein Kreuz, und von außen dringt das strahlend weiße Licht hinein.

Drinnen sitzt Frank Baumann (Carlo Ljubek) in diesem kleinen grauen Kapellenraum aus Beton. Der Raum befindet sich in einer Klinik, die ab und an im Bild zu sehen ist, groß, weiß, beinahe monströs wirkt sie. Man möchte da nicht hinein. Doch Frank muss hier sein und warten. Warten, zusammen mit seiner geschiedenen Frau Esther Baumann (Katharina Marie Schubert). Warten auf das Unmögliche. Warten auf ein Wunder.

Ihr gemeinsamer Sohn, der neunjährige Hannes (Mikke Rasch), liegt auf der Intensivstation, nachdem ihm zuvor beim Fußballspiel des Vereins der Ball frontal an der Stirn traf. Seither liegt Hannes im Koma. Die Eltern bangen und hoffen. Und die Ärzte teilen ihnen mit sachlicher Indifferenz ein ums andere Mal eine weitere Hiobsbotschaft mit. Dass Hannes seit Jahren ein Aneurysma hatte. Dass dieses Aneurysma nun wahrscheinlich durch den schweren Aufprall geplatzt sei. Dass derart viel Blut ins Gehirn ausgetreten sei, dass man nicht mehr operieren könne.

Und schließlich: dass Hannes’ Gehirn nicht mehr zurückkäme. Den diagnostizierten Hirntod ihres künstlich am Leben gehaltenen Jungen müssen die Eltern nun begreifen und annehmen lernen. Vor allem Mutter Esther hadert mit der Situation. Da sind die quälenden Fragen: Warum unser Sohn? Warum lässt Gott dies zu? Als Frank Baumann in der Klinikkapelle sitzt, laufen ihm die Tränen. Er setzt sich hin und beginnt, innerlich bebend, das „Vaterunser“ zu beten. Bis er es abbricht. Mit den Stühlen um sich schmeißt.

Es war doch gerade noch alles ganz normal

„Atempause“ heißt dieses Familiendrama, das vor allem die grundlegende Frage des „Warum?“ verhandelt. Regisseurin Aelrun Goette („Keine Angst“, „Im Zweifel“) hat das Drehbuch der Autoren Christian Schnalke, Sven Halfar und Joyce Jacobs verfilmt. Es ist ein stiller, leiser Fernsehfilm entstanden, der aufzeigt, wie rasch das Leben sich ändern kann, vor allem auch, wie fragil es ist. Einmal sagt Esther zu Frank: „Ich versteh’s nicht. Es war doch gerade noch alles ganz normal.“ Die brutale Zäsur ist es, die diese Normalität zerschneidet, in ein Bisher und ein Jetzt. Genau diese Zäsur beschreibt der Film.

Noch hoffen die Eltern und Tina (Sarah Mahita), die fünfzehnjährige ältere Schwester, dass Hannes doch irgendwie zurückkäme, weiterlebe. Doch es ist eine trügerische Hoffnung. Vater Frank erkennt und verinnerlicht dies deutlich früher als seine Ex-Frau Esther. Beide Rollen, die des Vaters ebenso wie die der Mutter, sind veritable Herausforderungen für die beiden Hauptdarsteller Schubert und Ljubek, die – umgeben und ergänzt von einem Ensemble, in dem sich unter anderem Luise Heyer und Julia Jäger als empathische Klinikschwestern finden – den Film durchgehend tragen.

„Atempause“ erzählt von einer Situation, die so in dieser Form vermutlich jeden Tag hinter den hohen kalten bundesrepublikanischen Klinikmauern geschieht. Dieser Fernsehfilm bewegt, er macht betroffen, er stimmt nachdenklich, er wühlt auf, er macht wütend, er verärgert auch, und er rührt einen schlicht zu Tränen. Es mag auch die Erinnerung an des Zuschauers eigene Endlichkeit sein. An seine Sterblichkeit. Dieser neunjährige Junge Hannes, das kann jeder von uns sein – jederzeit, jeden Tag, überall.

„Atempause“, Mittwoch, ARD, 20 Uhr 15

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